Als Stefan vor etwa einem Jahr in Aussicht stellte, seine Fernsehschuhe an den Nagel zu hängen, da war die Verwunderung zunächst groß - und schnell wurde bewusst, welch großer Verlust der Rückzug des kreativen Kopfs darstellen würde. Für das deutsche Fernsehen im Allgemeinen, ganz speziell aber für ProSieben, immerhin hat der Sender über viele Jahre hinweg seine Unterhaltung ganz auf Raab ausgerichtet. Entsprechend stark verabschiedete sich Raab kurz vor Weihnachten: "TV total" fuhr noch einmal die besten Quoten seit Jahren ein und mit "Schlag den Raab" kratzte er gar an der Marke von 30 Prozent Marktanteil. Fast vier Millionen Zuschauer zählte die letzte Ausgabe jener Show, die vor einigen Jahren für dringend nötigen frischen Wind am Samstagabend gesorgt hatte.

Und doch machte sich der "Raabschied" für ProSieben in den ersten Monaten des Jahres längst nicht so stark bemerkbar wie das im Vorfeld manch einer prognostiziert haben mag. Sicher, "TV total" fehlt, weil die Show zuletzt wieder für Konstanz am späten Abend sorgte, und auch "Schlag den Raab" konnte erwartungsgemäß nicht gänzlich kompensiert werden. Doch insbesondere die erste Ausgabe des deutlich aufgewerteten Ablegers "Schlag den Star" machte Hoffnung, dass es auch ohne den Altmeister geht. Selbst die langwierigen Promi-Sportshows, über lange Zeit hinweg Raabs Domäne, scheinen auch ohne ihn zu funktionieren. Die "Völkerball-Meisterschaft" erwies sich zwar als zähes Unterfangen, bescherte ProSieben allerdings überraschend starke Quoten.

Noch dazu kann sich der Sender glücklich schätzen, einst in weiser Voraussicht Joko und Klaas verpflichtet zu haben. Das Duo sorgt zwar mit "Circus HalliGalli" längst nicht mehr für so viel Aufsehen wie noch in den Anfangstagen, konnte aber mit der "Besten Show der Welt" einen starken Einstand feiern. Womöglich ist dieser Show-Neustart jedoch teuer erkauft, weil im Gegenzug das konstant starke "Duell um die Welt" eine Pause einlegen muss. Ansonsten hat man sich darin versucht, mit "Teamwork" eine Art "Schlag den Raab"-Nachfolger zu etablieren, was bislang von den Zuschauern jedoch nur mit mäßigen Quoten honoriert wurde. "Musicshake", "The Big Surprise" und "Hot!" erwiesen sich gar als bittere Flops.

Umso wichtiger, dass sich ProSieben auf seine Castingshows verlassen konnte: So entpuppte sich "The Voice of Germany" auch in der fünften Staffel als verlässlicher Quotengarant und "Germany's next Topmodel" war sogar so stark wie schon seit einigen Jahren nicht mehr. Im Windschatten der Modelshow gelang es zudem, mit "Kiss Bang Love" noch eine recht erfrischende Kuppelshow an den Start zu bringen. Und dank einiger Änderungen mauserte sich selbst die Rankingshow "Big Countdown" doch noch zum Erfolg. Das Experiment "Wild Island" kann man hingegen nach einer aus Quotensicht ziemlich durchwachsenen ersten Staffel vermutlich ebenso zu den Akten legen wie "Prankenstein" mit Lena Gercke - und auch die Zukunft von "Studio Amani" ist keineswegs gesichert. Nach starkem Start ging das Interesse wohl auch wegen so mancher inhaltlicher Schwäche schnell zurück.

Es ist ein Schicksal, das die Comedyshow mit so mancher US-Serie teilt, die ProSieben in den zurückliegenden Monaten an den Start brachte. Anders als etwa RTL schafft es der Sender immer wieder, mit Neustarts einen großen Buzz zu generieren - dumm nur, dass die Zuschauer häufig nicht dauerhaft überzeugt sind von dem, was der Sender ihnen serviert. "Gotham", "The Flash", The Royals", "Zoo" sind gleich mehrere Beispiele dafür. Auch "Code Black", "Odd Couple" und "Undateable" wurden vom Publikum verschmäht. Von den Neustarts konnte streng genommen nur "Akte X" überzeugen. Auch hier gingen die Quoten zwar zurück, doch mit den rund zwölf Prozent Marktanteil, bei denen sich die Neuauflage am Ende einpendelte, kann man bei ProSieben gewiss zufrieden sein. Völlig überraschend erlebte zuletzt auch "Grey's Anatomy" seinen zweiten Frühling.

Dass ProSieben in der zurückliegenden Saison überhaupt auf eine derart große Vielfalt im Serien-Bereich setzte, ist nicht zuletzt dem Abflauen des Comedy-Booms in Amerika geschuldet. In diesem Genre kann ProSieben am Abend nur noch auf "The Big Bang Theory" und die "Simpsons" bauen. Tagsüber schlägt sich die Sitcom-Schiene dagegen noch immer gut, wenn auch mit leichten Abstrichen. Abseits davon sind es vor allem die Magazine, auf die sich ProSieben verlassen kann. "taff" und "Galileo" verzeichneten in den zurückliegenden Monaten steigende Quoten und dürften dem Sender auch dann noch Verlässlichkeit bieten, sollte den Comedyserien in absehbarer Zeit doch mal der Saft ausgehen. Das wäre zwar bitter für ProSieben, aber längst nicht so ein großer Verlust wie der TV-Rückzug von Stefan Raab.