Die vielleicht wichtigste Erkenntnis des Gesprächs in der „Debate Hall“ der dmexco kam am Ende durch eine eigentlich schnell durch Google-Suche zu klärende Frage aus dem Publikum. Ob man noch einmal erklären könne, ob Anke Schäferkordt jetzt eigentlich noch RTL-Chefin ist oder nicht. Das habe er nicht ganz verstanden, gibt ein Besucher zu. Die kurze Begebenheit fasst die Situation der RTL Group, vielleicht sogar des Fernsehens gut zusammen. Mögen sich zwar Fernsehkonzerne geschäftlich und ihre Vorstandsvorsitzenden persönlich bei der Digital-Messe Dmexco engagieren, so sind sie hier nicht die dominierenden Marktteilnehmer. Nur einer von vielen, so dass man nicht wissen muss, wer Anke Schäferkordt ist.



Es mag scharf klingen, aber hat nun einmal viel Wahres drin: Die RTL Group braucht, wie andere TV-Konzerne, eine erfolgreiche Digitalisierung des Geschäftsmodells. Die Digitalwirtschaft wiederum jedoch braucht die RTL Group und Wettbewerber nicht. Gemessen an dieser Ausgangssituation hat Schäferkordt einen souveränen Auftritt auf ungewohntem Terrain hingelegt und weitgehend jeden Versuch von Roland Tichy abgewehrt, sie in die Defensivhaltung zu bringen. Stattdessen gab es schnelle Konter. Das Szenario der Fragmentierung und die damit verbundenen sinkenden Reichweiten der großen Fernsehsender hat Schäferkordt als eine der ersten im TV-Markt schon vor Jahren offen benannt.

Bei der Dmexco schönt sie diese Erkenntnis auch nicht: „Die großen Sender - die großen fünf - werden in Summe, das ist eine Tendenz die wir seit zwei drei Jahren beobachten, weiter Marktanteile abgeben“, erklärt die Chefin der RTL Group. „Es wird immer schwieriger einen, wie auch immer gearteten, Mainstream zu generieren.“ Umso wertvoller aber, und schon dreht sich die Betrachtung, seien deshalb die großen Reichweiten, die man noch erreichen könne. Wenn Fernsehen es also schafft innerhalb von ein oder zwei Stunden bis zu zehn Millionen Menschen zu erreichen, dann sei das gerade in der fragmentierten Medienwelt noch kostbarer (und kostspieliger, für die Werbekunden).

In der inhaltlichen Debatte lenkte Schäferkordt das Augenmerk darauf, dass im Netz in den meisten Fällen nur Shortform Video entsteht. Dieses „mittlere Segment“, wie die RTL Group-Chefin es nennt, habe sich massiv professionalisiert. Genau deswegen habe man in diesem Bereich viel investiert - in den USA allerdings. „Wir sehen uns als Bewegtbild-Anbieter auf allen Plattformen und Bildschirmen“, erklärt die Fernsehmacherin und ergänzt: “Online-Video ist der größte Wachstumsbereich in unserer Gruppe.“ Im Nachsatz dann kommt die Auskunft: „Der Umsatz wird eher folgen.” Eine bemerkenswerte, weil ungewöhnliche Position für die RTL Group und Schäferkordt.

Beim Thema SVoD allerdings, das in diesen Tagen durch den Deutschland-Start von Netflix hohe Aufmerksamkeit genießt, hält sich die RTL Group zumindest im deutschen Markt schließlich sehr zurück. Ja, so Schäferkordt, es gebe „leichte Verschiebung in Richtung non-linearer Nutzung bei jungen Zuschauern, insbesondere bei den jungen Männern“. Doch wie schon im DWDL.de-Interview im vergangenen November betonte sie auch diesmal: Das Geschäftsmodell müsse sich erst beweisen. Ambitionen in diesem Segment hege RTL in Deutschland derzeit nicht. Ohnehin seien die derzeitigen SVoD-Portale „überwiegend mit US-Serien und -Filmen bestückt und meist nicht in Erstausstrahlung“.

Am Ende sei es ein Wettbewerb der Inhalte und da betonte Schäferkordt in Köln noch einmal: „Die Abhängigkeit vom US-Markt ist bei uns nicht so groß wie bei manchem Wettbewerber.“ In einem immer internationaleren Medienmarkt wolle man mit mehr Eigenproduktionen punkten. Dass deutschen Fernsehkonzernen durch die in Deutschland allein auf Rundfunk konzentrierte Medienregulierung dabei Steine in den Weg gelegt werden, wiederholte die RTL-Chefin bei der Gelegenheit auch noch einmal. Bedauerlich ist jedenfalls, dass die RTL Group bei Digital-Investments den Blick allein Richtung USA richtet. Die Börse begrüßte diese Wachstumsperspektiven. Es ist ein Spagat: Sich einerseits in Europa mit Lokalem abheben zu wollen und gleichzeitig in den USA auf den Digitalzug aufzuspringen.