Herr Grosse, Sie waren auch bisher schon nicht weit weg von Sky Sport News HD. War mit dem Wechsel auf den Chefsessel überhaupt eine Einarbeitungszeit nötig?

Bisher haben wir jeden Morgen im Büro Sky Sport News HD ein- und erst am Abend wieder ausgeschaltet. Wenn man das vier Jahre macht, wird man mit der Zeit zum Heavy-User. Aber es ist natürlich etwas anderes, wenn man für den Sender verantwortlich ist und mit Strukturen, Arbeitsabläufen, oder Personaldienstplänen konfrontiert wird. Diesen Überblick habe ich mir in den vergangenen beiden Monaten zum großen Teil verschafft, aber ich bin noch immer dabei, mit Moderatoren, Redakteuren oder unseren CvDs zu sprechen, um einzelne Bedürfnisse und Erwartungen kennenzulernen. Dass der Sender in sicherem Fahrwasser unterwegs ist, macht den Start für mich allerdings erheblich leichter.

Sie spielen auf die Rekord-Quoten an, über die Sky Sport News HD zuletzt jubeln konnte.

Die richtig guten Quoten von fast einer Million Zuschauern an manchen Tagen bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man auch eine perfekte Sendung macht. Die Quote ist daher letztlich eine schöne Bestätigung, aber das Programm lässt sich immer verbessern. Es muss unser Anspruch sein, nahezu perfekt zu sein.

An welchen Stellschrauben wollen Sie denn drehen?

Das kann ich noch nicht vollumfänglich sagen. Aber wenn man 18 Stunden am Tag live sendet, kann man sich grundsätzlich überlegen, wie man zu verschiedenen Uhrzeiten die Schwerpunkte der Berichterstattung unterschiedlich gewichten kann. Wir betreiben derzeit eine inhaltliche Analyse, die ein Stück weit auch an Quoten orientiert ist. Am Ende wollen wir herausfinden, was den Zuschauern wichtig ist. Aber da befinden wir uns bereits auf einem sehr guten Weg.

Könnte das auch ein Abrücken vom klassischen Rolling-News-Prinzip nach sich ziehen?

Wir sind ein Rolling-News-Sender. Das ist unsere DNA, die wir nicht antasten werden. Aber schon jetzt rücken wir von diesem Prinzip ab, wenn es nötig ist. Nehmen Sie den Tag der Länderspiel-Absage. An diesem Abend haben wir im Grunde agiert wie die „Tagesthemen“ oder das „heute-journal“, weil das die Zuschauer in diesem Moment auch von uns erwartet haben, wie die Quoten ja auch gezeigt haben. Wir hatten über zwei Stunden hinweg im Schnitt 115.000 Zuschauer! Das ist ein schöner Vertrauensbeweis für unsere Redaktion und ein Signal für die Zukunft. Die Flexibilität dieses Abends müssen wir uns bewahren.

Am Tag der Länderspiel-Absage, aber auch am Tag der Anschläge von Paris haben sich Sport und Politik stark vermischt. Wo zieht ein Sportnachrichtensender in der Berichterstattung eigentlich die Grenze?

Der Sport ist ein Teil der Gesellschaft und die Gesellschaft ist politisch. Wo soll man dort eine Grenze ziehen? Wenn Menschen bedroht sind und die Politik Einfluss nehmen muss, dann sind diese Grenzen ohnehin nicht mehr vorhanden. An Abenden wie diesen geht es zunächst mal darum, die Zuschauer mit Informationen zu versorgen. Da interessiert sich niemand mehr für konkrete Spielergebnisse.

Sie haben eben die durch das Pay-TV begrenzte Reichweite angesprochen. Wie kann es Sky Sport News HD gelingen, auch abseits des Abonnentenkreises wahrgenommen zu werden?

Wenn ich an der U- und S-Bahnstation stehe, bekomme ich auf vielen Out-of-Home Screens Nachrichten von Sky Sport News HD. Genauso verhält es sich in vielen Filialen von McDonalds und in so manchem Ärzte-Wartezimmer. Über diese Wege, aber auch über Hotels und in Sportsbars, versuchen wir, die Marke zu den Menschen zu transportieren, die Sky möglicherweise noch nicht abonniert haben. Aber, das ist eine Aufgabe, die nicht nur uns betrifft - das gilt für jedes Produkt auf dem Markt. Wichtig ist uns aber auch die klassische Mund-zu-Mund-Verbreitung: Die Leute lesen in Tageszeitungen, was bei uns gesagt wurde. Auch darüber kann man sich über einen längeren Zeitraum zunehmende Relevanz erarbeiten. Diesbezüglich sind wir nach nur vier Jahren auf Sendung schon sehr zufrieden. Trotzdem sind wir noch nicht am Ende der Entwicklung.

"Mein Credo: Inhalt schlägt immer die Grafik."
Dirk Grosse, Chef von Sky Sport News HD

Optisch hat sich der Sender seit dem Start vor vier Jahren wenig verändert. Muss da bald mal renoviert werden?

Renovieren klingt sehr hart. Es geht eher um eine Anpassung an den Zeitgeist. Wenn Sie sich die Sportnachrichtensender der Sky-Kollegen in Großbritannien und Italien ansehen, werden Sie feststellen, dass alle drei Sender etwas anders aussehen. Es wird daher in absehbarer Zeit ganz sicher eine grafische Veränderung geben. Das Blau der Engländer ist ein anderes als unseres – diesbezüglich werden wir uns den Kollegen etwas annähern und vermutlich deren Farbe annehmen. Aber das sind Kleinigkeiten, die der Zuschauer im Zweifel nicht bewusst wahrnimmt. Mein Credo: Inhalt schlägt immer die Grafik.

Vor einigen Jahren haben Sie für 1860 München gearbeitet. Sie also gewissermaßen ein Löwe. Kann man daraus schließen, dass es bald weniger Raum für die Bayern geben wird?

(lacht) Ich war zwei Jahre lang Pressesprecher, aber deswegen muss ich ja kein Löwe sein. Als Sportjournalist und verantwortlicher Senderchef geht es darum, allen Vereinen gerecht zu werden. Wir müssen darüber berichten, was passiert - und wenn bei den Löwen etwas passiert, werden wir darüber genauso berichten wie über Stefan Effenbergs Paderborner. Und wenn die Bayern eben jeden Tag eine Nachricht liefern, die für uns und die Zuschauer interessant ist, dann spielt das natürlich auch weiterhin eine Rolle im Programm. Die Nachricht ist die Priorität - und die kann von jedem kommen.

Bevor Sie zu Sky kamen, waren Sie lange Redaktionsleiter beim „Doppelpass“. Gibt es etwas, das Sie aus dieser Zeit bis heute für sich mitnehmen?

Ich bin ein Kind des Talks und liebe Talk-Strecken. Sie müssen nur gut sein und den Zuschauern etwas bringen. Daher hätte ich auch gerne bei uns im Programm mehr gut gesetzte Talk-Elemente. Wir haben exzellente Reporter, mit denen wir genau solche Strecken füllen können. Ein Talk muss schließlich nicht immer im Studio stattfinden, sondern kann auch eine Schalte zwischen Moderator und Reporter bedeuten. Die Reporter sind letztlich die Menschen im Programm, an denen sich unsere Zuschauer orientieren. Das möchte ich gerne stärker herausstellen. Gleiches gilt für unsere Experten und Redaktionsmitglieder. Wieso sollen unsere Leute, die sich in bestimmten Vereinen oder Sportarten gut auskennen, nicht auch vor Ort zu Wort kommen?

Herr Grosse, vielen Dank für das Gespräch.