Das Pay-TV boomt. Dieses Signal sollte ausgehen vom Pressegespräch, das der Privatsender-Verband VPRT am Mittwoch in München veranstaltete. Tatsächlich geht es den Bezahlsendern auf dem deutschen Markt nach langer, beinahe nicht enden wollender Durststrecke derzeit gut: Seit einigen Jahren schon zeigt der Trend nun schon nach oben. Und das wollten sich Sky, Vodafone und all die Senderbetreiber, die an diesem sonnigen Mittag ans südliche Ende des Englischen Gartens gekommen waren, auch nicht dadurch nehmen lassen, dass der durchschnittliche Umsatz pro Kunde zuletzt etwas rückläufig war und das Wachstum in diesem Jahr nicht mehr ganz so schnell vonstatten gehen soll wie das zuletzt der Fall gewesen ist. Also freute sich Katharina Behrends, Geschäftsführerin NBCUniversal International Networks Deutschland, darüber, dass Deutschland neben Lateinamerika und Asien derzeit der wichtigste Wachstumsmarkt ihres Unternehmens sei.

Das liege auch daran, dass die Relevanz der Sender deutlich gestiegen sei. Dass man mit 13th Street und Syfy inzwischen zusammengerechnet Marktanteile von mehr als einem Prozent erziele und damit auf Augenhöhe mit manch frei-empfangbarem Sender liege, bezeichnete Behrends als "unglaublich ermutigend". Grund zur Sorge scheint angesichts der jüngsten Zahlen, die der VPRT vorstellte, tatsächlich nicht zu bestehen: So wurden in Deutschland rund 7 Millionen Abonnenten gezählt und die durchschnittliche monatliche Pay-TV-Reichweite der von der AGF lizenzierten Pay-TV-Sender lag im ersten Halbjahr 2015 bei 11,6 Millionen Zuschauern gegenüber rund zehn Millionen im Vorjahreszeitraum. In Pay-TV-Haushalten brachten es die Bezahlsender bereits auf einen beachtlichen Marktanteil von 16,8 Prozent. Und auch wenn man alle Haushalte betrachtet, nahm das Bezahlfernsehen zuletzt immerhin 2,7 Prozent vom Marktanteils-Kuchen für sich in Anspruch und damit einen halben Prozentpunkt mehr als noch vor einem Jahr.

Für 2015 prognostiziert der VPRT erstmals eine Pay-TV-Penetration von mehr als 20 Prozent der Haushalte. Hinzu kommt die wirtschaftliche Komponente, die inzwischen ebenso beachtlich ist: Nach Angaben des Verbands lagen die Pay-TV- und VoD-Umsätze in Deutschland, Österreich und der Schweiz zuletzt bei rund 2,6 Milliarden Euro – und über eine Milliarde Euro wurden laut VPRT 2014 ins Programm investiert. Am Aufschwung des klassischen Pay-TV hat also auch Netflix nichts ändern können. Noch vor einem Jahr galt der Abruf-Dienst als große Unbekannte. Viel wurde spekuliert über mögliche Umwälzungen der Branche, doch nüchtern betrachtet hat Netflix den angestammten Playern auf dem hiesigen Pay-TV-Markt keine spürbaren Schäden zugefügt. "Wir vergleichen uns nicht mit Netflix", gab sich die stellvertretende Programmchefin von Sky Deutschland, Elke Walthelm, selbstbewusst. Ganz stimmt das freilich nicht, immerhin hat Sky wenige Monate vor dem Netflix-Start noch schnell seine Online-Videothek Snap eingeführt, deren Preise bereits wenig später noch einmal drastisch gesenkt wurden.

Auch Sky Online, das den Konsum von Sky-Programmen auch ohne klassisches Abo ermöglicht, befindet sich inzwischen auf dem Markt, wenngleich bisher weitgehend unbeachtet. Dass Netflix seit seinem Start im September kaum ins Gewicht fiel, ist jedoch nicht so sehr auf Schnellschüsse wie Snap zurückzuführen, sondern in erster Linie auf gemachte Hausaufgaben. Mit 130 neuen Serien oder neuen Staffeln hat sich Sky im vorigen Jahr gut gerüstet, wie Walthelm am Mittwoch zu berichten wusste. In diesem Jahr soll nach Möglichkeit die Marke von 150 Premieren geknackt werden. Gleichzeitig nimmt On-Demand eine immer größere Rolle ein. Rund zehn Prozent ihres Publikums erreichen Serien inzwischen über die Abrufdienste Sky Go oder Sky Anytime. Den Spitzenwert markiert kurioserweise eine Netflix-Serie: Der Politthriller-Hit "House of Cards" mit Kevin Spacey verzeichnete bei Sky 80 Prozent seiner Zuschauer abseits des herkömmlichen linearen Weges – ein erstes Anzeichen dafür, wohin die Reise einmal gehen könnte.

"Die Studios freuen sich natürlich."
Hannes Heyelmann, Turner Broadcasting System

Entsprechend nachdrücklich betonte etwa Katharina Behrends von NBCUniversal, wie wichtig es sei, stets die entsprechenden On-Demand-Rechte zu besitzen. Sie äußerte zugleich die Hoffnung, dass viele Serien in Zukunft nicht mehr nur sieben Tage, sondern vielleicht gleich 30 Tage lang zum Abruf bereitstehen könnten. Florian Landgraf, Director Product Development bei Vodafone / Kabel Deutschland, hält Investitionen in zeit- und ortsunabhängige Angebote gar für überlebenswichtig. Längst geht es für deutsche Anbieter aber auch um eigene Inhalte – nicht zuletzt, um sich unabhängig zu machen vom Nachschub aus dem Ausland. Ganz zu schweigen von steigenden Preisen durch neue Wettbewerber wie Netflix. Von "überdurchschnittlichen Preisen" sprach Hannes Heyelmann, Senior Vice President und Managing Director bei Turner Broadcasting System in Zentral- und Osteuropa, und schob hinterher: "Die Studios freuen sich natürlich."

Es ist eine Beobachtung, die für Serien ebenso gilt wie für Dokumentationen. "Das ging hin und her wie ein Kuhschwanz", scherzte Patrick Hörl, Geschäftsführer von Spiegel Geschichte und Spiegel TV Wissen, in München mit Blick auf die schwankenden Rechte-Kosten des vergangenen Jahres. Auch er will daher sein Glück mehr und mehr in Eigenproduktionen suchen, wohl wissend, dass diese ihren Preis haben. "Programme sind teuer, gute Programme sind noch teurer." Sein Ziel sei es, "wenigstens die Hälfte der Inhalte aus Deutschland" zu beziehen. "Investitionen in Content sind die besten Investitionen", sagte Hörl und kündigte an, die Produktionsbudgets zweistellig erhöhen zu wollen. Turner will ebenfalls investieren: Nach "Add a Friend" will TNT Serie im Oktober mit "Weinberg" angreifen und schon in den kommenden Monaten das nächste Serien-Projekt ankündigen. Von 100 Ideen für neue Produktionen spricht Hannes Heyelmann, der neuerdings auch Vorsitzender des Arbeitskreises Pay-TV beim VPRT ist. "Wir wollen immer mehr unser Schicksal selbst in die Hand nehmen", lautete seine Kampfansage.

Gleichzeitig sind die Möglichkeiten für Sky kräftig gewachsen: Von den Sky-Kollegen in England und Italien kam zuletzt Nachschub in Form von "Fortitude" oder "1992" und im Falle von "Babylon Berlin" hofft man, noch in diesem Jahr in die Produktion einsteigen zu können – mit dem Ziel, den zahlenden Zuschauern 2016 das Ergebnis präsentieren zu können. "Wir werden unseren Fokus zukünftig noch stärker auf eigenproduzierte Inhalte richten – auch und gerade in Deutschland", so Elke Waltheim. "Um weiter zu wachsen, bedarf es überzeugender Argumente wie Qualität, Exklusivität, Einzigartigkeit und Komfort für die Zuschauer", fügte Carsten Fink von Sony Pictures Television Deutschland Networks hinzu. Mit europäischen Dramaserien, aber auch Animes will Sony hierzulande seine Pay-TV-Nische besetzen. Ein Ende des Frank Giersberg, Mitglied der VPRT-Geschäftsführung, erwartet daher auch weiterhin "eine anhaltende Dynamik" am Markt. Angesichts von inzwischen 90 Pay-TV-Programmen gibt es jedenfalls reichlich Sendeflächen, die gefüllt werden wollen.