Am Ende war das Ergebnis eindeutig. 31 Prozent der Online-User stellten sich auf die Seite von Norbert Himmler. Nur, kann man sagen. Oder: Immerhin - gegen einen populären Kritiker wie Oliver Kalkofe. Nach dem Intendanten und dem Chefredakteur bekam nun also auch ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler seinen Auftritt in der ZDFinfo-Talkshow "log in". Und gleich im ersten Einspieler ging es zur Sache: "Jung, modern, innovativ - gilt leider nicht fürs ZDF", war da zu hören, gefolgt von der Frage des Abends: "Fehlt dem ZDF der Mut?" Himmler gab sich sichtlich Mühe, nicht alles zu verteidigen, was Tag für Tag vom Lerchenberg aus in die Republik gesendet wird. Er selbst weiß vermutlich nur allzu gut, dass dem ZDF an mancher Stelle mehr Mut zu frischen Format gut täte.

Nicht umsonst hat er lang laufende und nach wie vor erfolgreiche Serien wie "Der Landarzt" und "Forsthaus Falkenau" eingestellt, um Platz zu schaffen für Neues. Daneben sind zwei Sitcoms in der Mache und eine Art "deutsches 'Breaking Bad'", das Ende kommenden Jahres an den Start gehen soll.  Ein großes Haupt- und Vollprogramm müsse allerdings "das ganze Portfolio bieten", sagte Himmler und rechtfertigte damit auch die Formate für ein älteres Publikum, zumal die über 60-jährigen Zuschauer deutlich länger vor dem Fernseher säßen als die Jüngeren. Es müsse auch weiterhin gelingen, ein generationsübergreifendes Programm zu machen. "Mir ist es wurscht, ob wir Marktführer oder Zweiter sind, aber wir müssen vorne mitspielen", so der Programmdirektor über die Ausstrahlung massentauglicher Formate. Und im Netz, das machte er recht deutlich, würde er sich germ aus den Fesseln der 7-Tages-Frist befreien.

"Wenn man es allen recht machen will, macht man es keinem recht", erwiderte Oliver Kalkofe, der Himmler vorwarf, ein "Nischenprogramm für ältere Zuschauer" zu betreiben. "Das ZDF ist das Fußbad und nicht der Wirbelsturm", polterte der Komiker und warf dem ZDF vor, im Show-Bereich "weder witzig noch ironisch noch unterhaltsam" zu sein. Bei "Wetten, dass..?" habe zudem keine Erneuerung stattgefunden. "Spiegel"-Redakteur Georg Diez, ebenfalls Gast in der Runde, attestierte der Show, die zuletzt noch immer rund acht Millionen Zuschauer erreichte, ihre Zeit längst hinter sich zu haben. "Der Abschied von Thomas Gottschalk wäre der ideale Anlass gewesen, 'Wetten, dass..?' einzustellen." Davon wollte Himmler am Mittwoch zwar nichts wissen - zufrieden scheint er mit der Entwicklung des Show-Klassikers aber keineswegs zu sein.

"Wir müssen uns wieder intensiver mit dem Markenkern beschäftigen", sagte Himmler und versprach, die Wetten ab Oktober wieder stärker in den Mittelpunkt stellen zu wollen. Ähnliche Absichtserklärungen hatte es allerdings auch im vergangenen Jahr bereits gegeben. Zugleich gab er zu, in der umstrittenen Mallorca-Ausgabe seien "Grenzen überschritten" worden. Mit Blick auf die Eiswürfel im Schritt eines Gastes als Teil einer Wetteinlösung sagte der Programmdirektor selbstkritisch: "Das habe ich nicht gerne geguckt und das werden wir auch nicht mehr tun, weil ich glaube, dass das unter der Gürtellinie ist - im wahrsten Sinne des Wortes." Angesprochen auf die Vielzahl an Quizshows gab er zudem zu, zur Zeit "zu viel" davon im Programm zu haben. Es seien jedoch "alles sehr anständige Sendungen".

Mit der bereits angekündigten Zeitreise-Show mit Johannes B. Kerner wolle man nun einen neuen Versuch starten. "Sie erfinden das Fernsehen aber nicht neu", betonte Himmler. Oliver Kalkofe geht das allerdings nicht weit genug. "Ich werde bald 50 und denke, das ZDF ist fast drei Mal so alt wie ich." An Himmler und das ZDF gerichtet, sagte der Fernsehkritiker: "Sie müssten diejenigen sein, die innovativ sind und neue Formate bringen." Alle Innovationen seien - ob gut oder schlecht - in den vergangenen Jahren jedoch von den Privaten gekommen, so Kalkofe mit Blick auf Neuzugänge wie Inka Bause und Christian Rach. Zudem warf Kalkofe dem ZDF vor, Formate wie "Mit Herz und Hammer" in der vermeintlichen "Innovationsschiene" zu zeigen. "Da müssen sie doch selber lachen, oder?"

Dass man mit "Streit um Drei" die erste Gerichtsshow oder mit "Bianca" einst die erste Telenovela in Deutschland ausgestrahlt hat, stellte Kalkofe kaum zufrieden. Doch Norbert Himmler versprach mehr Mut im Programm - und angesichts spannender Formate wie "Unsere Mütter, unsere Väter" oder "Verbrechen" ist man versucht, ihm das durchaus zu glauben. Eines aber ist klar: In Mainz geht man nur sehr kleine Schritte in Richtung Modernisierung. So kündigte der Programmdirektor aber zumindest an, nach einem zur "heute-show" passenden Format zu suchen. Im Spätherbst soll zudem ein Sendetermin für "Mad Men", "Magic City" und "Girls" im Hauptprogramm eingerichtet werden. Aber erst nach 23 Uhr, versteht sich. Auch das ist eine Möglichkeit, die Frage nach dem fehlenden Mut zu beantworten.