Herr Roden, Herr Wolf, vor einem Jahr war die Stimmung in der Branche noch himmelhochjauchzend, heute zu Tode betrübt. Würden Sie das so unterschreiben?

Nico Roden: Ich glaube, dass die Branche in Deutschland sich selbst gerade ein bisschen kaputt redet. Je länger die Diskussion andauert, wie groß die Krise sei, desto weniger überzeugt werden Werbekunden sein, jetzt Geld auszugeben. Die ersten Monate des Jahres sind bei uns noch sehr gut gelaufen und wir hatten die Bude voll. Das hilft uns jetzt, über das Jahr zu kommen. Im Juli hat es dann tatsächlich einen harten Cut gegeben, von 100 auf 0 sozusagen. Insofern ist das zweite Halbjahr sehr herausfordernd. Zum Glück haben wir ein gewisses Grundrauschen durch die Soaps und andere Daily-Formate.

Ist Besserung in Sicht?

Nico Roden: De facto ist es jetzt schon zu spät, um auf eine spürbare Erholung noch im Laufe dieses Jahres zu hoffen. Wir haben allerdings für 2024 sehr belastbare Anzeichen, dass es gut weitergeht. Bei uns stapeln sich aktuell zumindest die Projekte für das erste Halbjahr 2024.

Jens Wolf: Man muss ja unterscheiden zwischen dem werbebasierten Markt und anderen Geschäften. Gerade Spielfilmproduktionen funktionieren wunderbar und dank unseres Akquiseteams der MMC Movies haben wir auch über den Sommer hinweg kurzfristig viele Projekte reinbekommen. Hollywood-Produktionen liegen aufgrund der Streiks der US-Gewerkschaften brach, aber bei uns werden weiter Independent-Filme produziert. Aktuell hat uns der Streik in den USA noch bei keinem einzigen Projekt getroffen und wir konnten einige US-Stars wie zum Beispiel Tilda Swinton, Anne Heathaway und Alicia Vikander auf dem Gelände begrüßen. Wenn sich der Streik aber hinzieht, wird der Ton rauer und es ist dann gut möglich, dass die SAG-AFTRA den Druck noch weiter erhöhen will und auch international unabhängig produzierten Filmen die Ausnahmegenehmigungen entzieht.

Nico Roden: Aus Entertainment-Sicht ganz spannend: Eigentlich ist ja ausgeschlossen, dass Amerikaner eine Produktion in Deutschland umsetzen. Für das erste Quartal 2024 haben wir jetzt aber zwei konkrete Fälle vorliegen, die wir durchrechnen. Da geht es um amerikanische Shows, die bei uns entstehen könnten. Vielleicht braucht es manchmal nur einen Denkanstoß.

Also eine Show wie z.B. "The Masked Singer" für die USA in Köln produzieren?

Nico Roden: Naja, im Herbst steht bei uns das "Masked Singer"-Set wieder. Wenn man aus US-Sicht aufgrund des Streiks gerade keine Schauspielerinnen und Schauspieler unter die Masken packen kann, könnte man das ja hier in Deutschland abdrehen. Die Amerikaner produzieren ihre Staffel ohnehin vor. Die Geheimhaltung wäre auch völlig unproblematisch. Vielleicht sollte mal jemand bei Fabian Tobias anrufen (lacht). Insgesamt staut sich in den USA gerade eine Menge. Vor allem bei den Streamern: Die müssen ja irgendwas produzieren, damit sie ihre Kundinnen und Kunden halten.

Und als RTL-Programmgeschäftsführerin Inga Leschek sowohl "DSDS" verlängert als auch "Supertalent" zurückgeholt hat, dürften Sie auch erleichtert gewesen sein?

Nico Roden: Bei den genannten Projekten bieten wir uns gerne als Partner an, weil wir uns nach all den Jahren in denen wir die Programme bei uns realisieren durften, auskennen und so natürlich einen Vorteil mitbringen. Da darf man sich aber auch nie zu sicher sein, dafür ist zu viel Bewegung im Markt. Vor allem in den Zahlen-Etagen gibt es viel Willen zu Veränderungen - und genau diese Entscheidungsträger finden derzeit Gehör.

De facto ist es jetzt schon zu spät, um auf eine spürbare Erholung noch im Laufe dieses Jahres zu hoffen. Wir haben allerdings für 2024 sehr belastbare Anzeichen, dass es gut weitergeht. 
Nico Roden


Ist das ein Grund, warum Sie "Promi Big Brother" an Bavaria Studios verloren haben, die dafür in der Nachbarschaft das alte WDR-Gelände in Bocklemünd reaktivieren? Waren Sie zu teuer?

Nico Roden: Ich glaube nicht, dass wir zu teuer waren. Aber wir kennen das Format sehr gut und wissen auch um die Risiken, die damit einhergehen. Wir haben für das Projekt einen ganz soliden Preis abgegeben und die Entscheidung, da nicht nachzulassen, war eine sehr bewusste. Natürlich wissen wir nicht, was die Konkurrenz für einen Preis angeboten hat. Aber wir können ausschließen, dass sich Sat.1 oder Endemol Shine Germany aufgrund der Qualität gegen uns entschieden haben. "Promi Big Brother" wurde bei uns am Standort viele Jahre lang fehlerfrei produziert. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass es ein Thema war, das über den Preis entschieden wurde. Wir bleiben hier am Standort ein verlässlicher Partner. Aus unseren im Sommer ausgerufenen Pilot-Wochen entwickeln wir gerade verschiedene Szenarien, aus denen sich für die Zukunft andere Modelle der Zusammenarbeit ergeben könnten, weil viele Produzentinnen und Produzenten sich gedanklich vom bisherigen Pilot-Modell verabschieden.

Was heißt das genau?

Nico Roden: Normalerweise ist es so, dass wir für Piloten eigene Flächen- und Technik-Ressourcen zur Verfügung stellen, Personal- und Fremdkosten berechnen und im Falle einer Beauftragung würde die Produktion dann zu marktüblichen Preisen bei uns stattfinden. Mit den Pilot-Wochen haben wir das Angebot gemacht, mehr von unseren Ressourcen zu investieren, wenn wir im Gegenzug etwas vom Ergebnis haben. Das besprechen wir gerade individuell mit den Verantwortlichen. Bislang war das eine Linie, die keine der beiden Seiten überschreiten wollte. Jetzt gibt es da Bewegung.

Nochmal nachgefragt: Wie sehen Sie der neuen Konkurrenz hier in Köln durch Bavaria Studios entgegen?

Nico Roden: Für uns ist das eine gewohnte Situation. Es gab in Hürth neben der EMG zwischenzeitlich ja mal einen zweiten Standort, mit dem wir umgehen mussten. Wettbewerb am Standort Köln ist nicht schlecht für uns. Wenn Köln noch mehr Facetten bietet, ist das ja auch ein Argument für eine Produktionsfirma, sich hier anzusiedeln.

Ich glaube nicht, dass wir zu teuer waren. Aber wir kennen das Format sehr gut und wissen auch um die Risiken, die damit einhergehen. 
Nico Roden über den Verlust von "Promi Big Brother"


Herr Wolf, Sie wollen um die MMC Studios herum eine Produktionsgruppe aufbauen, um nicht mehr nur als Dienstleister zu agieren sondern stärker selber als Filmstudio aufzutreten. Wieso dieses wirtschaftliche Risiko in angespannten Zeiten?

Jens Wolf: Das mit dem Risiko sehe ich anders. Wir können jetzt realisieren, was wir mit unserem Hauptgesellschafter Novum Capital bereits 2019 im Blick hatten, als wir die MMC Studios übernommen haben. Dann kam uns Corona dazwischen. MMC ist ein Synonym für den physischen Produktionsstandort hier in Köln-Ossendorf, aber wir wollen mehr sein und Entwicklung, Finanzierung, Pre-Sale, Produktion und Postproduktion für Spielfilme selbst übernehmen. Ganz so wie es ein amerikanisches Studio eben auch macht.

Und das ist kein wirtschaftliches Risiko?

Jens Wolf: In dem Moment, in dem man einen Film über Pre-Sales in die Welt verkauft, zu einem Zeitpunkt, wo er noch gar nicht gedreht ist, kann man das Risiko deutlich minimieren. Und das ist auch schon der erste Markttest: Erst dann, wenn wir genügend Vorverkäufe zusammen haben, gehen wir in die Produktion. So wird das Risiko einer Produktion auf viele Schultern verteilt. Am Ende wollen wir die IP-Rechte an den jeweiligen Produktionen behalten, beispielsweise für mögliche Fortsetzungen, und eine Content-Library aufbauen. Aus Private-Equity-Sicht generiere ich mit der MMC durch das Erweitern von Geschäftsfeldern einen Mehrwert, den das Unternehmen vorher nicht hatte. Das ist im besten Fall ein voll funktionsfähiges Studiosystem. Die MMC wird zukünftig also nicht mehr nur klassischer Studio-Dienstleister sein.

Wie sieht da der Zeitplan aus?

Jens Wolf: Das wollen wir in den nächsten zwei bis drei Jahren umsetzen. Klingt sportlich, aber wir haben ja bereits die ersten Etappen dieser Reise in den letzten Monaten umgesetzt.

Und dann steht der Verkauf an, wenn der MMC-Wert gesteigert wurde? Das wäre ein klassischer Verlauf nach der Übernahme…

Jens Wolf: Das habe ich nicht gesagt (lacht). Novum Capital hat erst im vergangenen Jahr einen neuen Medienfonds aufgesetzt, um so Unternehmenszukäufe rund ums Filmgeschäft tätigen zu können. Wir sind da also noch längst nicht am Ende angekommen. Wenn das Konstrukt steht, muss sich der Hauptgesellschafter entscheiden, ob ein anderer Eigentümer besser ist, um das entstandene fortzuführen. Vielleicht möchte Novum Capital das Ganze ja aber auch weiterführen und noch größer machen.

Was macht Sie denn so optimistisch, es besser zu machen als etwa Babelsberg, wo es eine gewisse Historie gibt und auch die Berlin-Nähe, die für viele internationale Produzentinnen und Produzenten reizvoll ist?

Jens Wolf: Ich glaube, die machen es anders als wir. Babelsberg versucht, als Service-Dienstleister für internationale Großproduktionen da zu sein. Wenn in einem Jahr wie jetzt aber viele Großprojekte wegfallen, sieht es schlecht aus. Aus Private-Equity-Sicht ist das nicht sexy, weil es keinen Bestand gibt auf dessen Basis man wachsen kann. Wir wollen selbst produzieren und die Rechte bei uns behalten um mehr als nur ein Dienstleister zu sein. Und wir konzentrieren uns dabei ganz klar auf das Kino.

MMC ist ein Synonym für den physischen Produktionsstandort hier in Köln-Ossendorf, aber wir wollen mehr sein und Entwicklung, Finanzierung, Pre-Sale, Produktion und Postproduktion für Spielfilme selbst übernehmen.
Jens Wolf


Ist der Fokus auf das Kino eine inhaltliche Motivation? Oder geht es darum, bisherigen Kunden keine Konkurrenz zu machen?

Jens Wolf: Es kann auch sein, dass wir eine High-End-Serie produzieren. Aber aus den Bereichen Show und Entertainment halten wir uns raus. Wir wollen unsere klassischen Kunden nicht kannibalisieren. Das gleiche gilt im übrigen auch für Studiofläche. Auch hier möchten wir verhindern, dass die Show- und Entertainment-Produzenten den Zugriff auf die Flächen verlieren. Wir tragen am Standort ja Verantwortung und Filme können wir auch außerhalb der MMC Flächen umsetzen.

Mit "Der Pfau" hat die MMC dieses Jahr eine erste Krimi-Komödie ins Kino gebracht. Was sind die nächsten Projekte?

Jens Wolf: Wir arbeiten gerade an einem internationalen Science-Fiction-Action-Film, den wir bereits in 36 Länder vorverkauft haben. Den Titel will ich noch nicht verraten, das Budget liegt aber bei 8,5 Millionen Euro. Das ist wirtschaftlich interessant und da könnten wir auch weitere Teile nachschießen.

Und die MMC will selbst produzieren? Das würde ja einen enormen Personalaufwand und Aufbauarbeit bedeuten?

Jens Wolf: Unser MMC Movies Geschäftsführer Bastie Griese und sein Team machen das ja bereits seit Jahren als Koproduzenten sehr erfolgreich. Perspektivisch werden wir Strukturen aufbauen, da sind wir im Buy & Build Prozess. Im Rahmen dessen sprechen wir mit vielen Unternehmen aus den Bereichen Produktion und Pre-Sale, um künftig alle Bereiche komplett abzudecken. Aktuell können wir aus den eigenen Reihen zwei Filme pro Jahr produzieren, künftig sollen es beträchtlich mehr sein. Übrigens: Die Medien Beteiligungsgesellschaft mbH, die aktuell MMC-Eigentümerin ist, erhält demnächst einen neuen Namen, da arbeiten wir an einem Rebranding, was den Studiogedanken dann nochmals unterstreicht.

Die MMC engagiert sich aus Eigeninteresse auf diversen Wegen für den Standort Köln. Wie zufrieden sind Sie mit der politischen Unterstützung von Köln bzw. NRW?

Nico Roden: Da gibt es einen Unterschied zwischen Köln und NRW. Die Genehmigungsgeschwindigkeiten laufen woanders oftmals besser als in Köln, das muss man sagen. Da gibt es Luft nach oben. Die Verwaltung ist da einfach unterbesetzt und das bemerken wir ganz deutlich in den Bearbeitungszeiten einzelner Fälle.

Jens Wolf: Mit dem Schaffen der neuen Medienstelle bei der Stadt Köln ist einiges passiert und wenn es in der Geschwindigkeit weitergeht, wäre das ein starkes Zeichen. Und auch auf NRW-Ebene hat sich viel getan, da erfahren wir eine große Unterstützung durch Medienminister Nathanael Liminski. Außerdem kommen jetzt immer mehr junge Produzentinnen und Produzenten nach, die sich medienpolitisch engagieren. Da tut sich was in NRW.

Herr Wolf, Herr Roden - vielen Dank für das Gespräch!