Aber wenn Jan Böhmermann im „Neo Magazin Royal“ vorführt, wie bei „Schwiegertochter gesucht“ gearbeitet wird - dann soll ich Ihnen glauben, dass das wirklich eine total unglückliche Ausnahme war und allein ein paar Redakteure unabgesprochen im Alleingang Mist gebaut haben?

Ich hoffe sehr, dass es genau das war: Eine Ausnahme. Und demzufolge natürlich auch nicht abgesprochen. Teilnehmer von Produktionen müssen sich vorab ausweisen. Und Fragebögen im Rahmen der Produktion sind dazu da, korrekt ausgefüllt zu werden. Ob für redaktionelle Belange oder aus versicherungs-technischen Gründen. Beides ist nicht geschehen. Dass es eine bewußt gestellte und im Nachhinein sicher unterhaltsam aufbereitete Falle war, kann und soll den Fehler als solchen nicht relativieren, zu dem wir, auch öffentlich, gestanden haben.

Sie wollen sagen: RTL ist raus aus dem Schneider?

Nein, eben nicht. Aber die Fakten gehören zur Betrachtung dazu. Ebenso wie die Tatsache, dass aus diesem Anlass auch die früher oft geführte Geschmacksdiskussion wieder zutage kam. Bei Formaten, die mancher durchaus kritisch sieht, scheint der Reiz besonders groß zu sein, Verfehlungen zu pauschalisieren. Jenseits dessen ist es selbstverständlich, dass wir bestmöglich dafür sorgen, Fehler wie diese auszuschließen. Bei unserer eigenen Arbeit in den Redaktionen ebenso wie bei Produktionen, die in unserem Auftrag geschehen. 



Aber ist es nicht gerade diese Erwartungshaltung, die auch von RTL an Produzenten herangetragen wird? Die ständige Optimierung? Und bei einem solchen Format damit einher gehend immer ausgefallenere Protagonisten? Alles wird noch einen Zacken weiter gedreht?

(überlegt) Der Zuschauer stellt heute andere Anforderungen an uns als vor 20 Jahren, als es ein paar Sender gab. Er lernt, wir sprachen eingangs davon, permanent dazu. Daher müssen auch wir immer weiter lernen, uns verändern, viel mehr Wettbewerber im Blick haben ohne die Zuschauer zu verlieren. Und natürlich sind die Anforderungen an die Produzenten damit auch gewachsen. Ausprobieren und Fehler machen gehört unbedingt dazu, sicher auch Schrauben drehen – aber Fehler wie diese explizit nicht. An einem weiteren Punkt müssen wir sicher Acht geben: Wenn Fernsehen gleichzeitig zu stark perfektioniert und industrialisiert wird, entstehen nämlich Muster und damit  die Gefahr, dass man  nur noch dieses Muster bedienen will. Dann verliert man den Mut zu Veränderung und Innovation.

Ist „It takes 2“, Ihre neue Musikshow, eine Innovation?

Wenn wir „Let´s Dance“ als eine unserer Erfolgsshows betrachten, um es zu veranschaulichen, dann lebt das Format von vielen schönen Momenten, aber ein Treiber der Sendung ist sicher Leistung, und zwar überraschende Leistung. Da müssen die Prominenten wirklich etwas können. Menschen, von denen ich nicht unbedingt etwas erwarte, arbeiten hart und lernen zusammen mit einem Profi und ich kann als  Zuschauer den Fortschritt verfolgen. Bei  „It takes 2“ ist das ähnlich, nur geht es um Gesang. Das ist ein bisschen das „Let’s dance“-Prinzip. Neben dem Blind Audition-Moment zu Beginn sind Musik, Leistung und Überraschungseffekt der Kern von „It takes 2“.

Bei „Let’s dance“ geht es allerdings um ein Talent, das vielleicht mancher Zuschauer selbst in Teilen beherrscht oder mal gelernt hat - was nochmal eine Ebene hinzufügt. Meine Mutter kam aber nie auf die Idee zu singen. Diese Nachvollziehbarkeit fehlt dann.

Aber sie hört bestimmt gerne gute Musik. Und ich glaube, der Überraschungsmoment ist wichtig. Ist das nicht diese Nachrichtenmoderatorin? Ist das nicht dieser Koch? Und die können so gut singen ? Das zusammen mit dem sehr stimmungsvollen Setting - macht die Show sehenswert.

Kurz zu „Let’s dance“: Was ändert sich dort in diesem Jahr?

„Let´s Dance“ ist seit 10 Jahren die Tanzshow Nummer 1 im deutschen Fernsehen. Das wollen wir mit den Zuschauern nicht nur in den regulären Ausgaben ab März feiern, sondern auch in einer Überraschungs-Show vor dem eigentlichen Staffelstart. Die Promis erfahren hier, mit welchen Profis sie tanzen – und umgekehrt. Denn die Frage „Wer mit wem?“ beschäftigt seit jeher Zuschauer und Teilnehmer. Daraus machen wir einen ganzen Abend gute Unterhaltung. 

War „Dance, Dance, Dance“ eigentlich ein Erfolg?

Ja, weil es für mich nach den Erfahrungen mit „Stepping Out“ und eben neben dem Erfolg von „Let’s dance“ durchaus eine Hürde gab, eine zweite Tanz-Sendung bei uns zu etablieren und positionieren. Nach Marktanteilen war es daher ein Erfolg und das in einer Art, die sich sehr deutlich von „Let’s dance“ unterscheidet.

Mir war die Sendung zu wenig auf den Tanz fokussiert. Dafür schnelle Schnitte, Effekthascherei und manche eigentlich echt schlechte Leistung.

Den Punkt der durchwachsenen Leistungen sehen wir auch. Da gab es Licht und Schatten. Auch am Schauwert können wir schrauben, also an tollen Bühnenbildern. Dass wir Augmented Reality einsetzen, ist ein technischer Aspekt, aber letztlich sekundär. Am Ende müssen es einfach beeindruckende  Bilder sein. Auch im Schnitt können wir live-ähnlicher werden und weniger hektisch  schneiden, wie Sie es wahrgenommen haben. Wir sind in einer intensiven und durchaus produktiven Analyse mit Talpa und wollen „Dance, Dance, Dance“ in diesem Jahr  wieder machen.

Braucht eigentlich jede Show eine Jury? So viele schöne Showideen, auch die „Puppenstars“ beispielweise. Nichts gegen die Juroren aber warum die immer gleiche Struktur?

Eine Antwort darauf liegt natürlich im Format selbst. Wir gehen ja den Lizenzgebern schon so sehr auf den Keks wie kein anderer Sender im europäischen Markt (lacht). Wir kaufen Formate und adaptieren sie recht stark, wenn man sie mit dem Original vergleicht. Eine Jury ist aber ein sehr sichtbarer Bestandteil vieler Formate, das lässt sich nicht so einfach ändern. Aber ich glaube - um zu unserem Thema von vorhin zurück zu kommen: Wir in Deutschland erwarten von einer Jury vielleicht etwas anderes als in anderen Märkten. Jury bedeutet für uns: Jetzt hat eine gerechte, objektiv nachvollziehbare Wertung zu folgen. Das deutsche Publikum will bitteschön Leistung korrekt bewertet sehen. Man kann die Jury aber auch einfach als unterhaltendes Element betrachten - wenn man die richtigen Juroren hat. Und manchmal kommt Beides zusammen, denken Sie nur an Dieter Bohlen oder Joachim Llambi.

Aber dann müsste es - wie bei „Let’s dance“ eben - wirkliche Punktewertungen geben. Und nicht nur Geplauder.

Das wird bei „It takes 2“ auch so sein. Da werden sehr fein justierbar Punkte vergeben.

Stichwort Formate und ihre Adaption für den deutschen Markt. „500 - Die Quiz-Arena“ - das geht weiter?

Ja, das machen wir im kommenden Sommer wieder, weil es eine perfekte Ergänzung zu unserem Quiz-Klassiker „Wer wird Millionär?“ ist. Die Reichweiten waren sehr gut. Wir wären verrückt, wenn wir darauf nicht aufbauen würden. Und ich bin Günther Jauch sehr dankbar, denn ohne ihn wäre die Show kein Erfolg geworden.

Das Regelwerk ist aber eher schwere Kost für leichte Sommerunterhaltung.

(lacht) Ich kann die Kritik am komplexen Regelwerk nachvollziehen, dabei aber nur trösten und sagen: Seid froh, dass wir nicht das Original von ABC 1:1 umgesetzt haben. Das ist nämlich noch komplizierter.

Aber Sie haben es doch gekauft (lacht)

Wir haben eine schöne Präsentation gekauft und dann später die Sendung auf Strecke gesehen. Da stellten sich uns dann einige Fragen und Herausforderungen. Dabei kann ich nur sagen: Gut, dass wir in der Lage waren, mit dem Produzenten Änderungen für unsere Fassung vorzunehmen. Wir gehen auch nochmal gemeinsam dran, um die Sendung noch einen Ticken einfacher zu gestalten. Ich bin dankbar, dass auch die Warner-Kollegen aus London sich darauf einlassen. Anfangs waren sie etwas irritiert, dass ein Sender so viele Änderungswünsche hat. Aber mich freut, wenn man dann hört, wir hätten die Finger in die richtigen Wunden gelegt.

Ist das Formatgeschäft offener geworden? Gefühlt waren die Vorgaben für Format-Adaptionen früher deutlich restriktiver, wenn man an „Wer wird Millionär“ in den Anfangsjahren denkt.

Wir erleben es so, ja. Ich glaube aber, dass unsere Erfolge der vergangenen Jahre uns da Rückenwind geben bei Lizenzgebern. Vielleicht ist auch die Erkenntnis gereift, dass wir unter Umständen schon ganz gut wissen, was bei uns im deutschen Markt wie funktioniert und was eher nicht. Da ist über die Jahre Vertrauen gewachsen. Ich habe mir am Anfang oft genug anhören müssen: „Tom is destroying the format“ (lacht). Während mir etwa der goldene Buzzer beim „Supertalent“ kurz vor der Produktion noch vehement ausgeredet wurde, hat man ihn danach dann auch in UK eingeführt. Also ja, da hat sich was verändert. Ob im Markt, weiß ich nicht. Aber uns gegenüber ja. Die Lizenzgeber wissen: RTL macht schon was draus.

Als Sie eben sagten, Sie hätten eine schöne Präsentation gekauft - da musste ich irgendwie an „Rising Star“ denken.

(lacht) Dekos, Technik und hochwertige Präsentationsformen sind wichtig, aber ich habe mich noch nie allein in eine Deko verliebt. Oder in eine App. Anders gesagt: Nur aufgrund einer Studiodeko habe ich noch nie ein Hitgefühl bekommen. Und erst recht nicht nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben (lacht). So abgedroschen das klingen mag: Content is king. Und nicht: Set is king.

"Wir müssen und wollen auch im Unterhaltungsbereich mehr eigenentwickeln."

Ist denn deutscher Content King? Oder ruht die Hoffnung weiter auf dem nächsten großen Hit aus dem Ausland?

Das hat sich verlagert. Zwei Gedanken dazu. Nach der Jahrtausendwende gab es international mehr Formate, aber es hat längst nicht jeder zugegriffen. Bei „Pop Idol“ war das anfangs auch so. Da kann ich mich gut dran erinnern, weil das mehr oder weniger mein Einstiegsprojekt hier in der Unterhaltung war. Damals gab es ein Überangebot an Formaten und wir gehörten oft zu den wenigen, die sich damals an den Erwerb großer Formate gewagt haben. Das hat sich geändert: Der Topf der ganz großen Formatideen ist zuletzt kleiner geworden - gleichzeitig aber interessieren sich weit mehr dafür.

Der Topf der Formate ist kleiner geworden?

Ja, auch auf Produzenten- bzw Lizenzgeberseite wurden dann viele Ideen nur variiert oder kopiert. Große Neuentwicklungen gibt es immer seltener.

Aber mit Verlaub: RTL kopiert und variiert sich selbst doch auch am liebsten. Casting funktioniert - noch eine Castingshow. Tanzen funktioniert - noch eine Tanzshow. Quiz mit Jauch funktioniert - noch ein Quiz mit Jauch.

Ja, alles richtig und gut, solange es beim Publikum Erfolg hat. Dennoch sind wir längst an einem Punkt, an dem wir aktiv selbst Formate entwickeln wollen. Dazu haben wir vor einem dreiviertel Jahr  eine eigene Unit gegründet, die schon erste Früchte getragen hat und auf die weitere folgen sollen. Es wäre jetzt noch zu früh, darüber zu sprechen, aber wir sind da sehr zuversichtlich. Wir müssen und wollen auch im Unterhaltungsbereich mehr eigenentwickeln.