Sucht man nach Highlights im Sat.1-Programm, dann wird man in der vergangenen Saison schnell fündig. Fast 10 Millionen Zuschauer sahen "Die Wanderhure" - ein gigantischer Erfolg, mit dem in diesem Ausmaß wohl kühnste Optimisten nicht gerechnet hatten. "Die Säulen der Erde" lief hervorragend, auch "Marco W." konnte bei Kritik wie Zuschauern punkten. Im Film-Bereich ist Sat.1 also bestens aufgestellt - das ist aller Ehren wert, doch es sind Einzel-Highlights. Um einen Sender wie Sat.1 nach vorn zu bringen, reicht das nicht, dafür müssen serielle Formate her, fiktional oder non-fiktional, die Woche für Woche verlässlich für gute Zuschauerzahlen sorgen können.

Auch die gibt es durchaus. Zufrieden sein kann Sat.1 etwa mit der Neuordnung des Sonntags, wo mit "Hawaii Five-0" die erfolgreiche US-Serien-Schiene nach hinten ausgedehnt werden konnte. Allen voran sind aber die beiden Serien "Der letzte Bulle" und "Danni Lowinski" zu nennen, die sich montags hervorragend schlagen. Doch beide waren keine Neu-Entwicklungen, sondern sind bereits in der vorangegangenen Saison gestartet. Nun nähern sie sich bereits dem Finale der zweiten Staffel - doch eine weitere eigenproduzierte Serie ist trotzdem noch nicht mal angekündigt. Natürlich lassen sich neue Serien nicht aus dem Ärmel schütteln, die Entwicklung braucht ihre Zeit - doch ein Sender wie Sat.1, der sich in früheren Jahren gerade über seine Serien definiert hat, hätte niemals so blank dastehen dürfen, dass nach dem Erfolg von "Der Letzte Bulle" und "Danni Lowinski" eineinhalb Jahre lang überhaupt nichts nachgeschoben werden kann. Die Serien-Entwicklung lag offenbar lange Zeit völlig brach. Wie lange, offenbart ein Blick zurück: Die letzten beiden Serien-Neustarts "Bulle" und "Lowinski" wurden schon Mitte 2008 vorgestellt - vom vorletzten Sat.1-Chef Matthias Alberti.

 

Immerhin nIcht ganz so regungslos zeigte sich Sat.1 im non-fiktionalen Bereich: Zu den weiterhin zumindest ordentlich laufenden Shows "Die perfekte Minute" und "Mein Mann kann" gesellte sich auf den letzten Metern gerade noch Kerners Allgemeinwissensquiz hinzu, das keinen überragenden, aber einen zumindest grundsoliden Einstand hinlegte, auf den sich aufbauen lässt. Doch sonst hat Sat.1 auch hier kaum mehr als die Erfahrung gesammelt, dass die "Hit-Giganten" nun endlich endgültig ruhen sollten und dass Castingshows und Sat.1 einfach nicht zusammenpassen wollen, selbst wenn sie wie im Falle von "Deutschlands Meisterkoch" durchaus nett produziert sind. Enttäuschend verlief die Entwicklung zudem für die Reihe "Deutschland gegen...", die ihren Zenit anscheinend schon wieder überschritten hat. Zuletzt gab es gegen Italien nur noch einen einstelligen Marktanteil - und spannende Gegner zu finden dürfte in Zukunft nur noch schwerer werden.

 

Keinen Schritt voran gekommen ist Sat.1 zudem am Vorabend. Um 18 Uhr tut sich "Hand aufs Herz" genauso schwer wie zuvor "Eine wie keine", "Anna und die Liebe" hatte zum Jahreswechsel einen kräftigen Durchhänger und konnte sich zuletzt nur mühsam erholen und zwischen 19 und 20 Uhr läuft mit "K11" ein Format, das eigentlich schon Ende 2009 eingestellt werden sollte, nur mangels Alternative als Notlösung im Programm blieb - und seit geraumer Zeit sogar in Doppelfolgen herhalten muss. Der Versuch mit "Schicksale - und plötzlich ist alles anders" auf den Scripted Reality-Zug aufzuspringen, ging schief. Und ob mit "Schmidt & Schmitt" noch ein weiteres neues Ermittler-Team, das in Kürze für zwei Wochen getestet wird, die Wende bringen kann, erscheint doch sehr fraglich. Eine innovative, zukunftsweisende Idee für einen anders gestalteten Vorabend, findet Sat.1 aber offenbar seit Jahren nicht.

Im Comedy-Bereich glänzen nach wie vor vor allem Bastian Pastewka und Anke Engelke, während Neustarts wie "Das R-Team" oder "Wir müssen reden" verschmäht wurden. Auch die wiederbelebte "Wochenshow" kam zuletzt schon nur noch auf einen einstelligen Marktanteil - um zu alter Stärke zurückzufinden braucht es wohl doch mehr als das schlichte Wiederbeleben alter Formate. Und dann gibt es im Comedy-Segment ja noch das ganz dunkle Kapitel Oliver Pocher. Dass seine Late Night auf keinen grünen Zweig mehr kommen würde, war eigentlich schon in der vergangenen Saison klar, spätestens aber, als es auf neuem Sendeplatz im Herbst noch schlechter aussah. Das eigentlich erschreckende ist aber, dass Sat.1 es trotzdem bis heute nicht geschafft hat, ein passendes neues Format für den für viel Geld von der ARD weggelockten Pocher zu finden. Statt Sendergesicht von Sat.1 zu sein, feiert Pocher seine größten Erfolg mit "5 gegen Jauch" bei RTL.

Noch immer überhaupt keinen eigenen Zugang hat Sat.1 zum Genre Dokusoap gefunden. Im Spät-Sommer vergangenen Jahres versuchte man es kurz mit "Rock statt Rente" und der "Anwältin für alle Fälle" und zog angesichts miserabler Quoten nach kürzester Zeit wieder die Notbremse. Für die kommende Saison versucht man mit "Schwer verliebt" nun mal wieder in der "Bauer sucht Frau"-Erfolgsspur zu wandeln. Eigene Experimente waren in der letzten Saison hingegen weitgehend Fehlanzeige.

So wie Sat.1 überhaupt über alle Genres hinweg erstaunlich wenig ausprobiert hat - und das obwohl der Sender noch immer meist unter 11 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe festhängt und damit weit unter den eigenen Möglichkeiten bleibt. Und obwohl mehr als genügend Sendefläche für Experimente zur Verfügung gestanden hätte. Zwischenzeitlich hatte Sat.1 so wenig eigenes Programm zu bieten, dass von montags bis freitags offensichtlich als Notlösung durchgehend Filme gezeigt werden mussten. Und wenn man dann schonmal ein Experiment wagte, dann auch noch eines, das von vornherein für außerhalb der Konzernzentrale in Unterföhring wohl annähernd jeden erkennbar zum Scheitern verurteilt war: Der Polittalk "Eins gegen Eins". Wie erwartet läuft er weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit Marktanteilen um 4 Prozent. Das Format taugt noch nicht mal so recht zur Image-Pflege - denn dafür müssten ja erst einmal genügend Leute mitbekommen, dass es das Format überhaupt gibt.

Alles in allem bleibt für Sat.1 damit ein ernüchterndes Fazit. Als Sat.1 in die Saison gestartet ist, da herrschte mit den in den Monaten zuvor erfolgreich gelaunchten Serien "Der letzte Bulle" und "Danni Lowinksi" und den Shows "Die perfekte Minute" und "Mein Mann kann" so etwas wie Aufbruchstimmung. Positiv ist, dass all das erfolgreich weitergeführt werden konnte. Nur: Hinzugekommen ist an erfolgreichen Formaten fast nichts - und das ist für einen Sender, der einiges aufzuholen hat, schlicht zu wenig. Eine weitere solche Saison sollte sich Sat.1 nicht leisten - zumal nun das letzte Jahr ansteht, in dem viele Primetime-Stunden noch mit Live-Fußball gefüllt werden. Ab dem Sommer 2012 muss Sat.1 dann auch den Mittwoch- und Donnerstagabend durchgehend anderweitig bestreiten. Das kann für Sat.1 auch eine Chance sein - doch um sie nutzen zu können, ist mehr Experimentier-Geist gefragt.