Herr Lauterbach, die Wige Media AG macht einen radikalen Schnitt und trennt sich von den bisherigen Kerngeschäftsfeldern TV-Produktion und Medientechnik. Warum?

Wir haben uns entschieden auf Geschäftsbereiche zu verzichten, die zwar dafür gesorgt haben, dass Wige um die Jahrtausendwende ein echt relevanter Player in der Sport TV Produktion wurde, sich aber heute für uns nur noch mit Verlusten umsetzen lassen. Deswegen trennen wir uns davon ebenso wie vom margenschwachen und kapitalintensiven Bereich der Medientechnik. Wir werden alle Anteile an der Wige Broadcast GmbH an Wolfgang Reeh und die Assets der Wige Solutions GmbH an die von Thomas Riedel mit einem Partner neu gegründete Wige Solutioins GmbH & Co. KG veräußert. 

Wie viel Geld erlösen Sie mit dem Verkauf?

Der Kaufpreis liegt für die veräußerten Bereiche bei vier Millionen Euro. Aus der Transaktion gewinnt die Wige Media AG voraussichtlich 1,6 Millionen Euro in bar an Liquidität. Das Tolle daran: für unsere Kunden ändert sich gar nichts, als Generalunternehmer bleiben wir aktiv, bieten künftig mehr und noch bessere Technik und haben für den operativen Betrieb verlässliche Partner gefunden. Und das auch noch weiterhin unter unserer Dachmarke.

Sie bauen Wige Media damit komplett um.

Der Schritt war immer unser Plan, ließ sich bislang aber aus unterschiedlichsten Gründen noch nicht umsetzen. Wir alle haben grosse Marken wie Nokia untergehen sehen, weil die nötige Transformation nicht aktiv genug selbst in die Hand genommen wurde. Wir gehören Aktionären. Und meine Pflicht ist es, deren Unternehmen werthaltiger und zukunftsfähig zu machen. In diese Richtung haben wir heute einen weiteren wichtigen Schritt gemacht. 

Es klingt wie ein Schlussstrich unter schwierige Jahre der Wige…

Die Schwarzmalerei in der Branche ist etwas, das mir generell gegen den Strich geht. Die Herausforderung bei Wige bestand darin, dass die schwarzen Wolken dort tatsächlich kurz vor dem Ausbruch zum Gewitter waren, als ich Mitte 2013 die alleinige Verantwortung übernommen habe. Ich bin dennoch mit Enthusiasmus an die Aufgabe herangegangen, weil es immer mein Traum war, im Sport-Segment medial etwas zu bewegen. Die Aufgabe hätte ich nur ehrlich gesagt lieber mit einem etwas gesünderen Erbe angetreten. Das war eine sehr anstrengende Zeit, weil wir in jede schon offene Wunde noch einmal rein mussten, um die Entzündungsherde zu finden. Bei vielen haben wir die passende Salbe gefunden und konnten bereits ein Pflaster drauf kleben, die allermeisten sind verheilt. Bei einigen wichtigen Themen, heute sicherlich beim wichtigsten, haben wir uns als Operateure für das Skalpell entschieden. 

Wie leicht fiel die Entscheidung sich aus Kerngeschäftsfeldern zurück zu ziehen?

Wir haben jedes Detail bei Wige überprüft, vor allem auf Profitabilität und Zukunftsfähigkeit, analysiert, wo wir noch etwas verändern können und wo nicht. Wir haben gleichzeitig dort ausprobiert und investiert, wo wir glaubten, dass es eine Weiterentwicklung der Wige-DNA sein kann. In den vergangenen Monaten haben wir genau geprüft aus welchen neuen Beteiligungen und Geschäftsfeldern eine Perspektive für die Zukunft entstehen kann. Deshalb konzentrieren wir uns mit der Neuaufstellung jetzt auf die Wachstumsfelder und haben uns von Märkten mit Mini-Margen verabschiedet. 

Welche Wachstumsfelder sind das?

Die Wige Media AG wird künftig im skalierbaren Digitalgeschäft, im margenstarken internationalen Projektgeschäft sowie im Geschäft mit Live-Events expandieren. Wir haben in Isreal eine sehr faszinierende Technologie gefunden, die ermöglicht in den beiden Segmenten zu wachsen die wir richtig gut können: Video im Sport-Bereich und Infrastruktur - also alles miteinander zu vernetzen. Diese Stärken verbinden wir jetzt mit der neuen Technologie um den Amateursport in Deutschland zu demokratisieren. Wir wollen uns dem Thema Reichweite nähern. Also eigene Reichweite aufbauen und vermarkten und nicht mehr ausschliesslich als Dienstleister auftreten. 

Wie kam es dazu?

Die Idee hatten wir schon lange, über die Kooperation mit Alibaba Sports wurde sie konkreter und dann hatte ein Kollege aus unserem Digitalbereich den sehr guten Ansatz, uns mit einem StartUp in Tel Aviv bekannt zu machen, das aus dem militärischen Bereich heraus ein Broadcasting-System entwickelt und uns nun exklusiv lizenziert hat: 30cm hoch, 15cm im Durchmesser und mit vier Kameralinsen ausgestattet. Das Gerät lässt sich einfach an jedem Amateur-Platz an einem Mast oder dem Tribünendach aufhängen und schon ist das Spiel in bis zu 4K-Auflösung übertragbar. Es wird nur ein Kabel für Strom und eins für die Internetverbindung benötigt - fertig. 

Wie macht man daraus ein Geschäftsmodell?

Wir haben mit dem Deutschen Fußball-Bund eine Partnerschaft zur Steigerung der Visibilität des Amateurfußballs geschlossen. Unser Ziel ist, deutsche Amateurvereine mit der Videotechnik auszustatten, um die Vielzahl der Spiele in hoher Qualität und vollautomatisch live mit der neuen Plattform sporttotal.tv zu übertragen. Zunächst installieren wir in der Rückrunde 2017 in den Bayernligen Nord und Süd sowie in der Oberliga Niedersachsen Pilot-Systeme. Nach dieser Testphase soll beurteilt werden, ob und in welchem Umfang in der zweiten Jahreshälfte die innovativen Systeme in weiteren Ligen und Spielklassen zum Einsatz kommen.

Und wer zahlt?

Wichtig ist mir: Fußball-Fans können dann die Spiele ihrer Teams mobil oder stationär kostenfrei verfolgen. Man kann sogar selbst Regie führen, die Perspektive bestimmen und Szenen in sozialen Medien teilen. sporttotal.tv refinanziert sich über werbefreie Premium-Abonnements und Werbung. Vor allem soll es eine enge Kooperation mit der Amateurfußballplattform des DFB, Fussball.de, geben. Und gemeinsam mit dem DFB können wir uns auch vorstellen den Content an weitere interessierte Plattformen weiterzugeben, die dann unseren Player integrieren können. Der deutsche Amateur-Fußball allein ist so groß dass wir da mehrere tausend Geräte installieren werden. Und dann haben wir ja noch gar nicht über die nach wie vor zu wenig abgebildeten olympischen Sportarten gesprochen, auch die bieten großes Potential. 

Damit spezialisiert sich Wige künftig allein auf Sport?
 
Weitgehend, ja. Ich bin ein Freund von klarem Fokus. Wir sind ab jetzt ein sehr modernes und digital fokussiertes Medien-Unternehmen mit deutlichem Schwerpunkt im Sport. 

Wie passt da beispielsweise ihre TV-Produktionsfirma Wige South & Browse ins Bild?

Ich schätze die Arbeit von Tom Gamlich und seinem Team sehr. Aber Sie haben Recht: den Sport-Fokus setzen wir eher mit unserer neuen Content-Marketing Gesellschaft in Köln und München um. Das ändert allerdings nichts an meinem tiefen Respekt vor den wunderbaren Formaten der South & Browse.

Herr Lauterbach, herzlichen Dank für das Gespräch.