Herr Schroeder, der Streit mit Arte und dem WDR um Ihre Antisemitismus-Doku ist nun ein gutes halbes Jahr vorbei. Wie sehen Sie diese ganze Diskussion von damals heute?

Joachim Schroeder: Was soll ich Ihnen sagen? Ich vermute mal, dass die Eskalation schwer vermeidbar war. Auch im Nachhinein muss ich das leider so sagen. Gerade auch bei dem Verhalten des WDR. Ich habe diesen Streit ja wahrlich nicht angezettelt, es gab vier Monate, in denen man sich mit uns hätte auseinandersetzen können. Vor vier Wochen habe ich eine Mail bekommen, in der ich dazu aufgefordert wurde, nicht mehr zu behaupten, Jörg Schönenborn habe gelogen, als er sagte, dass der WDR im regen Austausch mit den Produzenten sei.

Sie haben immer bestritten, dass das so gewesen sei.

Das wird vom WDR nun neu interpretiert. Dort heißt es jetzt, die zuständige Redakteurin Sabine Rollberg sei im regen Austausch mit uns gewesen und deswegen treffe das auch auf den WDR zu. Verschwiegen wird dabei, dass Sabine Rollberg damals komplett isoliert war und das auch bis heute im WDR ist. Streng genommen fand da also keine Kommunikation statt. Und so wie die Doku am Ende gesendet wurde, war es ja nichts anderes als eine kleinkarierte, versuchte Rache.


Die Doku wurde mit vielen Hinweisen auf einen WDR-Faktencheck im Internet ausgestrahlt, den sie kritisieren. Im Anschluss hat eine "Maischberger"-Diskussion zum Thema stattgefunden, bei der Sie allerdings nicht eingeladen waren.

Der Faktencheck hat sich ja längst als Meinungscheck herausgestellt. Damit hat sich der WDR ja auch ein Stück weit geoutet, wo er steht. Die "Maischberger"-Sendung war ein Teil der Selbstentblößung. Natürlich hätten meine Kollegin Sophie Hafner oder ich dort sitzen müssen, oder auch Sabine Rollberg. Aber das war eben Bestandteil der Rache nach dem Motto "The Empire strikes back". Der WDR ist nicht zu Selbstkritik und einer offenen Diskussion vor Publikum fähig.

Ich schließe daraus, dass es bislang keine Aussprache mit Arte oder dem WDR gab?

Nein, die hat es nicht gegeben.

Ist das Verhältnis zwischen Ihnen und den beiden Sendern nun dauerhaft beschädigt?

Darüber spricht niemand und das würde einem so vermutlich auch nicht mitgeteilt werden, aber ich gehe davon aus, dass jegliche Themenangebote unsererseits für Dokumentationen abgelehnt werden würden.

Aber Sie würden durchaus noch weitere Produktionen für die Sender machen wollen?

Ich gehe davon aus, dass unser Firmenname beim WDR verbrannt ist, daher stellt sich mir diese Frage nicht. Die Sache ging ja hoch bis zum Intendanten. Egal was ich denen anbieten werde, die werden das vermutlich, unter welchen Vorwänden auch immer, ablehnen.

Haben Sie schon einmal etwas Vergleichbares erlebt?

Ich noch nicht. In dieser Form, so wie die Diskussion auch öffentlich stattgefunden hat, war das wohl einmalig. Hinter verschlossenen Türen ist das möglicherweise schon einmal passiert, das kann ich nicht ausschließen.

Es gab wohl die Angst, dass wenn man mir zur Seite springen würde, es irgendwelche negativen Folgen für das Geschäft haben könnte.

Hätten Sie sich eigentlich mehr Unterstützung von Kollegen oder Produzentenverbänden gewünscht? Das war ja relativ überschaubar.

(lacht) Das kann man so sagen. Ich habe es nicht erwartet, aber natürlich hätte ich mich darüber gefreut. Außer ein paar befreundeten Kollegen, die sich persönlich gemeldet haben, gab es keine Unterstützung. Das entspricht aber weitestgehend meinem Eindruck, den ich schon vorher von der Landschaft gehabt habe. Es gab wohl die Angst, dass wenn man mir zur Seite springen würde, es irgendwelche negativen Folgen für das Geschäft haben könnte. Aber eins ist auch klar: Der WDR wird versuchen, die Kontrollmechanismen nun noch viel stärker an sich zu reißen. Jede Bewegung und jede Recherche wird man dort künftig sehr autoritär überprüfen wollen. Die Freiheiten von Autoren und Produzenten werden dadurch sehr viel stärker eingeschränkt.

Weil weder Arte noch der WDR die Produktion zeigen wollten, hatte damals die "Bild" sie für 24 Stunden veröffentlicht. Wie kamen die Kollegen an das Material? Durch Sie?

Wie immer habe ich auch damals natürlich Journalisten den Film zugeschickt, passwortgeschützt. Wenn sich das dann verselbstständigt, tut mir das sehr leid, aber das kann ich dann nicht zurückverfolgen. Deswegen weiß ich dazu nicht mehr. Aber nur noch einmal zur Kleinkariertheit des WDR: Dort wurde der Film mit dem Vermerk "legale Probleme" nun für jegliche Anfragen aus dem Ausland oder von DVD-Verleihern gesperrt. Das ist eine glatte Lüge, es gibt keine legale Probleme. Der WDR versucht damit, den Film der Öffentlichkeit zu entziehen.

Nun läuft am 8. November um 22:45 Uhr im BR Ihre neue Doku "Der ewige Antisemit" mit Henryk M. Broder. Haben Sie nach Ihren Erfahrungen mit WDR und Arte dort etwas anders gemacht?

Dieser Film ist überwiegend parallel zur Arte-Dokumentation entstanden und wurde auch fertiggestellt, bevor der Streit losging.

Nun gehört der BR wie der WDR zur ARD. Wie ist Ihr Verhältnis zu den dort Verantwortlichen? Beim WDR sei Ihr Name schon verbrannt, haben Sie gesagt…

Ich gehe davon aus, dass mit dem BR und anderen Sendern alles ganz normal weiter läuft. Ich sehe derzeit keinen Grund, etwas Gegenteiliges anzunehmen. Vermutlich ist es aber noch zu früh, um das abschließend beurteilen zu können.

Wäre es in der Doku damals um etwas anderes gegangen, wären vielleicht doch einige Kollegen aufgestanden und hätte ihre Meinung gesagt.

Nun haben Sie schon mehrere Dokus zum Thema Antisemitismus gedreht. Was fasziniert Sie so sehr an diesem Thema?

Grundsätzlich finde ich das Phänomen unverständlich und todtraurig. Trotz aller Erklärungsversuche ist mir Antisemitismus ein komplettes Rätsel. Und ich weiß auch nicht, wieso dieses Thema bis heute ein Thema sein muss. Umso mehr ärgert es mich, dass es in Wahrheit die Mehrheit der Menschen gar nicht interessiert. Antisemitismus wird wahrgenommen als ein lästiges Thema, das man im Zweifel zu Gedenktagen abarbeiten muss. Henryk M. Broder sagt das in dem neuen Film sehr schön: Eine Gesellschaft, in der Antisemitismus ein Problem ist, ist eine kranke Gesellschaft. Das Thema ist noch immer tabuisiert und führt zu Beklommenheit, es hat keine Verankerung in den Köpfen und folglich auch nicht in den Herzen. Wäre es in der Doku damals um etwas anderes gegangen, wären vielleicht doch einige Kollegen aufgestanden und hätte ihre Meinung gesagt.

Sie sind für Dokus und Non-Fiction bekannt. Nun haben Sie mehrere Monate im Ausland Ihren ersten Spielfilm gedreht. Wie ist es dazu gekommen?

Die Entwicklung des Films inklusive der Finanzierung hat sieben Jahre gedauert. Hintergrund ist der, dass meine Schwester 1999 für die OSZE in den Kosovo gegangen ist. Ihre Geschichte ist die Blaupause für den Film. Es geht um das Versagen sinnvoller westlicher Institutionen, in diesem Fall der OSZE, die durchtränkt sind von Menschen, die sich nur um Karriere und Eitelkeiten kümmern. Die Figur im Film stellt im Laufe der Zeit fest, dass sie die Institution betrügen muss, um Geld rausholen zu können, um damit Gutes zu tun. Und das alles vor dem Hintergrund von Mord und Totschlag. Wir haben das als Tragikomödie umschrieben.

Wie sehr mussten Sie sich für den Spielfilm umstellen?

Natürlich waren wir viel mehr als bei einer Doku auf das Schauspiel der Darsteller angewiesen, aber das hat gut geklappt. Das schlimmste an einer Spielfilmproduktion ist, dass man wegen des Lichts wahnsinnig früh aufstehen muss. Da gibt es einen schönen Satz von Henry M. Broder, den ich gerne zitieren möchte: "Frühes aufstehen verbietet mir meine Religion" (lacht).

Wie geht es nun weiter? Wann kommt der Film in die Kinos?

Wir sind gerade dabei, unter Hochdruck den Rohschnitt zu erstellen. Der Traum wäre, irgendwann im Laufe des März fertig zu sein. Das wäre sehr schnell und wir setzen nun alles daran, das zu schaffen. Danach ist der Verleiher dran, dem kann ich da wenig reinpfuschen. 

Herr Schroeder, vielen Dank für das Gespräch.