Seit Jahren plagt die BBC bereits ein strikter Sparkurs – und nachdem die Conservatives kürzlich die Wahl für sich entschieden und ohne Koalitionspartner regieren können, brechen umso härtere Zeiten an. Denn die Conservatives und allen voran Kulturstaatssekretär Whittingdale sind kein Freund des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und haben der BBC bereits aufgebrummt, künftig selbst für die Gebührenbefreiung aufzukommen, die Menschen über 75 Jahren zugestanden wird. Für die ohnehin schon stark gebeutelte BBC, die aus Kostengründen bereits das Ende des linearen Jugendkanals BBC Three eingeleitet hat, bedeutet dies ein Verlust von rund zwanzig Prozent des Budgets.

Doch auch abgesehen davon geht es für die weltweit noch immr hoch angesehene, aber auf der Insel nicht unumstrittene BBC derzeit um nichts weniger als die Existenz. Das hängt mit der so genannten Royal Charter zusammen, die Programmauftrag, Struktur und Finanzierung der Anstalt regelt. Nun steht die Verlängerung der Ende kommenden Jahres auslaufenden Beauftragung an - dass dabei die Weichen für die nächsten zehn Jahre gestellt werden, erklärt die Unruhe, die die jüngsten Debatten in diesen Tagen bei der BBC auslösen. Im Vorfeld der Charter-Erneuerung ist BBC-Generaldirektor Tony Hall nun in die Offensive gegangen, um der Öffentlichkeit seine eigenen Pläne für eine offene BBC im Zeitalter des Internets zu präsentieren.

Das Internet wird dabei Dreh- und Angelpunkt seiner BBC der Zukunft: Den sehr populären iPlayer möchte Hall auch für Wettbewerber öffnen, um so die beliebtesten Programme und Ergebnisse britischer Kreativität auf einer Plattform zu sammeln – und um ein Signal in Richtung Netflix und Amazon zu senden, denen Hall das Internet nicht überlassen möchte. Für Kinder soll es unter dem Namen iPlay analog zu Netflix Kids künftig eine eigene Mediathek geben, damit sich Kinder fortan nicht mehr zwischen den Kindersendern CBBC und CBeeBies entscheiden müssen.

Spannend ist ein weiterer Ansatz von Open BBC: Hall möchte auch den News-Sektor völlig neu organisieren und in Zukunft mit Verlegern kooperieren. Ein Team von rund hundert Journalisten soll nach Plänen der BBC aus den Winkeln des Landes berichten und diese Berichte nicht nur der BBC übermitteln, sondern auch allen anerkannten Verlagen zur Verfügung stellen – finanziert aus dem Gebührentopf. Für Hall und die BBC ist dies ein elementarer Schritt, um die demokratischen Strukturen in Zeiten, in denen gerade schrumpfende Lokalredaktionen unter großem Druck stehen, zu sichern. Dass die BBC damit aber vor allem die eigene Stellung stärken möchte, sehen schon jetzt einige Verlegrer kritisch und bezeichnen den Vorschlag als trojanisches Pferd: Über eine Hintertür würde die BBC selbst in den lokalen Markt hinein drängen und dabei den unabhängigen (Print-)Journalismus zugrunde richten, so die Befürchtung einiger Verleger.

Auch im eigenen Haus bleibt im Nachrichtenbereich kaum ein Stein auf dem anderen. Unter dem Namen Newsstream wird an einem neuen Projekt gearbeitet, das wie kaum ein anderes unter dem Einfluss mobiler Endgeräte steht. Anstelle eines laufenden Programms sollen künftig Nachrichtenstreams in den Vordergrund rücken. Schwerpunktmäßig soll es sich dabei um Videos handeln, doch auch Texte, Radioberichte und Grafiken sollen hier einen Platz haben. Die vergangene Unterhauswahl hat Hall noch einmal darin bestätigt, bei den News künftig verstärkt auf die mobile Nutzung zu setzen, schließlich haben sich ein Fünftel der Briten am nächsten Morgen zuallererst über ihr Smartphone über den Ausgang informiert.

Und dann wäre da auch noch der World Service, dessen Finanzierung die BBC im vergangenen Jahr zusätzlich von der Regierung übernehmen musste. Gerne möchte man auch in Nordkorea senden, auch ein britischer Counterpart zu Russia Today ist für Russland angedacht. Ohne zusätzliche Hilfen der Regierung, die ein großes Interesse an der Verbreitung der britischen Sichtweisen in Vladimir Putins Reich haben dürfte, schließt Hall eine Expansion hier aber aus. Konkreter sind die Pläne im Inland: Der neue "Ideas Service" soll hier von der Schlagkraft her so etwas wie der World Service des 21. Jahrhunderts werden und die BBC für kulturelle Institutionen öffnen. Auch Bildung gehört also zur neuen BBC, die in der Vergangenheit zu gerne für einen zu großen Fokus auf Unterhaltung kritisiert wurde: Auf Abruf soll es bei der BBC so künftig auch Inhalte des British Museum, der Royal Shakespeare Company oder der Universität Manchester geben. Mittels großer Dramen soll aber auch die Unterhaltung weiter eine wichtige Rolle spielen.

Doch passen all diese Pläne zu einer Sendeanstalt, die etliche hundert Millionen pro Jahr einsparen muss? Hall wurde nicht müde zu betonen, dass es sich – trotz zusätzlicher Investitionen von rund 150 Millionen Pfund pro Jahr – keinesfalls um eine Expansion handele, es gar in die vollkommen andere Richtung gehe, weshalb man sich für die neuen Projekte ja auch Partner sucht. Es ist ein kluger Schachzug von Hall, schließlich macht sich die BBC auch wieder etwas unverzichtbarer, wenn sie mit lokalen Zeitungsredaktionen oder kulturellen Institutionen zusammenarbeitet. Die BBC unterstützt zur Kostensenkung zudem nun auch offiziell eine Umstellung von der bisherigen Licence Fee auf das Modell der deutschen Haushaltsabgabe, um alleine damit rund 100 Millionen Pfund im Jahr für die Kontrolle der Zahlungen einzusparen.

Klar ist allerdings auch: Neue Sparmaßnahmen werden nicht lange auf sich warten lassen, hätten bei einer gleichzeitigen Bekanntgabe aber schlicht die ambitionierten Pläne der neuen Open BBC überschattet. Erst in der Vorweihnachtszeit möchte Hall daher konkreter darauf eingehen, welche Dienste gekürzt oder am Ende komplett wegfallen werden, was für Hall ein "unvermeidbarer Schritt" ist. Immer wahrscheinlicher ist angesichts des Starts von BBC Newsstream eine bereits spekulierte Streichung des Nachrichtenkanals BBC News, auch die Zukunft des eigenen Kultursenders BBC Four ist nach der angekündigten Kooperation mit Kulturinstitutionen ungewisser denn je. Der ein oder andere zweifelt außerdem bereits den Fortbestand der Kindersender an. Davon will man in London derzeit aber nichts wissen. Der Blick geht nun erst einmal nach vorne, in der Hoffnung, das neue Motto künftig mit Leben füllen zu können: "BBC – For all of us."