Zum Jahreswechsel hat der neue Rundfunkbeitrag, der unabhängig vom Vorhalten eines Empfangsgeräts einmal pro Haushalt gezahlt werden muss, die bisherige Rundfunkgebühr abgelöst. Obwohl sich für den Großteil der Deutschen de facto gar nichts ändert, erleben wir seit Tagen eine Kampagne in diversen Zeitungen und Online-Angeboten, in denen der Rundfunkbeitrag scharf kritisiert wird. Der Tenor: ARD und ZDF - ohnehin schon viel zu üppig finanziert - stopfen sich durch die Umstellung, die horrende Mehreinnahmen bringen werde, die Taschen weiter voll.

Nun kann man fraglos darüber streiten, ob das neue Modell, bei dem jeder Haushalt unabhängig vom Vorhandensein eines TV- oder Radiogeräts zahlen muss, wirklich gerecht ist - auch wenn man das besser vor dessen Einführung getan hätte. Doch es spricht nicht unbedingt für die Argumente der Kritiker, wenn sie auf verzerrte Halb- oder völlige Unwahrheiten zurückgreifen müssen, um die Empörung zu schüren. Angesichts der Desinformationen der letzten Tage ist es also vielleicht Zeit, noch einmal an ein paar Fakten zu erinnern, die nicht neu sind, die aber in der erhitzten Debatte zuletzt etwas unter gingen.

Wie sich die Einnahmen durch die Umstellung entwickeln, weiß niemand.

FDP-Politiker Burkhardt Müller-Sönksen, der nie um eine Aussage verlegen scheint, wollte schon vor der Festlegung der genauen Regelungen wissen, dass der Rundfunkbeitrag zu Mehreinnahmen von 1,2 bis 1,6 Milliarden Euro führen wird. Seitdem tauchen fast im täglichen Wechsel Zahlen im Bereich von einigen Hundert Millionen bis zu fast zwei Milliarden Euro auf, die sich wahlweise auf "Geheimstudien", aus dem Zusammenhang gerissene Zitate oder Insider stützen. ARD und ZDF gehen unterdessen stoisch davon aus, dass sich Mehr- und Mindereinnahmen die Waage halten. Letztlich ist aber auch das eher geraten, denn es mangelt allein schon an Daten, wieviele Haushalte es in Deutschland gibt. Mehr wissen wird man nach dem Abgleich mit den Daten der Meldeämter - der aber so umfangreich ist, dass er erst im kommenden Jahr abgeschlossen sein wird. Die KEF, die über die Finanzen der Öffentlich-Rechtlichen wacht und es am besten wissen müsste, schrieb daher in ihrem letzten Bericht auch nur: "Wegen der Unsicherheiten infolge der Umstellung des Finanzierungssystems ist eine verlässliche Ertragsplanung nicht möglich."

Wenn ARD und ZDF mehr Geld durch den Rundfunkbeitrag einnehmen sollten, dürfen sie dieses Geld nicht behalten.

Dazu muss man wissen, wie festgelegt wird, wieviel Geld ARD und ZDF eigentlich zusteht - und dass das nicht davon abhängig ist, wieviele Leute nun einen Beitrag zahlen oder nicht. Jeder öffentlich-rechltiche Sender stellt vereinfacht gesagt einen Plan auf, welche Finanzmittel aus seiner Sicht nötig sind, um seine Aufgaben zu erfüllen. Diese Planung wird an die unabhängige "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten" (KEF) weitergeleitet, die sie fachlich prüft und in der Regel nochmal deutlich kürzt. Heraus kommt eine Gesamtsumme, die dann auf alle Gebühren- oder Beitragszahler umgerechnet wird - was zuletzt den monatlichen Betrag in Höhe von 17,98 Euro ergab. Zustimmen müssen dem Ganzen letztlich noch die Regierungen der Bundesländer.

Sollten sich die Einnahmen in der normalerweise vier Jahre andauernden Gebührenperiode nun besser als erwartet entwickeln - etwa weil die Werbeeinnahmen höher ausfallen als gedacht oder wie jetzt diskutiert durch die Umstellung deutlich mehr Geld in die Kassen kommt - dann dürften die Sender diese zusätzlichen Gelder nicht einfach ausgeben, sondern sollten sie besser auf die hohe Kante legen. Denn wenn die KEF das nächste Mal den Finanzbedarf der Sender feststellt, dann wird ihnen dieser Betrag gewissermaßen als Guthaben angerechnet - wodurch in den folgenden Jahren entsprechend niedrigere Einnahmen nötig sind.

Die vermeintlichen Mehreinnahmen, über die diverse Medien derzeit die Empörung schüren wollen, wären also eine gute Nachricht für die einzelnen Beitragszahler.

Daraus ergibt sich logischerweise die Konsequenz, dass die von vielen Medien so skandalisierten vermeintlichen Mehreinnahmen - die ARD und ZDF selbst für unwahrscheinlich halten - für den einzelnen Beitragszahler sogar erfreulich wären. Denn sie würden dazu führen, dass bei der ersten Überprüfung der Beitragshöhe, die im Lauf des Jahres 2014 geplant ist, für 2015 eine Senkung der Rundfunkgebühr erfolgen würde - oder zumindest eine Erhöhung ausbleibt oder geringer ausfällt. Denn…

Ohne die Umstellung auf den Rundfunkbeitrag wäre die Rundfunkgebühr schon zum Jahresanfang gestiegen.

Als nach dem oben beschriebenen Verfahren ermittelt wurde, welche Gelder ARD, ZDF und Deutschlandradio für die Jahre 2013 bis 2016 zustehen, erkannte die KEF einen ungedeckten Finanzbedarf in Höhe von 197,3 Millionen Euro für die ARD, 60,1 Millionen Euro für das ZDF und 46,7 Millionen Euro für das Deutschlandradio. Eigentlich hätte sich daraus rechnerisch eine Erhöhung der Rundfunkgebühr um 18,35 Cent ergeben. Da man aber - wie oben beschrieben - ja ohnehin nicht weiß, wie sich die Einnahmen durch die Umstellung auf den Rundfunkbeitrag entwickeln, empfahl die KEF, den Beitrag erst einmal stabil bei 17,98 Euro zu halten. Damit entsprach man auch dem Wunsch der Politik, die damit die Akzeptanz des neuen Systems steigern wollte. Fakt ist aber: Ohne Umstellung, müssten die Gebührenzahler nun 18,16 Euro pro Monat zahlen

Also doch: 304 Millionen der Mehreinnahmen dürften ARD, ZDF und Deutschlandradio behalten.

Daraus ergibt sich auch: ARD und ZDF stehen 304,1 Millionen Euro mehr zu als bislang - diesen Teil von möglichen Mehreinnahmen dürften sie also behalten. Mit einer "Hintertür, durch die Sender und Medienpolitiker schlüpfen werden", wie die "FAZ" heute orakelt, hat das aber nichts zu tun - es ist schon seit Dezember 2011 klar. Kommt es nicht zu Mehr- oder gar zu Mindereinnahmen, droht 2015 hingegen eine Anhebung der derzeitigen Höhe der Rundfunkgebühr.

Einzelne Wirtschafts-Branchen werden stärker belastet - insgesamt ist eine Mehrbelastung der Wirtschaft aus Sicht der ARD aber unwahrscheinlich.

Besonders harsche Kritik am neuen Rundfunkbeitrag kommt aus der Wirtschaft. Die Drogeriekette Rossmann etwa hat eine Klage eingereicht, weil sie aufgrund der vielen Filialen nach eigenen Berechnungen künftig das Fünffache zahlen muss, auch Autovermieter Sixt läuft Sturm. Der Bayerische Rundfunk weist unterdessen darauf hin, dass dem auch Entlastungen an anderer Stelle gegenüber stünden. So werde beispielsweise das Hotelgewerbe entlastet, weil pro Zimmer mit Fernseher nur noch ein Drittel statt der Hälfte der Gebühr zu entrichen ist. Auch Handwerker mit Radio in Werkstatt und Auto würden entlastet, da sie nicht mehr doppelt zahlen müssen.

In der hitzig geführten Diskussion sollte man zudem auch beachten, dass bislang eigentlich fällige Gebühren schlicht nicht gezahlt wurden, denn: Autoradios in geschäftlich genutzten PKW waren schon vorher gebührenpflichtig. Der BR schreibt: "Obwohl statistisch nahezu 100 Prozent aller Autos mit Radios ausgestattet sind, waren bislang nur knapp 4 Millionen gewerblich genutzte Fahrzeuge angemeldet. Das Kraftfahrzeugbundesamt geht von wesentlich mehr Geschäftswagen aus." Trotzdem drohen manchen Branchen womöglich unverhältnismäßige Belastungen. Immerhin: Bei der Evaluierung der Reform im kommenden Jahr wolle man sich dieser Probleme annehmen.