Diese skurrilen Geschichten sind es vermutlich, die zur Popularität Ihrer Sendung insbesondere in sozialen Netzwerken beitragen.

Ausgefallene Dinge sind doch das Salz in der Suppe des Lebens! Genau das will ich hören. Ich erinnere mich an eine Anruferin, die mich fragte, ob sie ein Anrecht darauf habe, neben ihrem Ehemann beerdigt zu werden, weil sie einen gemeinsamen Grabvertrag abgeschlossen hätten. Da es jedoch ein Familiengrab wäre, sei nun aber plötzlich der verstorbene Schwager neben ihren Gatten gebetet worden. Ich hab dann erst einmal gesagt, sie soll sich doch auf die andere Seite legen lassen, was aber nicht ging, weil der verstorbene Ehemann wohl links-außen liegt. Am Ende kam raus, dass es ihr gar nicht so sehr um den Platz neben ihrem Mann ging. Ich hatte vielmehr den Eindruck, sie wollte die Grabpflege nicht mehr bezahlen. Und so entwickelt sich in diesem Gespräch plötzlich eine ganz andere Fragestellung. Solch eine Story besitzt auch für mich selbst einen großen Unterhaltungswert.

Das ist fast so gut wie die ältere Dame, die ihren geklauten Schmuck am Hals von Ministerpräsidentin Malu Dreyer vermutete.

(lacht) Ich finde es immer faszinierend, wenn wir Menschen haben, die subjektiv von einem bestimmten Tatbestand überzeugt sind. Die Dame ließ sich auch gar nicht mehr davon abbringen, obwohl man ja anhand von Vergleichsfotos recht eindeutig sehen konnte, dass es sich um zwei verschiedene Schmuckstücke handelte. Dass der Stein eine andere Farbe besaß, hat die Anruferin gar nicht interessiert. Andererseits muss man auch dafür Verständnis haben. Ich versuche da gerne eine Brücke zu schlagen: Wenn im Strafprozess ein Zeuge felsenfest behauptet, was vor zwei Jahren gewesen sein soll, dann wird es schwierig. Ich kann mich ja noch nicht einmal an alles erinnern, was vor zwei Tagen passiert ist. Da sitzen Menschen in Gerichtssälen und behaupten steif und fest, wie etwas abgelaufen ist. Und dann wundern wir uns, weshalb es Fehlurteile gibt. Das ist natürlich ein Extremfall, aber im Kleinen ist es genau das, was wir in den Geschichten unserer Sendung hören.

Sie wirken bei solchen Gesprächen mitunter erstaunlich abgeklärt. Sie kann nichts schocken, oder?

Ich bin seit 25 Jahren Anwalt, bin Strafverteidiger und vertrete seit Jahr und Tag im Gerichtssaal alles mögliche, das mit "bösen" Menschen in Zusammenhang gebracht wird – mit Ausnahme von Sexualstraftaten. So viel schockt mich tatsächlich nicht mehr. Aber es gebietet der Anstand, dass ich jeder Geschichte ruhig und besonnen zuhöre. Natürlich habe ich in der Sendung auch schon ein paar Mal gelacht wie etwa bei der Frau, die allen ernstes wissen wollte, ob ihre Katze das Recht hat, die Hasen ihrer Nachbarn zu fressen. Das müssen Sie sich mal vorstellen. Das ist so als würde ich sagen, mein Kind soll sich ausleben und darf deshalb ständig den Hamster der Nachbarn quälen. (lacht)

Viel Zeit bleibt Ihnen ja nicht, um eine Einschätzung abzuliefern.

Ich warte noch auf den Moment, an dem ich das erste Mal da stehe und nicht weiterhelfen kann. Das wird sicher irgendwann einmal kommen. Darüber haben wir uns vor dem Start der Sendung tatsächlich auch viele Gedanken gemacht, weil ich ja kein Allrounder bin. Für diese Momente haben wir allerdings entschieden, dass ich den Mut haben darf, einfach auch mal etwas nicht zu wissen. Damit lebe ich ganz gut.

Woher kommt eigentlich Ihre offensichtliche Freude, vor der Kamera zu stehen?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Als ich angefangen habe, Jura zu studieren, habe ich mir nicht vorstellen können, dass man damit unterhalten kann - bis ich die ersten Plädoyers vor Gericht miterleben durfte. Inzwischen stelle ich fest, wie Menschen an meinen Lippen hängen, wenn ich von Strafgerichtsprozessen erzähle. Das macht unglaublich Spaß. Und das ist vielleicht auch das, was sich auf die Kamera überträgt. Ich liebe es, Dinge so zu erzählen, dass sie jeder verstehen kann. Ich genieße das total und es macht mir eine Höllen-Freude.

Also geht "Lenßen live" nach der Sommerpause weiter?

Wenn's nach mir geht, dann auf jeden Fall. Ich habe Spaß daran, die Zuschauer offensichtlich auch. Dass die Leute bei Twitter und Facebook so viel Spaß daran haben, begeistert mich umso mehr. "#Lenssen" ist ja bereits seit Wochen immer wieder in den Trends Nummer 1. Ich bin schließlich nicht mehr der Allerjüngste und freue mich daher, dass ich doch noch ein bisschen mithalten kann mit dem Zeitgeist.

Herr Lenßen, vielen Dank für das Gespräch.