Marc Conrad schreibt für DWDL.de über seine Gedanken zu der Frage "Wo bleibt das deutsche Serien-Schlaraffenland?"

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Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum es neue Serien im deutschen Fernsehen, unabhängig ob bei großen oder kleineren Sendern, in diesen Jahren schwer haben. Ich möchte nur zwei hervorheben, die mir gewichtig erscheinen. Zum ersten: In anderen Ländern müssen Sender innovativ sein, um eine Zukunft zu haben, und zum zweiten: Durch die Produktion auf Englisch haben viele einen weltweiten Absatzmarkt, der für deutsche Serien nur in Ausnahmefällen ertragreich ist.

Nun kann man dagegenhalten, dass gerade kleinere Länder wie Dänemark, die Skandinavier oder die Niederländer auch in ihrer eigenen Sprache produzieren und ihre Formate international als Remake gedreht werden - hier greift wieder der erste Grund: Die Konkurrenz auf den heimischen Märkten ist so groß, dass sie gezwungen sind, sich mit innovativen Stoffen zu unterscheiden, auch von den amerikanischen Abo-Anbietern wie Netflix, die in Skandinavien in kürzester Zeit erhebliche Marktanteile erobert haben.



Ein Ausweg könnten internationale Koproduktionen sein, diese werden aber in der Regel auf Englisch gedreht, und in der heimischen Primetime laufen am erfolgreichsten Serien mit deutschen TV-Stars. Die Koproduktionen werden also nach 22 Uhr in einer synchronisierten Fassung gezeigt, was sie weniger attraktiv für die Sender macht, und entsprechend geringer fallen im Vergleich zu den Primetime-Serien die Lizenzpreise aus.

Die Norweger sind gerade in der Endfertigung einer der spannendsten Mini-Serien der letzten Jahre über den deutschen Atomforscher Werner Heisenberg („The battle for heavy water“). Trotz eines hohen Production Values und herausragender Drehbücher war es ihnen bisher nicht möglich, einen deutschen Koproduzenten zu finden. Der deutsche Markt wird auch weiterhin durch die Sprache geschützt, denn statt die Serien auf Englisch zu verfolgen, was für ein breites Publikum keine Option bedeutet, werden englische oder italienische Stoffe vor Ort mit einem rein deutschen Ensemble verfilmt. Das ist das Gegenteil einer internationalen Koproduktion.

Es gibt aber keinen Grund zur Panik. Neben dem kleinen, aber wachsenden Markt von internationalen Koproduktionen werden die neuen Serien sich in Deutschland anders entwickeln: weniger international, aber dafür in Deutschland über unterschiedliche Vertriebskanäle hinweg, was die Kosten rechtfertigt. Multimedial, in Verbindung mit einem Sender und einem Publisher, werden neue Marken aufgebaut, die in erster Linie in Deutschland ein Publikum finden und plattformübergreifend konzipiert werden: von der Online-Web-Serie eines Publishers, danach als TV-Ausstrahlung, weiter dann auf anderen Medienplattformen wie VoD und DVD, bis hin zu einem Kinofilm, einem TV-Movie, einem Theaterstück und einem Musical.

Im Vertrieb zeichnen sich diese Serien durch ein umfassendes, organisches und integratives Kommunikationskonzept aus. So wie bisher geschickte Programmplanung und Marketing maßgeblich mitentscheidend für den Erfolg einer Serie waren, werden dies in Zukunft Social Marketing und Webmarketing ergänzend sein. Das 'Lagerfeuer', wie langlaufende Serien früher im Sender bezeichnet wurden, behält seine Rolle, strahlt sogar noch heller als bisher. Eine erste Serie dieser Art, welche in Deutschland entwickelt wird, ist die Adaption von "Una Mamma Imperfetta", einer Serie vom "Corriere della Sera", welche die RAI übernommen hat. Auf der MIP hat ABC die Rechte für Nordamerika erworben. Dies ist für eine italienische Webserie bereits ein großartiger Erfolg und zeigt die Bandbreite einer modernen innovativen Produktionsfirma auf: von der Webserie bis zum italienischen Oscar-Favoriten "La Grande Bellezza".