Trump, Brexit, Türkei, Syrien. 2016 ist wahrlich reich an Ereignissen gewesen. Das sind für Journalisten spannende Zeiten. Finden Sie es nicht schade, gerade jetzt aufzuhören?

Spannend war es für mich immer, gerade auch in den USA. Ich habe sieben Präsidentschaftswahlen miterlebt und war 1992 mit Bill Clinton unterwegs, als er als nominierter Präsidentschaftskandidat mit Bussen durch den Mittleren Westen gefahren ist. Damals war das Clinton-Ehepaar eine faszinierende neue Kraft im Land. Bill Clinton hat mir allerdings auch ein Jahr meines Lebens gestohlen. Im Zuge seiner Affäre musste ich praktisch jeden Tag über Monica Lewinsky berichten. Aber es gab immer spannende Zeiten: Wir waren dabei, als mit Johannes Paul II. der erste Papst überhaupt Kuba besucht hat und auch die Symbolik der ersten Obama-Wahl war faszinierend.

An welches Ereignis denken Sie besonders gern zurück?

Mein Lieblings-Scoop war das Exklusiv-Interview mit dem damaligen KGB-Chef Krjutschkow in Moskau am Rande des letzten Bush-Gorbatschow-Gipfels im Juli 1991. Krjutschkow hatte noch nie mit dem deutschen Fernsehen gesprochen und hat es dann mit uns getan, weil er schon die Putschpläne in der Schublade hatte. Drei Wochen später hat er dann versucht gegen Gorbatschow zu putschen.

Gab es darüber hinaus noch Highlights Ihrer Karriere?

Ich habe vor langer Zeit ein Interview mit David Bowie geführt, das war mein Highlight im Entertainment-Bereich. Als Korrespondent macht man ja vom Hurrikan bis hin zu Interviews mit Body-Doubles alles. David Bowie war damals ausgesprochen nett, freundlich und bescheiden. Das haben Sie nicht oft, wenn Sie mit Stars zu tun haben. Und er hat damals in dem Interview gesagt, dass es für ihn auf der Welt nur eine Achse gibt und das ist die zwischen New York und Berlin. Einige seiner Alben hat er ja in Berlin aufgenommen, in einem Studio nahe der Mauer.

Worauf hätten Sie in Ihrer Karriere am liebsten verzichtet?

Auf den 11. September 2001. Diesen Tag habe ich von unserem Studiodach aus erlebt, das liegt ja direkt gegenüber dem Weißen Haus. Und wenn Sie dann dort stehen, live berichten und unten wird das Weiße Haus evakuiert und am Horizont sieht man, wie das Pentagon brennt, hat man schon sehr rasch ein Gefühl dafür bekommen, wie schnell dieser Tag alles verändern würde. Wenn Sie heute in New York oder Washington auf der Straße sind und ein relativ niedrig fliegendes Flugzeug sehen, dann durchzuckt es viele Menschen nach wie vor.

Haben Sie sich auch einmal über sich selbst geärgert?

Immer wieder. Etwa dann, wenn ich Dinge recherchiert habe und dann später nichts draus geworden ist oder man falsch gelegen hat. Wir haben ja schon über Trump gesprochen: Die volle Überzeugung war zwar nicht da, dass er überhaupt keine Chance haben würde. Aber dass wir alle so daneben gelegen haben, ärgert mich sehr. Und da frage ich mich, ob wir bestimmte Entwicklungen in diesem Land nicht klar genug sehen?

Sie waren ja nicht nur für N24 tätig, sondern am Anfang ihrer Karriere auch für öffentlich-rechtliche Sender. So haben Sie bei den "Tagesthemen" angefangen und sind in den 80er Jahren freier Reporter für die ARD in New York gewesen. Inwieweit unterscheidet sich der Journalismus bei privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern?

Der bürokratische Überbau bei den Öffentlich-Rechtlichen ist erheblich. Damals wollte ich das nicht bis zu meiner Rente machen und bin dann als freier Journalist nach New York gegangen, weil ich dachte, dort wartet man auf mich. Das war dann nicht ganz der Fall. Ich musste erst einmal sechs Monate lang in einer Jugendherberge übernachten und hatte dann das Glück, dass Ulrich Wickert nach New York kam und einen festen freien Mitarbeiter suchte. Bei ihm habe ich dann zwei Jahre gearbeitet.

Und dann begann das Abenteuer Privatfernsehen.

Dann bin ich von den Privaten angeheuert worden und war 1984 Teil einer Pioniermannschaft bei Sat.1, mit der wir damals auf Sendung gegangen sind. Der Unterschied zu den Öffentlich-Rechtlichen war damals eklatant. Auf der einen Seite stand dieser große bürokratische Wasserkopf und auf der anderen Seite gab es diese abenteuerliche und mit Begeisterung ans Werk gehende Truppe bei Sat.1, die am Anfang ein wenig belächelt wurde.

Wann hat sich das geändert?

Ich glaube wir haben es relativ schnell geschafft, uns Respekt zu verschaffen. Als wir dann auch in Washington anfingen, wurden wir dort nicht gerne gesehen, weil wir die etablierten Strukturen der Fernsehberichterstattung ein bisschen durcheinander gebracht haben. Da haben die Öffentlich-Rechtlichen die Nase gerümpft. Wir sind deutsche Politiker, die nach Washington gekommen sind, anders angegangen und haben härtere und unbequemere Fragen gestellt.

Und heute?

Wenn man sich die vergangenen 20 Jahre ansieht erkennt man, dass sich beide Lager ziemlich angenähert haben. Die Privaten sind sehr viel seriöser und qualifizierter geworden und die Öffentlich-Rechtlichen versuchen krampfhaft, im Entertainment-Bereich nachzulegen, um junge Zuschauer zu gewinnen. Die Kollegialität untereinander ist inzwischen aber da, heute begegnen sich die Journalisten auf Augenhöhe.

Herr Strothe, vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft.