Blickt man rein auf die Marktanteile, dann kann ProSieben mit der zurückliegenden TV-Saison 2011/12 sehr zufrieden sein. Auch wenn man sich im Herbst mit bis zu 12,6 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe stärker präsentierte als im Frühjahr, bleibt festzuhalten: Zwischen September und Mai lag ProSieben nur in einem einzigen Monat unter dem Vergleichswert des Vorjahres. Zu verdanken hat ProSieben das vor allem einem Genre: Den Sitcoms.
Denn wenn es darum geht, ProSieben derzeit zu charakterisieren, dann muss man schon fast von einem Sitcom-Spartenkanal sprechen. Nachdem die nachmittägliche Sitcom-Schiene sich so gut entwickelte, dehnte ProSieben sie nämlich in der zurückliegenden Saison noch einmal weiter aus. Inzwischen laufen zwischen 8 und 20 Uhr zehn Stunden lang die fünf Sitcoms "Malcolm Mittendrin", "Scrubs", "The Big Bang Theory", "How I met your Mother" und die "Simpsons" in Dauerschleife. Nur "taff", "Newstime" und "Galileo" finden sich zumindest nach 17 Uhr noch als Kontrastprogramm.
So viel steht fest: Billiger und mit weniger Aufwand kann man den Tag zumindest in der Zeit vor 17 Uhr kaum überbrücken. Muss man das ProSieben also vorwerfen? Nun, blickt man darauf, was die Konkurrenz so an Eigenproduktionen dagegen setzt, dann erscheint ProSieben mit seinen Sitcoms nicht wenigen als qualitativ hochwertigste Alternative zu Telenovelas und Scripted Reality. Doch ProSieben-Chef Jürgen Hörner hat noch im Mai 2011 eigentlich selbst andere Ziele ausgegeben: "ProSieben braucht eine eigene, eigenproduzierte Daytime, die dem Sender Profil gibt. Dafür werden wir uns aber Zeit und Muße nehmen, mehr intern pilotieren als on air zu experimentieren." Die Sitcoms bezeichnete er als "Überbrückung", mit der man sich Zeit verschaffen wolle.
Zeit zur Pilotierung hatte man, doch bislang deutet noch nichts darauf hin, dass sich an dieser angeblichen Übergangslösung in absehbarer Zeit etwas ändern wird. Vorgestellt hat ProSieben bei der Präsentation der Pläne für das nächste Jahr jedenfalls nichts, was in diese Richtung deutet. Angesichts von Marktanteilen der Sitcoms, die in den besten Tagen an der 20-Prozent-Marke kratzten, kann man dem Sender das noch nicht mal wirklich verdenken.
Doch nicht nur tagsüber, auch in der Primetime heißt bei ProSieben das Allheilmittel derzeit "Sitcoms". Zum fest etablierten Dienstagabend kam längst auch der Mittwochabend hinzu, wo man "How I Met your Mother" und "New Girl" platzierte. Kommende Saison rutschen die "Simpsons" zusätzlich auf den Montag. Dass ProSieben alles auf eine Karte zu setzen scheint, hängt vor allem damit zusammen, dass es dem Sender an Alternativen mangelt, was vor allem von der besonders großen Abhängigkeit von ProSieben vom amerikanischen Markt herrührt. Natürlich gibt es dort noch immer hochwertige Serien aus anderen Genres - doch die andere Frage ist, ob sie so massentauglich sind, dass sie auch in Deutschland ein großes Publikum finden können.
Stattdessen gibt es auch in den USA derzeit eine neue Sitcom-Welle, drei der fünf großen Networks haben für die kommende Saison die Zahl der Sitcom-Sendeplätze noch einmal hochgeschraubt. ProSieben dürfte also nicht so schnell der Nachschub ausgehen. Dafür ist das Serien-Repertoire abseits der Comedy schlecht gefüllt wie lange nicht. Serien wie "V - Die Besucher" oder "Terra Nova", die in Deutschland zumindest ordentlich liefen, wurden schon eingestellt, andere Serien-Neustarts wie "Touch", wofür es Nachschub gäbe, sind hierzulande gefloppt. Dazu kommt, dass der Dauerbrenner "Desperate Housewives" auch hierzulande bereits auf den letzten Metern ist, "Private Practice" hat trotz der noch immer starken Vorlage durch "Grey's Anatomy" mit Problemen zu kämpfen. Und erfolgreiche Neustarts? Nun, zumindest ordentlich lief "Falling Skies", am späten Freitagabend überzeugt "Spartacus". Doch der große Hit für die Primetime war nicht dabei.
Und abseits der Fiction? Da überstrahlt vor allem ein großer Erfolg alles: "The Voice". Doch obwohl das Format von der Ausrichtung her perfekt zu ProSieben passte und man dafür auch "Popstars" pausieren ließ, musste man den - vor allem in der Anfangszeit - grandiosen Erfolg mit Sat.1 teilen und letztlich sogar ganz an Sat.1 abgeben, weil ProSieben mit "Unser Star für Baku" schon die nächste Castingshow zeigen musste. Die geriet trotz oder wegen Neuerungen wie der Live-Tabelle nach gutem Auftakt zu einem veritablen Quotendesaster mit zwischenzeitlich weniger als 7 Prozent Marktanteil. In der kommenden Saison scheint eine Neuauflage dieses Konzepts daher ausgeschlossen. Und noch eine Enttäuschung steht zu Buche: "Germany's Next Topmodel" war zwar immer noch ein Erfolg, konnte aber bei Weitem nicht an das Quoten-Niveau früherer Jahre anknüpfen. Frischer Wind tut bei ProSieben also auch im Show-Bereich langsam Not. Für den könnten Joko und Klaas sorgen, mit denen ProSieben die Zusammenarbeit ausbauen will. Keine schlechte Idee: Etwas weniger Abhängigkeit von Stefan Raab im Show-Bereich kann ProSieben nur gut tun.