Frau Rojinski, Netflix hat Ihre Show mit den Tags 'schräg', 'ulkig' und 'Reality-TV' versehen. Aus heutiger Sicht könnte man auch an SciFi oder Fantasy denken: Sie umarmen ständig Leute und das Studiopublikum tanzt dicht an dicht.

Ja, wir haben eine ziemlich gute Party gefeiert ­– vor der Pandemie. Das war im November in den Londoner Pinewood Studios. Da gab's Corona für uns alle noch nicht. Was das Umarmen angeht: Obwohl die Sendung so kurz und knackig ist, habe ich eine emotionale Beziehung zu den Sängerinnen und Sängern aufgebaut. Da freut man sich natürlich, wenn sie gewinnen, oder möchte trösten, wenn sie rausfliegen. Ich persönlich würde die Sendung auch noch mit den Tags 'good vibes', 'Emotionen' und 'Spannung' versehen.

Was hat Sie an dem Format sonst noch gereizt?

Das Konzept ist sehr klar und einfach. Die Show ist kurzweilig und bietet so viele Momente, in denen man mitfiebert. Die Kandidaten müssen die ganze Zeit bereit sein, weil der Zufallsgenerator entscheidet, wer wann dran ist. Und es gibt den Vocal Analyzer, der objektiv misst, ob jemand die Töne des Songs getroffen hat oder nicht. Mir gefällt, dass der Wettbewerb dadurch so fair ist.

Das war ja vor Aufzeichnung der ersten Show bloß Theorie. Wie hat man Sie denn überzeugt?

Als Netflix und Banijay auf mich zukamen, habe ich zuerst gedacht: eine Karaoke-Show, ernsthaft? Aber dann hatten wir ein richtig schönes Frauen-Meeting mit Jennifer Mival von Netflix und Linda Kaiser von Banijay. Wir saßen in diesem Herrenzimmer im Soho House, um den Piloten anzuschauen. Stuart Shawcross, der Creator und Produzent von "Sing On!", hatte die Show mit ein paar Sängern aufgenommen und selbst moderiert, damit man einen Eindruck bekommt, wie er sich das vorstellt. Ab dem zweiten Song waren wir alle so gut drauf, sind aufgesprungen und haben mitgesungen. Da war mir klar: Wenn schon in diesem Do-it-Yourself-Rahmen so viel Emotion überspringt – wie soll das dann erstmal bei einer richtig fetten Produktion in einem geilen Studio mit Live-Band werden?

Auf Ihre Anregung hin haben Sie für die deutsche Version relativ aufwendige Opening-Nummern gedreht mit Tanzchoreografien und Kostümen, die zum Thema der jeweiligen Folge passen. Der Moderator der spanischen Version kommt einfach nur singend durchs Publikum gelaufen.

Das mit dem Singen haben wir bei mir lieber gelassen. (lacht)

Sie haben sich doubeln lassen und hinterher brav der Background-Sängerin gedankt.

Sing On! Germany / Palina RojinskiStimmt, das war bei "I Say a Little Prayer". Ich wollte da definitiv keinen Milli-Vanilli-Move starten. Bei "Wannabe" von den Spice Girls habe ich den Rap am Anfang selbst gemacht: "I'll tell you what I want, what I really, really want" und so weiter. Da war ich aber auch echt aufgeregt – auf die Lyrics konzentrieren und dann noch die Choreografie dazu. Wie muss sich eigentlich Beyoncé fühlen? Die singt ja gleichzeitig auch noch unsagbar toll. Wie anstrengend! (lacht) Als ich den Vocal Analyzer während einer Probe getestet habe, zeigte er leider nicht so viele getroffene Töne an. Sagen wir mal so: Als Moderatorin konnte ich dem Format weniger schaden.

War es für Ihre Bereitschaft förderlich, dass Sie jetzt weltweit bei Netflix zu sehen sind?

Das ist natürlich cool und gibt dem Ganzen so einen großen, amtlichen, internationalen Anstrich. Ich finde, es entspricht unserem Zeitgeist, diese volle Verfügbarkeit von Programm zu haben. Es ist einfach da, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Wann immer du magst, kannst du jetzt diese Show anmachen. Sei es als Binge-Watching oder jeden Tag eine Folge. 

Für Serien ist Binge-Watching inzwischen gelernt, für Entertainment-Shows noch nicht unbedingt.

Das kann sich ja jeder aussuchen, wie er möchte. Durch die verschiedenen Themen von Girls Night über Love Songs bis zu Rock ist für jeden was dabei und die Folgen sind krass unterschiedlich geworden. Dadurch kann man gut zwei bis drei am Stück gucken. Ich finde sogar, man kann's öfter gucken, weil's wie eine kleine Party ist.

"Ich habe den Eindruck, Mitarbeiter von Netflix und Spotify bekommen nicht diesen Druck, dem Mitarbeiter von TV-Sendern leider häufig ausgesetzt sind"
Palina Rojinski

 

Mit eigener Netflix-Show und eigenem Spotify-Podcast sind Sie inzwischen ein waschechter Streaming-Star. Kann Ihnen das lineare Fernsehen künftig gestohlen bleiben?

Ehrlich gesagt, gehe ich immer nach dem jeweiligen Projekt. Es hat sich so ergeben, dass dies die richtigen Projekte für mich sind, zu denen es mich hingezogen und in denen ich meine Plattform gefunden habe. Das heißt nicht, dass ich dem linearen Fernsehen jetzt auf Nimmerwiedersehen sage, ab und an tauche ich da ja auch auf. Aber ich merke schon, dass die Mitarbeiter, mit denen ich sowohl bei Netflix als auch bei Spotify zu tun habe, sehr offen, up to date und visionär sind. Ich habe den Eindruck, sie stecken einfach in ganz anderen Unternehmensstrukturen und bekommen dort nicht diesen Druck, dem Mitarbeiter von TV-Sendern leider häufig ausgesetzt sind.

Quotendruck zum Beispiel?

Den gibt's dort weniger, zumindest bekomme ich ihn nicht weitergereicht. Das ist ja immer für alle Beteiligten – egal ob beim linearen Fernsehen oder beim Film – sehr nervenaufreibend, die Zahlen gehören aber einfach zum Job dazu. Natürlich möchte man auch bei Netflix und Spotify, dass ein Format möglichst erfolgreich wird. Aber der Weg dahin fühlt sich ein wenig anders an.

Was haben Sie in anderthalb Jahren "Podkinski" und sieben Folgen "Sing On!" über sich selbst und Ihren künstlerischen Weg gelernt?

Dass ich mit "Podkinski" meine ganz persönliche Plattform habe und die ja auch selbst mitproduziere, ist schon etwas Besonderes. Ich lade die Gäste ein, ich führe die Gespräche – es ist so geil, diese Freiheit, die Zeit und den Raum zu haben, ein ausführliches Gespräch ohne Unterbrechungen zu führen. "Sing On! Germany" liebe ich dafür, dass ich meine Entertainment- und Showmaster-Kompetenz weiter schärfen durfte, und das sogar auf internationalem Level. Ich würde noch meine letzte Filmhauptrolle in "Nightlife" hinzuzählen – ein enorm wichtiger Step für mich als Schauspielerin. Immerhin haben wir vor Schließung der Kinos ja noch die Besuchermillion geknackt. Ich schätze mal, dass Streaming auch für Filme noch viel wichtiger wird, auch wenn ich es liebe, ab und an mit Freunden ins Kino zu gehen – als gemeinschaftliches Event sozusagen. Insgesamt schätze ich mich sehr glücklich, diese Partner zu haben, die mich und meine Talente sehen, die offen sind für meinen Input, mir mit Respekt begegnen und so wunderbare Projekte ermöglichen, die man wirklich gemeinsam und auf Augenhöhe entwickelt. Solche Partner und gutes Teamwork gab es natürlich auch früher schon in meiner Karriere immer wieder, aber die jetzige Trefferquote mit meinen Partnern ist für mich auffällig und großartig.

Frau Rojinski, herzlichen Dank für das Gespräch.

"Sing On! Germany" und "Sing On! Spain", ab sofort bei Netflix

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