Klaas Heufer-Umlauf© Medientage
Oft genug wird, auch von uns, über die alljährlichen Branchengipfel mit den immer gleichen Köpfen und Themen gelästert. In diesem Jahr liefern die Medientage München jedoch erfrischenderweise einen ungewohnt optimistischen Blick auf die TV-Zukunft. Die positive Grundstimmung setzte schon zum Auftakt Klaas Heufer-Umlauf mit der erfrischenden Moderation des Fernsehgipfels, der in diesem Jahr die klassische Elefantenrunde abgelöst hat. Von der immer noch starken Wirkung des linearen Fernsehens bis zur neuen Faszination von Video-on-Demand wird dem Bewegtbild anders als in den Vorjahren keine Krise mehr attestiert. Die neue Lust am Erzählen von Geschichten hat daran einen nicht unerheblichen Anteil. Auf mehreren Panels formulierten Fernsehmacher und -macherinnen in München ihren Blick auf den Status Quo und die Zukunft des Fernsehens.

Bettina Reitz© Medientage
Das freut Bettina Reitz, Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks und langjährige Produktion von Fernsehfilmen. Doch in der Begeisterung über das neue goldenene Zeitalter des Fernsehens, meist festgemacht am Boom der komplexen TV-Serien, mischt sich für sie eine Sorge. „Wohin geht die Zukunft des klassischen Fernsehfilm? Es wird immer schwerer Einzelstücke zum Gesprächsgegenstand zu machen. Da sind Serien einfacher.“ Ein Problem, dass der Fernsehfilm mit dem Kino teile. Doch während die großen Hollywood-Studios im Kino zunehmend auf sichere Blockbuster gehen, will Reitz die Bandbreite des deutschen Fernsehfilms bewahren. In keinem Fernsehmarkt der Welt entsteht so eine Vielfalt an Produktionen, die auch international gefragt sind, wie die MIPCOM in Cannes gerade erst wieder bewiesen hat.

Neue Nutzungsformen: Zwischen Chance und Gefahr

Neben inhaltlichen Herausforderungen benennt Reitz in München auch deutlich die veränderten Nutzungssituationen. „Immer mehr Menschen wollen Entscheidungshoheit wann und was sie gucken“, sagt die BR-Fernsehdirektorin und beklagt, dass starke Beschränkungen für ARD und ZDF es schwierig machen, diesen Gewohnheiten gerecht zu werden. Insbesonders bei eingekauften Lizenz-Programmen, die die Öffentlich-Rechtlichen online gar nicht anbieten dürften. Dabei sei die non-lineare Option eine auch für sie persönlich wichtige. Sie könne immer seltener selber einrichten, sich nach Sendezeiten im linearen Fernsehen zu richten, bekennt die Fernsehmacherin ehrlich und offen. Deswegen steige abseits des Fiktionalen wiederum auch die Bedeutung von Live-Fernsehen.

Katharina Behrends© DWDL.de
An eine vielversprechende Zukunft für lineares Fernsehen glaubt auch Universal Networks-Chefin Katharina Behrends. Sie preist bei den Medientagen München neue Verbreitungsmöglichkeiten für lineare Sender im Netz an und meint ganz konkret ihre kürzlich kommunizierte Partnerschaft mit Magine. Über den aus Schweden kommenden Anbieter von linearem TV im Netz sind seit einigen Wochen kostenpflichtig auch Sender von Universal Networks zu empfangen. Es ist eine familiäre Partnerschaft: Geschäftsführerin von Magine TV in Deutschland ist ihre Schwester Frederike Behrends. Konkurrenz durch Multi-Channel-Networks auf YouTube sieht sie nicht: Man biete völlig unterschiedliche Inhalte. Zwischen einer Hollywood-Serie und YouTube-Channels gebe es schon vom Production Value her große Unterschiede. Beide Märkte würden ja erfreulicherweise gut funktionieren.

Lineares Fernsehen ist noch immer der Massenmarkt

Ute Biernat© Medientage
Eine bekennende Couchpotatoe ist Ute Biernat, Geschäftsführerin von UFA Show & Factual. Die Produzentin erkennt zwar die neuen Nutzungsformen, erinnert jedoch vehement daran, dass die Mehrheit des Publikums nicht so progressiv ist wie die Medienmacher es aus ihrem eigenen Umfeld wahrnehmen und sie als Produzentin von TV-Unterhaltung ("Supertalent", "DSDS") Fernsehen für ein möglichst großes Publikum mache. Und das säße abends durchaus auf dem Sofa. Die Frage nach der Zukunft der non-fiktionalen TV-Unterhaltung ist für sie keine Frage der Formate sondern eine Frage der Themen. Interviewt von RTL-Moderator Wolfram Kons plauderte sie über die aus ihrer Sicht spannenden Themen für das Unterhaltungsfernsehen.

So sei das Thema Reisen aus Sicht von Biernat unterrepräsentiert im Fernsehen. Nie wurde mehr und günstiger gereist als heute und Unterhaltungsfernsehen sei ein schönes Vehikel um andere Länder und Kulturen vorzustellen. Die Volksmusik würde sie gerne revolutionieren: Die Präsentation dieses musikalischen Genres sei immer noch sehr altbacken, doch die Musik nun einmal sehr tief verwurzelt in der deutschen Kultur. Und die Faszination des Rennfahrens, vom Profisport bis zum Amateur-Vergnügen sieht Biernat auch als spannenden Gegenstand für TV-Unterhaltung. Der  Qualitätsdebatte im deutschen Fernsehen begegnet die Kölner Produzentin pragmatisch: Das Publikum entscheide mit der Fernbedienung, was ihm gefällt. Sie habe lieber eine Million Zuschauer mehr für ihre Sendungen als einen Grimme-Preis.

Freiräume für Kreativität müssen honoriert werden

Christiane Ruff© Medientage
Zurück zum Trendthema Serie. Auf einem weiteren Panel der Medientage München freute sich Christiane Ruff, lange Jahre Geschäftsführerin von Sony Pictures Fernsehproduktion in Deutschland und seit diesem Sommer neue Chefin bei ITV Studios Germany, über die neue Lust auf anspruchsvolle TV-Fiction, bleibt aber skeptisch ob die Euphorie für Prestige-Projekte bei den Fernsehsendern auch dann noch erhalten bleibt, wenn die erste Produktion die hohen Erwartungen nicht erfüllt. Für einen nachhaltigen Erfolg der neuen deutschen Serienwelle müsse man auf der kreativen Seite die Voraussetzungen schaffen, wie in den USA Writer Rooms aufzubauen.

Gale Ann Hurd© Medientage
Sony Pictures habe sich das früher beim Sitcom-Boom geleistet - und damit draufgezahlt. Weil damals aber alle Rechte an den Produktionen bei Sony Pictures geblieben sind, habe man dann darüber Gewinn erwirtschaftet. Sie appelliert an die Sender, die Notwendigkeit eines kreativen Umfelds zu erkennen und wirtschaftlich zu fördern. Gale Ann Hurd, Executive Producer der derzeit erfolgreichsten US-Serie „The Walking Dead“, pflichtete ihr da bei den Medientagen München energisch bei. Einmal mehr zeigte sich dabei, wie verblüfft amerikanische Fernsehmacher auf deutsche Produktionsumstände reagieren.