In der Nacht zum Montag um 3 Uhr endete das Zeitalter des analogen Satelliten-Fernsehens, das 1987 mit TV-SAT 1 beginnen sollte, erst einmal aber zu einem peinlichen Fehlschlag wurde. Zunächst einmal: Satellitenfernsehen gibt es schon etwas länger, zu Beginn waren zum Empfang allerdings riesige Parabol-Antennen nötig, am Boden mussten die Signale dann also doch wieder per Kabel weiterverteilt werden. Doch das sollte mit neuer Technik und höherer Sendeleistung anders werden. 1977 wurde auf der Weltfunkkonferenz ein weltweiter Rundfunk-Satellitenplan beschlossen, der vorsah, dass jedes Land fünf TV-Programme oder wahlweise vier plus mehrere Hörfunkprogramme via Satellit direkt zu den Teilnehmern abstrahlen darf. Dafür wurden den Ländern bestimmte Orbital-Positionen zugewiesen, die sie sich wiederum mit bis zu acht anderen Ländern und damit Satelliten teilen mussten.

In Deutschland mündete das ins TV-SAT-Projekt, das schon 1979 beschlossen wurde. Doch was folgte, war erst einmal jahrelanges medienpolitisches Gerangel. Denn Rundfunkpolitik ist - das war damals nicht anders als heute - Ländersache. Und ein sogar über die bundesdeutschen Grenzen hinaus empfangbares Satellitenfernsehen lässt sich damit nur schwer in Einklang bringen. "Jeder Ministerpräsident möchte seine Landeshauptstadt zur Medienhauptstadt machen", gab Peter Tamm, Vorstands-Chef beim Sat.1-Gesellschafter Springer gegenüber dem "Spiegel" genervt zu Protokoll. Die SPD sah Privatfernsehen lange ohnehin als Teufelszeug an. Insofern ist es schon erstaunlich, dass man sich letztlich auf eine einheitlichen Staatsvertrag einigen konnte. Die Süd-Länder verschafften so Sat.1 einen der nur vier Plätze auf dem geplanten TV-Satellit, die Nordländer RTLplus. Außerdem erhielten noch der ARD-Ableger Eins Plus und das vom ZDF gemeinsam mit ORF und Schweizer Fernsehen betriebene 3sat ein Plätzchen auf dem TV-SAT.

Nachdem die politischen Hürden und immer wieder aufgetauchte technische Hürden also endlich überwunden waren, wurde TV-SAT 1 am 21. November 1987 mit reichlich Verspätung endlich ins All geschossen. Von einem "Bilderbuchstart" schwärmten die Anwesenden. Doch kaum war der Satellit in der 36.000 Kilometer hohen Umlaufbahn über der Erde angekommen, kehrte auch schon die Ernüchterung ein. Eines der beiden Solar-Panele wollte sich partout nicht bewegen lassen. Damit fehlte TV-SAT 1 nicht nur der benötigte Strom für den vollen Betrieb, zu allem Überfluss blockierte der störrische Solarflügel auch noch die Empfangsantenne. Auf der Erde kam dementsprechend nicht mehr als Bildflimmern an.

Drei Monate lang versuchte man den Satellit im Anschluss doch noch zum Leben zu erwecken. "Sie rüttelten ihn, sie schüttelten ihn. Sie ließen ihn in der glühenden Sonne schmoren, sie quälten ihn mit Kälteschocks. Doch er regte sich nicht", konstatierte der "Spiegel". Erst dann habe der Projektleiter mit den Worten "Es ist eine Schande" die Waffen gestreckt. Und es war eine teure Schande: Das gesamte TV-SAT-Projekt kostete den deutschen Steuerzahler bis dahin schließlich fast 900 Millionen D-Mark, allein der unbrauchbare TV-SAT 1 schlug mit 390 Millionen D-Mark zu Buche - und über Versicherungen hatte man nur 95 Millionen D-Mark abgedeckt.

Die Suche nach der Ursache des Problems nahm Monate in Anspruch, mit vollständiger Sicherheit abgeschlossen wurde sie angesichts des im Weltraum vor sich hin kreisenden Untersuchungsobjekts nie. Schnell war davon die Rede, dass die Konstruktion "nicht narrensicher" gewesen sei. Schließlich war es offenbar ein simpler Bolzen, der den Hunderte Millionen D-Mark teuren Schaden verursacht hat. Die Solarflügel waren während des Transports an den Weltraumhafen Kourou mit einem Bolzen im Klappmechanismus gegen unbeabsichtigtes Öffnen gesichert. Vor dem Start mussten diese durch die ähnlich aussehenden tatsächlichen Bolzen ausgetauscht werden, die den Klappmechanismus funktionsfähig machten. Dabei muss es zu einem folgenschweren Fehler gekommen sein. Zwei Erklärungen existieren dafür: Entweder wurde der richtige Bolzen falsch herum montiert - was laut nachfolgender Tests offenbar problemlos möglich war. Oder aber - und das berichtete der "Spiegel" im September 1988 - der Mitarbeiter, der den Sicherungsbolzen gegen den echten Bolzen ausgetauscht hatte, packte den Sicherungsbolzen in das Plastiktütchen des echten Bolzens ein - und der Kollege der nächsten Schicht dachte, der Austausch sei noch nicht vorgenommen worden und baute prompt den Sicherungsbolzen wieder ein.

So oder so: Peinlich und teuer war der Fehler in jedem Fall. Und er verzögerte den Start des Satelliten-Fernsehens um fast zwei Jahre - und ermöglichte letztlich der privat finanzierten Astra-Satellitenflotte ihren Siegeszug. Zwar startete am 8. August 1989 TV-SAT 2, jedoch mit der gleichen Einschränkung auf nur 4 TV-Sender sowie einiger Radioprogramme. Die Nachfrage blieb gering. Nach einem Jahr gab es gerade mal 20.000 Haushalte, die ihr TV-Programm via TV-SAT 2 empfingen. Nötig waren dazu nämlich auch noch spezielle Fernseher, da die Übertragung nicht im üblichen PAL-Standard, sondern dem neu entwickelten D2-Mac erfolgte. Der dazu nötige Chip für die Fernseher stand beim Start von TV-SAT 1 noch gar nicht zur Verfügung und auch danach fand sich zunächst nur die vergleichsweise kleine Firma Loewe bereit, ihn in ihren Geräten zu verbauen.

"Allen Ehrenerklärungen zum Trotz hat der TV-Sat heute keine Chance mehr", sagte der damalige RTL-Chef Helmut Thoma angesichts diverser Bemühungen, dem Projekt doch wieder Leben einzuhauchen schon im Herbst 1990. Keine Chance hatte TV-SAT 2, weil mit Astra längst eine für die Endkunden viel attraktivere Alternative bestand. Auf einem Satelliten brachte Astra nicht vier, sondern 16 TV-Kanäle unter, zudem wurde die Flotte schnell ausgebaut, die Empfangsanlagen gab es billig in jedem Baumarkt und einen anderen Fernseher benötigte man auch nicht, da auf die herkömmliche PAL-Technik gesetzt wurde. Schon ab dem 8. Dezember 1989 sendeten Sat.1, ProSieben, RTLplus via Astra 1A, 1990 kamen 3sat und Teleclub hinzu. Und als selbst ARD und ZDF 1993 auf den schon dritten Astra-Satelliten Astra 1C aufgeschaltet wurden, war das Wettrennen am Himmel endgültig entschieden.

Im Sommer 1994 kündigten die noch via TV-SAT übertragenen Kanäle ihre Verträge, Ende 1994 wurde TV-SAT 2 schließlich außer Dienst gestellt und verkauft. Erst am 17. Dezember 1994 ließ die Telekom lapidar per Pressemitteilung bekannt geben, dass der Satellit abgeschaltet werde - und das, obwohl im Weihnachtsgeschäft noch kräftig Werbung für Empfänger für die 16 in hochwertiger "CD-Qualität" empfangbaren Hörfunksender, die via TV-SAT 2 verbreitet wurden, gemacht wurde. Knapp 100.000 Empfänger, ob der TV- oder Radio-Programme, die es bis dahin gab, wurden aber vor vollendete Tatsachen gestellt. Das - und damit sind wir wieder beim Thema Analog-Abschaltung - kann man Astra und den TV-Sendern diesmal nicht vorwerfen. Das Ende des so pannenreich begonnenen analogen Satelliten-TV-Zeitalters lief mit einer jahrelangen Vorlaufzeit und zahlreichen Beiträgen und Laufbändern so geordnet ab, dass eigentlich niemand heute hätte überrascht sein müssen, vor einem schwarzen Bildschirm zu sitzen. Getroffen hat es nach geschätzten Zahlen wohl trotzdem mehr als damals bei der TV-SAT-Abschaltung.