Weil es in den großen Märkten so selten große Hoffnungen gab zuletzt, sinkt die Hemmschwelle sich auch mal in anderen Märkten nach neuen Ideen umzusehen. Etwa im sonst oft für etwas verrückt erklärten asiatischen Fernsehen.

Es ist aber nicht nur Asien. Wir sind auf Südkorea gekommen, weil es unter all den TV-Märkten der  Region noch das am internationalsten ausgerichtete ist, auch wenn immer noch viele Grafiken im Bild sind. Der Production Value sieht aus wie in den USA. Wir schauen aber auch sehr stark nach Lateinamerika. Gerade aus Mexiko kommen gute Shows und wir haben auch in Chile, wo wir mit Holger Roost-Macias ja unseren eigenen Spion haben, schon Schönes gesehen. Selbst die Amerikaner gucken längst im Weltmarkt nach Inspiration. Der Format-Markt war noch nie so offen. Eine mexikanische Showidee, die wir gekauft haben, haben sich auch schon Amerikaner gesichert. Und auch an unseren „Curvy Supermodel“ bestand frühzeitig Interesse aus den USA. Skandinavien ist wiederum vielleicht ein bisschen überbewertet, was non-fiktionale Unterhaltung angeht.

Dann lassen Sie uns doch über die „Curvy Supermodel“ reden, die bei RTL II starten.

Die „Curvy Supermodels“ sind neben der zweiten Staffel von „Ewige Helden“ für Vox unsere  wichtigste Produktion in diesem Herbst. Was „Curvy Supermodel“ noch einmal besonders macht: Es ist eine Idee bei uns aus dem Haus. Wir haben das schöne Gefühl, dass das Fernsehen hier nicht einem Trend hinterher rennt oder ihm meilenweit voraus ist - wir alle kennen TV-Ideen bei denen man leider seiner Zeit voraus war. Das Format passt genau richtig. „America’s Next Topmodel“ beispielsweise hat in der neuen Staffel mit Ashley Graham das vielleicht berühmteste Curvy Model in die Jury genommen. Wir sind auch mit Bewerbungen regelrecht überschüttet worden.

Was macht die Show denn sehenswert?

Die einfache Antwort darauf ist die gleiche wie bei vielen anderen Formaten des Factual Entertainment: Das A und O sind die Geschichten. Das Casting ist in diesem Fall der Rahmen dafür. Wie wichtig die Geschichten sind, zeigen manche Formate die ihr Konstrukt mit zu wenig Liebe fürs Detail ausgestattet haben. Die komplexere Antwort: Die Verwandlungen, die unsere Teilnehmerinnen durchmachen, haben niemanden im Team kaltgelassen. Und ich rede hier eben nicht von der äußerlichen Verwandlung. Hübsch waren unsere Teilnehmerinnen vorher auch schon. Aber sie entwickeln von Folge zu Folge mehr Selbstvertrauen, so dass man wirklich das Gefühl hat, dass dort im Finale ganz andere Persönlichkeiten stehen. Das war von Anfang eine der Urideen des Formates, dass sie inhaltlich aufgegangen ist, hatten wir vorher gehofft aber nicht planen können.

Im Frühjahr kommt dann bei Vox die zweite Staffel von „Ewige Helden“. Welche Erkenntnisse haben Sie da aus der ersten Staffel mitgenommen?

Wir werden da im engen Dialog mit Vox relativ viel verändern. Der Sender hat ja wirklich ein  Händchen dafür, Formate weiterzuentwickeln und an Sendungen zu arbeiten. Im Prinzip haben wir bei „Ewige Helden“ ja gleich zwei Dinge vereint, die für den Vox-Zuschauer neu waren: Sport und Game, auch wenn es keine klassische Gameshow ist. Ich freue mich, dass die Kritiken ein einziges Loblied waren auch wenn wir vielleicht durch diese Kombination für manchen Zuschauer zu sperrig waren. Manche frühe Kritik bemängelte, wie langweilig die Spiele seien. Bis man dann gemerkt hat, dass es gar nicht vordergründig darum geht. In Staffel 2 setzen wir daher nochmal deutlich mehr auf das Miteinander, weil das besonders gut funktioniert hat.

Wer ist denn jetzt dabei? Man hörte, ein Kandidat musste kurzfristig absagen?

Bestätigt sind der frischgebackene Olympiasieger Fabian Hambüchen, Eiskunstlauf-Star Tanja Szewczenko, Weltklasse-Rennrodlerin Silke Kraushaar-Pielach, Beachvolleyball-Olympiasieger Julius Brink, Langlauf-Olympiasiegerin Evi Sachenbacher-Stehle, Olympiasieger im 800-Meter-Lauf Nils Schumann sowie Spielmacherin der Hockeynationalmannschaft und Olympiasiegerin Fanny Cihlar. Für Jürgen Hingsen ist Stabhochspringer Björn Otto ‚eingesprungen’.

Nach einem Jahrzehnt dominiert von Reality-TV und Castingshows sind derzeit Fernsehserien sehr en vogue. Macht das das Geschäft schwerer? Oder betrifft das den deutschen Markt einfach weniger?

Ich glaube es gibt gerade als Ausgleich zu den komplexen Serien den Bedarf nach simpler Unterhaltung. Das ist in keinster Weise abwertend gemeint. Aber „Ninja Warrior Germany“ war im Sommer ja ein sehr erfolgreiches Beispiel dafür. Kurzweiligkeit ist gefragt. Das können und wollen die komplexeren Serien ja erklärtermaßen nicht. Daher kommt man sich nicht in die Quere sondern ergänzt sich gut.

In welchen Genres - abseits der beiden Großprojekte - entwickelt Tresor TV denn derzeit?

Wir haben tatsächlich zwei preiswerte tägliche Serien in Vorbereitung und hoffen, dass wenigstens eine der beiden auf Sendung gehen wird. Aus dem Producers Network wollen wir auch einige Ideen gleich mit passendem Werbepartner zusammen in den Markt tragen. Da sind starke Ideen für Branded Entertainment dabei. Der Start von Sky One ist für uns auch nochmal eine spannende Perspektive. Ich begrüße da jeden neuen Abnehmer für Entertainment-Programme. Für das kommende Jahr sind wir schon in Vorbereitung einer neuen Reality-Datingshow. Aber das dauert noch etwas.

Wie viel Fantasie bringen die neuen kleineren Free-TV-Sender mit sich?

Das ist ein schmaler Grat. Das hängt dann davon ab, wie sehr man an ein Thema glaubt und ob man damit dann dort ansetzen will. Aber es mangelt auch so nicht an interessanten neuen Möglichkeiten. Die SVoD-Rechte für unsere Jugendserie „Fluch des Falken“ liegen bei Tresor TV. Die werten wir selber aus und ich war mehr als positiv überrascht als ich die erste Abrechnung gesehen habe. Es ist noch lange nicht so, dass sich daraus eine Produktion finanzieren könnte, aber man kann eine Lücke im Budget schließen und sollte das im Auge behalten.

Herr Kühn, herzlichen Dank für das Gespräch.