Wenn man Peter Nadermann mit einem Schatzsucher vergleicht, kommt man der Wahrheit ziemlich nah. Die Schätze, das sind in seinem Fall herausragende, fesselnde Fernsehserien - und der Mann, der "Kommissarin Lund" oder "Die Brücke" ins deutsche TV geholt hat, wird häufiger fündig als viele andere Suchende. Jüngst hat er bei seinen langjährigen Partnern von Danmarks Radio "The Legacy" entdeckt und mit seiner Kölner Firma Nadcon Film die TV- und Home-Entertainment-Rechte an dem Familiendrama für Deutschland, Frankreich, Österreich und die Schweiz gekauft.

"Für mich ist 'The Legacy' die beste und aufregendste Dramaserie seit langem", sagt Nadermann im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Mir geht es dabei nicht nur darum, das Programm zu verkaufen, sondern auch darum, mehr attraktive Dramaserien nach Deutschland zu bringen und für sie gute Sendeplätze zu finden."



Was Nadermann an "The Legacy" mag: Die Serie, die in Dänemark bis zu 68 Prozent Marktanteil erreichte, kommt ganz ohne Leiche oder Ermittler aus. Im Mittelpunkt steht der Streit ums Erbe der Künstlerin Veronika Grønnegaard, die ihr Haus einer unehelichen Tochter hinterlässt. Zwischen Veronikas vier Kindern beginnt daraufhin ein Erbschaftskrieg, der dunkle Geheimnisse ans Tageslicht befördert.

Dass es nicht leicht wird, der Serie auch hierzulande zu dem Erfolg zu verhelfen, den sie zweifellos verdient hat, weiß Nadermann genau. Er könnte es sich viel leichter machen und beim erprobten Erfolgsmodell der skandinavischen Krimiserie bleiben, das er als langjähriger Koproduktionsspezialist bei ZDF Enterprises und Network Movie selbst maßgeblich mitbegründet hat. Doch stattdessen geht er nach seinem eigenen Geschmack, setzt auf Vielfalt und Anspruch, auf neue Formen und Genres, die erst einmal durchgesetzt werden müssen.

"Ich möchte beim Zuschauer lieber neue Interessen wecken als bereits vorhandene befriedigen", sagt Nadermann. Mit so einer Einstellung hat man es im deutschen Mainstream-Fernsehen - vorsichtig formuliert - nicht gerade bequem. Aber Nadermann hat Erfahrung darin, außergewöhnliche Stoffe zu entdecken und an geeigneter Stelle im TV-System unterzubringen. So wurde an seiner früheren Wirkungsstätte der Sonntagabend 22 Uhr im ZDF zum begehrten Stammplatz für koproduzierte Krimis. Ganz zu Beginn half es sicher, dass neben seinem Bauchgefühl auch Henning Mankells Bestseller-Romane für die Verfilmung düsterer schwedischer Krimis sprachen.

Es ist jetzt anderthalb Jahre her, dass Nadermann die Welt der öffentlich-rechtlichen Töchter ein bisschen zu eng wurde und er gemeinsam mit der Constantin Film AG die Produktionsfirma Nadcon Film gegründet hat. Constantin hält 51 Prozent der Anteile, Nadermann 49 Prozent. "In der jetzigen Konstellation kann ich mehr Output bewältigen und eine breitere Fläche bespielen. Über die Jahre musste ich zu viel gutes Programm ablehnen, weil ich einfach nicht alles beim ZDF unterbringen konnte." Für Produzenten und Sender aus Schweden und Dänemark ist Nadermann nach so vielen gemeinsamen Projekten der erste Ansprechpartner auf dem wichtigen deutschen Markt.

Doch unter seinem neuen Dach hält der notorische Vielleser Nadermann auch nach anderen Regionen Ausschau. So hat er die Film- und TV-Rechte an dem spanischen Krimi-Bestseller "Das Echo dunkler Tage" von Dolores Redondo erworben, der mit zwei weiteren, noch nicht erschienenen Romanen zur Trilogie werden soll. Die Mordfälle, die Inspectora Amaia Salazar aufklären muss, spielen im Baskenland und haben eine starke mystische Komponente. Über die Verfilmung spricht der Nadcon-Chef derzeit mit mehreren internationalen Partnern. Ebenso hat er sich das "Havanna-Quartett" des kubanischen Krimi-Autors Leonardo Padura gesichert. Gemeinsam mit einem spanischen Kollegen hält er die Rechte an dem historischen Roman "Die Kathedrale des Meeres" von Ildefonso Falcones, der im mittelalterlichen Barcelona spielt und zum großen Event-Mehrteiler werden soll.

"Eine internationale Koproduktion funktioniert prima, wenn man das inhaltliche Einverständnis aller Partner hat", schildert Nadermann seine Erfahrung. "Wenn man das nicht hat, kann sie die reinste Hölle werden." Bei den erfolgreichen skandinavisch-deutschen Koproduktionen wie "Kommissarin Lund", "Die Brücke", "Nordlicht" oder der Stieg-Larsson-Trilogie tat die deutsche Seite - vertreten durch Nadermann - stets gut daran, die klare kreative Vision der Macher zu unterstützen und nicht durch unnötige Buch- oder Besetzungswünsche zu verwässern. So entstanden Ergebnisse, die das deutsche TV allein niemals zustande gebracht hätte.

"Der deutsche TV-Markt meidet Koproduktionen. Das führt dazu, dass die Kosten für Fiktion außergewöhnlich hoch sind, ohne dass dabei viele herausragende Produktionen entstehen können"

Peter Nadermann, Nadcon Film


Nadermann wünscht sich mehr davon und plädiert leidenschaftlich für die internationale Zusammenarbeit: "Der deutsche Fernsehmarkt neigt dazu, seine Produktionen fast ausschließlich selbst zu finanzieren, und meidet Koproduktionen. Das führt dazu, dass die Kosten für Fiktion außergewöhnlich hoch sind, ohne dass dabei viele herausragende Produktionen entstehen können. Es wäre wesentlich wirtschaftlicher, wenn man mehr koproduzieren würde, um dann den so entstehenden Mehrwert in besser ausgestattete eigene Produktionen zu investieren."

Neben den neuen Stoffentwicklungen und Lizenzkäufen bei Nadcon Film betreut Nadermann als Produzent auch weiterhin ein laufendes Projekt aus seiner ZDF-Enterprises-Zeit: die europäische Polizeiserie "The Team", die er gemeinsam mit Peter Thorsboe und Mai Brostrøm, den dänischen Autoren von "Der Adler" und "Protectors", entwickelt hat. Beteiligt sind Produzenten und Sender aus acht Ländern, das Budget liegt bei rund 1,3 Millionen Euro pro Stunde. Erzählt werden die Fälle einer grenzübergreifenden Einheit aus Forensikern, Profilern, Rechts- und IT-Experten (in den Hauptrollen u.a. Jasmin Gerat und Lars Mikkelsen) im Kampf gegen die internationale Kriminalität. Die Dreharbeiten laufen derzeit quer durch Europa, die Ausstrahlung im ZDF ist für 2015 geplant.