Es ist das Jahr 1 nach "Wetten, dass..?" - und nicht nur das ZDF tut sich erkennbar schwer damit, eine Show zu finden, die nochmal ein so großes Millionenpublikum vor dem Fernseher versammelt. Thorsten Haas, stellvertretender Show-Chef des ZDF, räumte angesichts dessen beim Show-Gipfel von HMR und Brainpool in Köln auch ein, dass dem ZDF schon etwas abgeht. "Mir fehlt der Moment des kollektiven Erlebens", so Haas. "Wir suchen alle nach dem großen Ding - aber so eine Marke in der Größe von Wetten, dass..?', das generationenübergreifend die Leute vor den Fernseher lockte, noch einmal hinzubekommen, ist unrealistisch."

Unrealistisch scheint wohl auch, den nächsten ganz großen Hit auf der anstehenden Fernsehmesse MIPTV in Cannes zu finden. Sat.1-Unterhaltungschef Taco Ketelaar zeigt sich jedenfalls schonmal im Vorfeld eher ernüchtert. "Wenn ich auf das Angebot blicke, dann sage ich nicht 'Juppie Juppie, da ist das große Ding dabei'. Es gibt viel Kreatives, aber nicht den Breakout-Hit für die Primetime." Die Konsequenz, die er daraus zieht: "Wir müssen mehr selbst entwickeln, aktuell sind wir zu abhängig von dem, was uns Produzenten vorschlagen". Ähnliches ist auch von Markus Küttner von RTL zu vernehmen: "Wir beobachten natürlich den Formatmarkt, aber wir müssen stärker selbst entwickeln, als wir das in den letzten Jahren gemacht haben."

Doch wenn es so schwer ist, diesen neuen großen Show-Hit zu finden - vielleicht sollte man ihn dann auch gar nicht zu verkrampft suchen. Oliver Fuchs, einst ZDF-Unterhaltungschef und nun Geschäftsführer von Bavaria Entertainment, hat einen durchaus bemerkenswerten Vorschlag für eine Firma, die sich gerade wieder verstärkt im Show-Bereich positionieren will: "Vielleicht macht es derzeit einfach Sinn, die Primetime häufiger fiktional zu bespielen und dafür Shows auf den Sendeplätzen zu zeigen, auf denen mehr Platz ist für Freches und Kreatives." Man könne natürlich einfach immer das nächste Quiz machen, das wieder 13 Prozent Marktanteil hole - aber das sei ja kein Muss. Aufgeben will er die Primetime für das Genre Show aber natürlich nicht: Wenn dann Show-Idee mit Hit-Potential vor der Tür stehe, müssten auch die Sendeplätze wieder frei gemacht werden.

Auch wenn Marcus Wolter als Chef von Endemol Shine Deutschland energisch dem Eindruck entgegentreten wollte, dass die Show-Branche in einer Krise sei: Allzu weit entfernt war er mit seinen Aussagen von Oliver Fuchs gar nicht. "Die Familienshow um 20:15 Uhr trifft doch nicht mehr die Lebenswirklichkeit", so Wolter. "Meine Kinder würden mir den Vogel zeigen, wenn ich sagen würde: Bademantel an, wir schauen jetzt alle zusammen um 20:15 Uhr Fernsehen." Stattdessen gehe es darum, die Zielgruppen genau zu bedienen - eben mit unterschiedlichen Formaten und auf unterschiedlichen Wegen. Von "Wer wird Millionär" für die Eltern über "Joko gegen Klaas" für die Jüngeren bis zu YouTube-Channels für Jugendliche. "Aufs nächste große Ding zu warten, bringt nichts." Irgendwann werde aber auch wieder eine Show kommen, die sieben Millionen Zuschauer oder mehr vor den Bildschirm locken könne.

Brainpool-Geschäftsführer Ralf Günther plädierte dafür, weniger darauf zu schauen, was bislang erfolgreich lief und neuen Talenten eine Chance zu geben. "Wir dürfen die neue Kreativität nicht ersticken, sondern müssen mit neuen Leuten den Weg wieder neu beschreiten", so Günther, der auf Formate mit Luke Mockridge und Carolin Kebekus verwies. Bei RTL fährt man da gerade bekanntlich eine andere Taktik: Ehemalige Dschungelstars werden im Sommer zu sehen sein - wenn auch nicht in einem zweiten Dschungelcamp, geplant ist zudem eine weitere Tanzshow mit dem gleichen Personal wie bei "Let's dance". Küttner verteidigte diesen Weg und die Tatsache, dass größere Sender sich schwer tun mit dem viel gelobten Nachwuchs: "Ich hätte auch gerne ein Drittes Programm, in dem ich mit solchen Künstlern [wie Carolin Kebekus] arbeiten kann. Aber mit der Show 'Pussyterror', wie sie im WDR lief, wär's bei RTL ziemlich sicher eng geworden." Auch Luke Mockridge schreibe ja nicht unbedingt eine große Erfolgsgeschichte bei Sat.1. Mit Jan Böhmermann habe man ja zudem auch schon Formate umgesetzt. Küttner fasst die Zwickmühle, in der große Sender stecken, so zusammen: "Mit Jan Böhmermann kriegst du Preise, aber die Quoten waren für RTL-Verhältnisse verheerend."