Egal ob in Berlin, München, Mainz oder Köln: Die Veranstalter von Medienkongressen sind offenbar lernresistent. Und so erlebt man Jahr für Jahr eine Neuauflage von altbekannten Diskussionsrunden, die nicht nach Sinn sondern aus Gewohnheit immer wieder nach gleichem Muster zusammengewürfelt werden. Für die News, so offenbar der fromme Wunsch der Veranstalter, mögen dann doch bitte die Gäste sorgen. Doch die sind das Debattieren um des Debattierens willen leid. Das merkte man am Dienstag in Berlin etwa auch Ulrich Deppendorf an. Es war ein kurzer Zwischenstopp des ARD-Journalisten, der sich auch vorzeitig wieder von der Bühne im Berliner ICC verabschiedete.


Wird Qualitätsjournalismus in digitalen Zeiten zum Discount-Journalismus? Eine recycelbare Frage als Überschrift. Doch als Folgeveranstaltung auf die Keynote von WikiLeaks-Erfinder Julian Assange an diesem Dienstagvormittag blieb der Einstieg immerhin aktuell. Deppendorf etwa bezog klar Stellung auf die Frage, was er von Assange halte. „Ich habe immer etwas gegen Missionare und das gilt auch für Herrn Assange." Er habe sich zu sehr als Weltretter aufgespielt und damit seine Rolle verwechselt. Spiegel-Chef Mathias Müller von Blumencron wiederum betonte zunächst, dass WikiLeaks eine interessante Plattform und Assange eine interessante Persönlichkeit ist. Eine künftige Zusammenarbeit sei generell vorstellbar. Dann kam jedoch die Distanz.

Dass der „Spiegel“ Medienpartner von WikiLeaks sei, wollte er so nicht stehen lassen. „Medienpartner ist mir ein bisschen zu nah“, so Blumencron, der betonte, dass man mit zahlreichen anderen Quellen ebenso intensiv zusammenarbeite. Und es folgten dann scharfe Worte gegen den Wie-auch-immer-Partner WikiLeaks. Man sei „irritiert und erschüttert“ gewesen über die komplette Veröffentlichung der US-Depeschen in unbearbeiteter Form mit allen Klarnamen. Mit Hinblick auf die Keynote von Assange wo dieser wiederholt den britischen „Guardian“ für die Panne verantwortlich machte, ergänzte Blumencron: „Wie es passieren konnte, hat er nicht erklärt und haben wir noch immer nicht begriffen.“

Doch auch dieser Vorfall werde den „Daten-Journalismus“ insgesamt nicht bremsen. „Spiegel“-Chef Blumencron: "Daten-Journalismus wird an Bedeutung gewinnen. Wir müssen immer wieder damit rechnen, dass Personen mit CDs oder USB-Sticks vor der Tür stehen.“ Doch wieviel Journalismus steckt dann in der Veröffentlichung dieser Daten. „Ist es investigativer Journalismus einfach WikiLeaks-Material zu veröffentlichen?“, fragt N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann berechtigterweise. Er sieht die Einordnung von solchen Daten künftig stärker bei Printmedien als in seinem Bereich des Nachrichtenfernsehens. Dazu eigne sich das Medium schlecht. Schriftstücke ließen sich eben schlecht in Fernsehbilder umsetzen.

Da mag Rossmann recht haben, doch bei der Rolle der Eindordnung widersprach ARD-Kollege Deppendorf dann energisch und betonte, dass es allein im Tagesgeschäft ja schon oft genug die Aufgabe sei, die manchmal überspitzten Aufmacher und Überschriften von Online-Medien zu relativieren. Hier gebe es ja auch schon Bedarf der Einordnung. Da lieferten sich Online-Nachrichtenangebote mit schnellen, dramatischen Überschriften und klassische TV-Nachrichten wie die „Tagesschau“ einen Wettlauf um die Bewertung von Meldungen, sagte Deppendorf und ging.

Diskutiert wurde auch noch über Tablets, neue journalistische Darstellungsformen und das immer wieder gern aufgewärmte Thema des ja so hektischen, immer schnelleren Nachrichtengeschäfts. Hier platzte „Spiegel“-Chef Blumencron dann freundlich der Kragen und zeigte sich irritiert über diese immer wieder geführte Debatte. "Journalisten, die sich beschweren, unter Druck zu arbeiten, haben den falschen Beruf gewählt.“ Auch ohne das Internet sei es eine Herausfordeurng gewesen, Redaktionsschlüsse einzuhalten. „Unser Job ist, unter Druck zu sein“, sagte er. Das sei nicht erst in den letzten Jahren der Fall.

Und am Ende durfte auch das Trend-Thema Apps nicht fehlen. Da kündigte Blumencron noch schnell beinahe nebenbei an, dass man nach dem Vorbild der „Financial Times“ auch an einem zusätzlichen neuen Mobilangebot in HTML5 arbeite - als App-Alternative. Und N24-Geschäftsführer und -Eigentümer Rossmann analysierte die Frage nach der „Tagesschau“-App und deren Gefahr fürs eigene Geschäft so, wie man die Panel-Diskussion insgesamt zusammenfassen könnte: „Es ist doch das ewig gleiche Thema.“ Als  in der Schlussrunde gefragt wurde, ob das Internet den Journalismus jetzt besser oder schlechter gemacht hätte, fühlte man sich fast wie in 2010. Oder 2009. Oder 2008. Oder 2007. Oder... sie verstehen den Gedanken.