"Schwieriges Fahrwasser sieht wohl anders aus." Vor gut einer Woche erweckte RTL-Chefin Anke Schäferkordt in einem Interview den Eindruck, als sei die Welt bei RTL vollkommen in Ordnung. Dabei ist die Situation für den Marktführer derzeit ganz gewiss alles andere als einfach - nicht, weil sich an der einen oder anderen Stelle eine kleine Problemzone aufgetan hätte, sondern weil es die Zuschauerzahlen in den vergangenen Monaten auf fast allen Programmplätzen spürbar zurückgingen. Auf der einen Seite mussten langjährige Erfolgsgaranten deutliche Verluste hinnehmen, auf der anderen Seite fehlt es an dringend nötigem Nachschub und neuen Ideen.

"Deutschland sucht den Superstar" tat sich in diesem Jahr jedenfalls so schwer wie lange nicht und soll in Folge dessen in der kommenden Saison ebenso wie "Das Supertalent" umfangreich renoviert werden. Shows wie "The Voice of Germany" oder das beim Schwestersender angesiedelte "X Factor" haben jedenfalls dazu beigetragen, dass sich die einsetzende Castingmüdigkeit des Publikums beschleunigt - für einen Sender wie RTL, dessen zwei größte Show-Aushängeschilder genau dieses Genre besetzen, ist das natürlich ungünstig. Hinzu kommt: "Let's dance" tat sich ebenfalls schwerer, das Dschungelcamp verlor Zuschauer und auch "Wer wird Millionär?" geriet zuletzt zunehmend unter die Räder.

Der nächste große Show-Hit ist derzeit jedenfalls nicht in Sicht und viele neue Formate kamen beim Publikum nicht gerade gut an. Den Casting-Ableger "DSDS Kids" sendete RTL im Mai völlig am Publikum vorbei und mit der "RTL Comedywoche" misslang auch der Versuch, im Comedy-Bereich eine regelmäßige Sendung zu etablieren. Darüber hinaus hat die Schlagzahl der in der jüngeren Vergangenheit recht populären Live-Comedy zumindest gefühlt nachgelassen. Noch dazu ist RTL auch im Bereich der Dokusoaps mittlerweile das glückliche Händchen ein wenig abhanden gekommen. Formate wie "Jugendliebe", "Großstadtliebe" und "Verzeih mir" enttäuschten und mit "Rachs Restaurantschule" konnte man nicht an den Erfolg der ersten Staffel anknüpfen.

Immerhin sind "Rach, der Restauranttester", "Bauer sucht Frau" und "Undercover Boss" am Montagabend noch verlässliche Quotenbringer - und mit dem Comeback von "Der Bachelor" gelang dem Kölner Marktführer in der zurückliegenden Saison dann doch noch ein Überraschungs-Erfolg mit Marktanteilen von teils fast 25 Prozent. Frischer Wind sieht allerdings anders aus. Für die größten Sorgenfalten bei RTL dürfte momentan jedoch der Serien-Bereich sorgen, denn dort steht man vor echten Herausforderungen. Bei den deutschen Serien ist "Alarm für Cobra" nach wie vor die einzige Konstante im Programm, doch auch die langjährige Actionserie musste zuletzt einige Verluste hinnehmen.

Das ist aber vermutlich noch das kleinste Übel - viel schmerzhafter ist die Tatsache, dass RTL nach dem Aus von "Countdown" und "Die Draufgänger" bei den deutschen Serien nahezu mit leeren Händen da steht. "In der Menge der aktuellen leichten Krimiserien im deutschen Fernsehen haben sie trotz starker Figuren und toller Darsteller scheinbar zu wenig Eigenständigkeit besessen", sagte RTL-Fictionchefin Barbara Thielen im März gegenüber DWDL.de über die abgesetzten Serien. Auf Thielen wartet nun allerhand Arbeit, zumal inzwischen feststeht, dass auch "Doctor's Diary" nicht weitergehen wird - weil es angeblich nicht möglich war, den Cast noch einmal gemeinsam vor die Kamera zu bekommen. Die Probleme deutscher Serien wären allerdings verschmerzbar, würden gleichzeitig nicht auch die einst so gefragten US-Serien unter massiven Schwierigkeiten leiden.

Hier ist eigentlich nur noch "CSI: Miami" ein verlässlicher Zuschauergarant, doch weil die Krimiserie in den USA bereits abgesetzt wurde, steht RTL hiervon nur noch eine letzte Staffel zur Verfügung. Auch "Dr. House" geht zu Ende, dürfte nach den zuletzt spürbar zurückgegangenen Quoten aber für den Marktführer kein allzu großer Verlust sein. "CSI" und "Bones" werden hingegen fortgesetzt, laufen mittlerweile allerdings konsequent unter dem Senderschnitt - noch dazu ist es RTL auch lange nach dem Aus von "Monk" nicht gelungen, einen Nachfolger im Programm zu etablieren. Mit "Psych", "Royal Pains" und "White Collar" hat man zwar allerlei probiert, aber letztlich nur bedingt den Geschmack des Publikums getroffen.

Zu allem Überfluss kann sich RTL auch auf seine Scripted Realitys am Nachmittag nicht mehr in dem Maße verlassen, wie es noch vor einem Jahr der Fall war - an Marktanteile von teils mehr als 30 Prozent ist bei "Verdachtsfälle" & Co. aktuell jedenfalls kaum noch zu denken. Auch das schlägt sich freilich in den Marktanteilen nieder. Nimmt man all das zusammen, drängt sich der Eindruck von schwierigem Fahrwasser des Marktführers also durchaus auf, auch wenn Senderchefin Anke Schäferkordt davon nichts wissen will und zu Recht darauf verweist, dass es unmöglich schien, das Rekordniveau des Senders zu halten. Und doch: Die Art und Weise, wie die Quoten derzeit an zahlreichen Stellen bröckeln, ist durchaus ein Alarmsignal.

Eine Katastrophe ist die derzeit schwierige Lage von RTL allerdings nicht, auch wenn die Bilanz der zurückliegenden Saison erst mal reichlich negativ klingt. Bei allem Jammern darf eines nämlich nicht vergessen werden: Der Kölner Sender ist noch immer seit September 1992 in der Zielgruppe ununterbrochen Marktführer - und es sieht nicht so aus, als würde sich daran in absehbarer Zeit so schnell etwas ändern. Ein Alarmsignal ist der Quoten-Einbruch aber in jedem Fall. Es werden Veränderungen und neue Ideen nötig sein, um das Publikum wieder zu überraschen. Mit einem schlichten "Weiter so" geben sich die Zuschauer ganz offensichtlich nicht mehr zufrieden.

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