Fast eine Woche darbt die aktuelle Dschungel-Besetzung jetzt schon bei Reis und Bohnen im australischen Regenwald. Doch es ist Besserung in Sicht: Wie im vergangenen Jahr hat der Kekshersteller Bahlsen auch diesmal ein Product Placement seines Pick-Up-Riegels gebucht, mit dem die zuckerentwöhnten Promis zuletzt für erfolgreich absolvierte Schatzsuchen belohnt wurden.

Im Oktober hat RTL deswegen Post von der Medienaufsicht bekommen (DWDL.de berichtete). Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten beanstandete die Platzierung, weil "die Grenze einer starken Hervorhebung des Produktes (...) überschritten" worden sei. Es ist das erste Mal, dass die Aufseher ein Placement in dieser Form rügen. Erlaubt ist die Platzierung von Produkten im laufenden Programm seit Inkrafttreten des Rundfunkstaatsvertrags 2010 – unter der Voraussetzung, dass es die Sender nicht übertreiben.

Genau das soll laut ZAK im Dschungel aber passiert sein. Im Bescheid der zuständigen Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) heißt es unter anderem, in der Kekssequenz sei "kein angemessener Ausgleich zwischen werblichen und redaktionellen Belangen gewahrt [worden], sondern der Werbezweck dominierte das Sendungsgeschehen". Konkret begründet die NLM das damit, dass das Produkt "mehrfach visuell in Szene gesetzt und zum Teil auch herangezoomt" wurde, dass der Riegel "durch die Protagonisten mehrfach thematisiert, ausschließlich positiv beschrieben" und "durch Bildbearbeitung nachträglich und zusätzlich herausgestellt" wurde sowie dass die Keksszenen "mit Musik untermalt" und "mit parasprachlichen Lauten ('Stöhnen') unterlegt [wurden], die den Genuss ausdrückten". Die Kandidaten hätten ihre Riegel "genüsslich und langsam" verzehrt. Teilnehmerin Gabby sagte: "Es hat wirklich alles. Karamell, Schokolade und Keks. Was will man mehr?"

Product Placement bei Ich bin ein Star 2014© RTL

Damit sei das Produkt "zu stark herausgestellt" worden. So lautet die Verbotsformulierung im Rundfunkstaatsvertrag, der auch vorschreibt, dass die redaktionelle Unabhängigkeit unbeeinträchtigt bleiben müsse.

Genau das sei auch der Fall gewesen, erklärt RTL auf Anfrage und hat Anfechtungsklage beim VG Hannover eingereicht. Die Beanstandung sei daher nicht bestandskräftig geworden. Der Sender sieht keinen Grund, von der bisherigen Praxis abzuweichen: "Auch in diesem Jahr werden wir die Campbewohner mit 'Pick Up' belohnen und dem Zuschauer dabei selbstverständlich auch nicht die Reaktionen auf diese 'Belohnung' vorenthalten." Die dabei geäußerten Reaktionen seien "bekanntermaßen ein Kernelement des Formats".

Product Placement bei Ich bin ein Star 2014© RTL

Dass der Keksriegel in der Sendung sehr gut wegkommt, lässt sich dabei kaum bestreiten. Es ist eben Werbung. Umarmungen, Jubelschreie und Begeisterungsbekundungen werden ebenso gezeigt wie die gelb-rot-blaue Verpackung des Produkts. Wenn das "zu stark herausgestellt" ist, stellt sich jedoch die Frage, warum die Medienwächter nicht schon früher eingegriffen haben. Schließlich praktizierte RTL das Placement mit exakt dem gleichen Produkt bereits 2012 und 2013. Die Darstellung unterschied sich im Vergleich zum vergangenen Jahr kaum.

Product Placement bei Ich bin ein Star 2013© RTL

2013 war der Keksriegel sogar deutlich länger und öfter im Bild, weil er während der Schatzsuche in einer gläsernen Box steckte, sodass die Kandidaten bereits wussten, welche Belohnung auf sie warten würde. Olivia Jones rief: "Ist doch geil! Es gibt Schokolade heute Abend! Endlich was Süßes!" Ihr Mitbewerberin Fiona war begeistert: "Schokoladeee! Im Dschungel!" Nach Verteilung der Riegel im Camp kannte die Begeisterung keine Grenzen. "Ich bin echt so'n Süßmaul. Ich liebe Schokolade! Ich liebe alles, was süß ist! Und klebrig. Und zuckrig. Ich steh da total drauf. Hat mich schon gut umgehauen, das Zeug. War geil", erklärte Fiona. Georgina wurde beim Kauen gezeigt, Olivia beim Beißen, Joey beim Mümmeln, dazwischen der Riegel in Großaufnahme. "Das war der Hammer! Ich hab das in den Mund genommen und dacht', mir explodiert die Fresse", bilanzierte Joey. "Das war unglaublich. Ich hab reingebissen und – ich hab noch nie an der Schokolade so dran genuckelt."

Product Placement bei Ich bin ein Star 2012© RTL

Im Jahr zuvor kam die spätere Dschungelkönigin Brigitte Nielsen nach Entdeckung des Riegels ins Schwärmen: "Oh my God! Das ist sooo lieb! Das ist Wahnsinn! Das essen wir jetzt! Oh mein Gooott!" Vincent wurde beim Kauen gezeigt, Jessy beim Beißen, Rocco beim Schmatzen. Kim konnte sich kaum halten: "Ey Leute, ich kletter gleich auf den Baum! Das war einfach – hach, es war einfach ein unbeschreibliches Gefühl. Keiner kann sich vorstellen, wie es war. Also: Ich war traurig als es dann weg war." Brigitte führte einen spontanen Schokoladentanz ums Lagerfeuer auf. Ailton verteilte High-Fives. Micaela sagte strahlend: "Das war echt wie 'ne Droge. Das hat auch die Laune sofort gehoben. Ich bin auch die ganze Zeit grinsend rumgelaufen. Das war wirklich ganz, ganz toll."

Product Placement bei Ich bin ein Star 2012© RTL

Anders gesagt: Die Medienwächter beanstandeten eine Praxis, die ihnen in den beiden Jahren zuvor offensichtlich in Ordnung schien, obwohl sie, wendet man dieselben Kriterien an, genau so beanstandungswürdig – oder genau so nicht-beanstandungswürdig – gewesen wäre. Der ZAK-Vorsitzende Jürgen Brautmeier widerspricht: "Der Riegel wurde [2014] viel intensiver, z.B. durch Zoom, farbliche Hervorhebung, vielfache Namensnennung und Musikuntermalung in Szene gesetzt. Der verstärkte Einsatz dieser Stilmittel führte zu einem merklichen Bruch in der Handlung (...)." Veranstalter versuchten häufig, Grenzen auszutesten. "Irgendwann sind diese dann überschritten, in diesem Fall deutlich", meint Brautmeier.

Mag sein, dass die Begeisterung in der letztjährigen Staffel besonders wortreich artikuliert worden ist; dafür dauerte die Sequenz in den Jahren zuvor länger als 2014 (als sie nicht "mehrminütig" war, wie die NLM schreibt, sondern 96 Sekunden).

Dass die Sender im Programm mit Placements experimentieren, braucht man als Zuschauer nicht gut finden – es ist aber inzwischen nunmal erlaubt. (RTL hat angekündigt, mit der Burgerkette McDonald's einen weiteren Partner für eine Produktplatzierung im Camp gewonnen zu haben.) Konkrete Spielregeln gibt es jedoch weder vom Gesetzgeber noch von den Landesmedienanstalten. "Ob ein Produkt zu stark herausgestellt wird, ist im Einzelfall anhand von Indizien (z.B. Art, Dauer und Intensität der Darstellung) festzustellen", heißt es in den Werberichtlinien der Medienwächter lapidar (pdf).

Die entscheiden offensichtlich nach Bauchgefühl, wann es zuviel des Guten ist. Nachvollziehen lässt sich das für Außenstehende nicht. Aber es passt zum schwammigen deutschen Medienrecht. Künftig entscheiden dann halt wieder Gerichte, wann ein Keksriegel im Programm sich zu verkrümeln hat.

Mehr zum Thema