Es soll ja Menschen gegeben haben, die jahrelang nicht ins Bett gehen konnten, wenn ihnen Ulrich Wickert nicht am Ende des Tages "eine geruhsame Nacht" wünschte. Dass Wickerts Moderationen gerne mal holprig daherkamen - geschenkt. Im Kopf haben die meisten heute ohnehin nur noch seine gut gemeinte Abschiedsformel. Ein paar wenige Worte, die - so scheint es - in der hektischen Nachrichtenwelt zumindest einen Hauch von Halt geben. Nina Ruge beherrschte das über viele Jahre hinweg mit ihrem Versprechen, alles werde gut, fast noch besser. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass zehn Jahre lang gar nichts gut wurde - schließlich trat Ruge am nächsten Tag ja meist doch wieder vor die Kamera.

Doch wie dem auch sei: Viele Zuschauer lieben solche Sätze, finden es gut, wenn ein Mann wie Thomas Kausch ein lockeres "Ciao" am Ende der Nachrichten ins Mikro säuselt oder dem Publikum für das Vertrauen dankt. ZDF-Moderator Normen Odenthal scheint Kauschs gespielter Lockerheit nachzueifern und entlässt seine Zuschauer stets mit einem flapsigen "Tschüss, tschüss" in die Nacht. Es ist zu vermuten, dass er sich dabei besonders gut vorkommt. So viel Freiraum abseits der sonst üblichen Nachrichten-Etikette gewährt das hippe ZDF seinem Nachrichtenmann allerdings nur bei "heute nacht". Gibt's an deren Stelle mal bloß eine kurze "heute"-Ausgabe, muss Odenthal förmlicher bleiben. Auf dem Lerchenberg sind der Lockerheit eben doch noch Grenzen gesetzt.

Manchmal aber wirken Verabschiedungen auch ungewohnt. Bei der "Tagesschau" etwa - dort war es jahrzehntelang guter Brauch, dass die Sprecher erst das Wetter und dann die "Tagesthemen" ankündigten. Ein schöner Abend? Ein Dank fürs Vertrauen? Nichts da. Musik, Abspann, Schluss. Das war gewissermaßen unhöflich, passte aber zum steifen Ablauf der Sendung - und manch einer wunderte sich vermutlich, dass Jan Hofer und seine Kollegen Abend für Abend zumindest eine knappe Begrüßung über die Lippen brachten. Seit einiger Zeit ist nun allerdings auch eine - wenn auch sehr förmliche - Verabschiedung erlaubt. Und wenn man genau hinsieht, kann man Ellen Arnhold an manchen Tagen sogar für den Bruchteil einer Sekunde lächeln sehen.

Bei den "Tagesthemen" geht es dagegen schon seit jeher wesentlich entspannter zu, wie Ulrich Wickert und sein Wunsch nach einer geruhsamen Nacht beweisen. Ob man sich auch in einigen Jahren noch an Buhrows flottes Sprüchlein am Ende jeder Sendung erinnern wird, bleibt dagegen noch abzuwarten. Die Frage, ob sein Haupthaar echt ist oder nicht, besitzt vermutlich noch bessere Chancen, sich ins Gedächtnis der Zuschauer einzubrennen. Buhrows allabendlich geäußerte Weisheit, wonach morgen ein neuer Tag sei, dürfte vermutlich ungleich seltener hinterfragt worden sein als die Echtheit seiner Haarpracht. Die Diskussionen über seine Frisur gingen sogar so weit, dass sich der jetzige WDR-Intendant im Sommer zu einem Schwur im "Focus" genötigt sah: "Ich habe nie ein Haarteil getragen", gab er artig zu Protokoll.

Haarig geht es unterdessen auch bei seinem Nachfolger Thomas Roth zur Sache. In seinem Fall war es allerdings der Schnurrbart, der im Vorfeld seiner "Tagesthemen"-Premiere für ein paar Schlagzeilen gut war. Und doch trieb so manchen Branchenbeobachter in den vergangenen Tagen zunehmend auch die Frage um, was Roth denn nun am Ende der "Tagesthemen" sagen würde. Ein kluger Satz, ein frommer Wunsch - irgendetwas muss er sich doch ausgedacht haben. Nach seinem Einstand dürfte sich bei den Beobachtern jedoch ein wenig Ernüchterung breit machen. Roths letzte Worte nach seiner unspektakulären Premiere besaßen nämlich eher Service-Charakter: "Zurück zu Gerhard Delling". Sprach's und verschwand.

Vermutlich also wird sich Thomas Roth für seinen zweiten Auftritt am Dienstagabend einen neuen Abschiedssatz überlegen müssen, denn es lässt sich ja nicht immer einrichten, dass er und Delling am späten Abend Doppelpass spielen. Letztlich gilt eben auch für die berühmten letzten Worte des neuen "Tagesthemen"-Moderators, was sein Vorgänger jahrelang predigte: Morgen ist ein neuer Tag. Und nun eine geruhsame Nacht. Ciao.