Die Geschichte des deutschen Privatfernsehens beginnt mitnichten erst am 1. Januar 1984. Dort anzusetzen, würde eine der spannendsten Phasen der Geschichte des Prvatfernsehens völlig außer Acht lassen. Ein Sprung ins Jahr 1973 bringt uns deshalb an den Anfang unserer Zeitreise: Schon in seiner Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 legte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) den Grundstein die "Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems" (KtK). Er sagte im Deutschen Bundestag: "Neuerungen auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung und Kommunikation beeinflussen mehr und mehr die technisch-wirtschaftliche Entwicklung, aber auch das Zusammenleben der Menschen. Für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems wird die Bundesrepublik zusammen mit den Ländern, der Wissenschaft und der Wirtschaft ihre Vorschläge entwickeln. Bei der Entwicklung der Nachrichtentechnologie fällt der Bundesrepublik eine besondere Rolle zu."



Die in den Monaten nach der Regierungserklärung eingesetzte KtK-Kommission war von 1973 bis 1976 mit der Entwicklung der von Brandt angesprochenen Vorschläge beauftragt. Schon nach wenigen Monaten prägte die Kommission die Formel eines "wirtschaftlich vernünftigen und gesellschaftlich wünschenswerten Ausbau des Telekommunikationssystems der Bundesrepublik Deutschland". Am Ende der Beratungen im Januar 1976 empfahl die Kommission jedoch, dem Ausbau und der Weiterentwicklung des Fernsprechnetzes Vorrang gegenüber allen Plänen für Kabelfernsehen und Bildfernsprechern zu geben. Trotz dieser klar formulierten Skepsis gab es aber auch die Empfehlung, immerhin mal vier Pilotprojekte für Kabelfernsehen einzurichten, um Technik, Organisation und Inhalte in kleinem Rahmen zu testen. Es sollte aber nochmal zwei Jahre dauern, bis am 11. Mai 1978 endlich eine Festlegung auf konkrete Projektgebiete erfolgte. Hintergrund der Verzögerung: Die politischen und rechtlichen Voraussetzungen für die Pilotprojekte sollten die Länder, die technische Infrastruktur, allerdings der Bund schaffen.

Die Länderchefs deklarierten zunächst nur die drei Gebiete Berlin, München und Ludwigshafen-Mannheim. In Nordrhein-Westfalen konnte man sich nicht auf eine Stadt einigen, so dass Dortmund als viertes Testgebiet erst nachträglich bestimmt wurde. Noch war also alles offen: Dass einmal ausgerechnet in der recht kleinen Stadt Ludwigshafen die Wiege des deutschen Privatfernsehens liegen würde, war noch nicht abzusehen. Dass zwischen der Festlegung der Testgebiete und dem tatsächlichen Start des ersten Kabelprojekts in Ludwigshafen noch einmal fast sechs Jahre vergingen, lag erneut an der Politik. Wieder einmal, mag da mancher sagen. Es entbrannte ein Streit darüber, ob man bei diesen Kabelprojekten auch private Anbieter mit ins Boot nehmen will. Die Sozialdemokraten wollten private Anbieter nur in einem der vier Testgebiete beteiligen, während die Christdemokraten darauf bestanden, sie an allen Kabelprojekten zu beteiligen.

Bei der deutschen Bundespost plante man ungeachtet der strittigen Punkte bereits eine Verkabelung mehrerer deutscher Großstädte. Da die Bundespost mit ihren Planungen schneller voran kam als die Kabelprojekte, ließ die sozial-liberale Koalition im September 1979 die Verkabelung von elf deutschen Städten stoppen. Der damalige Bundespostminister Kurt Gscheidle erklärte damals gar, dass man die flächendeckende Verkabelung für die Verteilung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen aufgegeben habe. Während die Frage nach der Beteiligung von privaten Anbietern weiter offen im Raum stand, wurde das liebe Geld zum zweiten strittigen Thema: Erneut verstrichen Monate, bis man sich im November 1980 auf die Finanzierung der vier Kabelprojekte einigte. Am 14. November 1979 wurde der "Kronberger Beschluss" veröffentlicht. Darin wurden 140 Millionen Mark für die Kabelprojekte veranschlagt, die man mit einer extra dafür geplanten Erhöhung der Rundfunkgebühren finanzieren wollte.

Schnell wurde der Begriff "Kabelgroschen" zum Schlagwort. Unumstritten war dies nicht und verband sich förmlich mit der Frage, ob man private Anbieter an den Projekten beteiligen soll. Darf man also Gebührenmittel und somit öffentlich-rechtliche Zuwendungen für ein Projekt benutzen, bei dem auch kommerzielle Anbieter teilnehmen? Am 4. Dezember 1980 wird im Landtag von Mainz von der damals CDU-geführten Landesregierung ein Gesetz erlassen, das erstmals in der Rundfunkgeschichte Deutschlands privaten Programmveranstaltern eine eigenverantwortliche Betätigung ermöglicht. Damit war Rheinland-Pfalz das erste Bundesland, das sich ausdrücklich für ein Kabelprojekt mit privaten Anbietern aussprach. Folglich rückte von den vier vorgesehenen Testgebieten das rheinland-pfälzische Ludwigshafen in den Mittelpunkt der Planungen. Doch es folgten noch einige Stolpersteine.