Andere Sender wären mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 18,6 Prozent überaus zufrieden – und auch RTL könnte es eigentlich sein. Doch es handelt sich um „Dr. House“, einen früheren Quoten-Hit, der regelmäßig sogar mehr als jeden dritten jungen Fernsehzuschauer vor dem Bildschirm fesselte. Seit Mitte September ist die siebte Staffel der US-Krankenhausserie zu sehen. Kein einziges Mal ist es seither gelungen, die Marke von 20 Prozent zu überspringen, obwohl das vor noch gar nicht allzu langer Zeit eine Selbstverständlichkeit war. Im Schnitt sehen nur noch dreieinhalb Millionen Fans zu, „CSI: Miami“ hat dem grantigen Doktor mittlerweile wieder den Rang abgelaufen.

Man könnte auch sagen: „Dr. House“ ist für RTL zumindest im Hinblick auf die Quoten nur noch Mittelmaß. Doch woher kommt der plötzliche Rückgang des Zuschauerinteresses? „RTL trifft die Hauptschuld“, ist sich TV-Experte Michael Reufsteck sicher. Er macht aus seiner Liebe zu „Dr. House“ keinen Hehl und kennt sich mit der Serie wohl aus wie kein Zweiter. Die Ausstrahlungspolitik von RTL habe niemand verstanden, kritisiert Reufsteck, der mit „Die kleine House-Apotheke“ inzwischen sogar zwei Bücher über den US-Fernseharzt geschrieben hat. „Da hatte man ein Juwel im Programm, eine Serie, die zeitweise mehr junge Zuschauer anzog als 'Wetten, dass..?' und 'Deutschland sucht den Superstar', und dann ging man so lieblos damit um und würfelte so wild neue und alte Folgen durcheinander, dass irgendwann keiner mehr durchblickte, wann eine Episode kommt, die man noch nicht kennt.“

 

Reufstecks These: „Wenn selbst ich als Hardcore-Fan der Serie und als jemand, der das Fernsehprogramm allgemein mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, den Überblick verliere und irgendwann aufgebe, wie soll es denn dann der Normalzuschauer begreifen?“ Den Dienstagabend mit Wiederholungen und Erstausstrahlungen „derart willkürlich durcheinanderzuwürfeln, war in höchstem Maße schädlich“, weil die Zuschauer keine Chance bekamen, einem roten Faden zu folgen. „Die fünfte Staffel brach RTL vier Folgen vor Schluss zum zweiten Mal ab, just nach einem dramatischen Höhepunkt mit dem Selbstmord Dr. Kutners, dessen Aufarbeitung die Fans gern in den folgenden Wochen gesehen hätten, und nicht erst vier Monate später“, erinnert sich Michael Reufsteck. Doch selbst mit Wiederholungen sei RTL wenig liebevoll umgegangen.  „Einmal lief an einem Dienstag die erste Hälfte einer Doppelfolge, aber ausgerechnet am nächsten Dienstag bequemte der Sender sich, statt der zweiten Hälfte mal wieder ein paar neue Folgen zu starten“, so Reufsteck.

Der Autor kommt schließlich zu einer bitteren Erkenntnis für den Zuschauerrückgang: „Es gab keine Verlässlichkeit und Kontinuität. Die fünfte Staffel stückelte RTL in gleich drei Blöcke, streckte sie auf diese Weise auf 13 Monate und hatte bis zu ihrem Ende vor eineinhalb Jahren bereits ein Drittel der früheren Zuschauer vergrault.“ Inzwischen hat sich allerdings auch die Konkurrenz-Situation am Dienstagabend gewaltig verändert: Während ProSieben einst hoffnungslos unterlegen war, konnte der Sender nach und nach mit „Two and a half Men“ aufschließen. „Eine dieser längeren Wiederholungsstrecken während der fünften Staffel, und die maßgeblichste, begann im November 2009“, erzählt Reufsteck. „Vier Monate lang zeigte RTL ausgerechnet im Winter, wenn mehr Menschen fernsehen als in jeder anderen Jahreszeit, ausschließlich alte Folgen.“