In Aserbaidschan ist nicht alles Öl, was glänzt. So gern die Regierung des zwischen Kaspischem Meer und Kaukasus gelegenen Landes nach außen hin ein perfektes Bild abgeben möchte, so bewegt sich der asiatische Binnenstaat doch auf Messers Schneide zwischen einem Dasein als fortschrittlicher Akteur auf internationaler Bühne und Vorwürfen düsterer Menschenrechtsverletzungen. Das ließ sich schon vor vier Jahren beobachten, als der Eurovision Song Contest in Aserbaidschan Station machte. Zwangsräumungen und Abrisse ganzer Viertel mussten für ein hübscheres Image her. Mit den Europaspielen im vergangenen Jahr wurde das Prestigelevel noch einmal erhöht.


Ein schöner Schein für die Weltöffentlichkeit, doch wer genauer hinsieht, wird weiterhin erkennen, dass hier, in diesem Land mit seinen mehr als neun Millionen Einwohnern, vieles im Argen liegt. Wie Amnesty International in seinem letzten Jahresbericht darstellt, nimmt die Unterdrückung der Zivilgesellschaft und die Verfolgung Andersdenkender im Land nicht ab. Mindestens 18 Regierungskritiker, darunter auch bekannte Menschenrechtler, befanden sich demnach Ende 2015 aufgrund konstruierter Anklagen in Haft und noch immer stehen alle führenden Medien unter staatlicher Kontrolle. Friedliche Demonstrationen werden immer wieder verhindert oder gar von der Polizei gewaltsam aufgelöst.

Wieso aber werden solche Länder als Austragungsorte großer Events bestimmt? Man muss es kritisch sehen, dass nun auch noch die Formel 1 nach Aserbaidschan kommt. An diesem Wochenende bringt der Renn- und Medienzirkus von Bernie Ecclestone reichlich Glanz in die Hütte - und es ist kaum davon auszugehen, dass die Veranstalter ein großes Interesse daran haben, auf die offenkundigen Missstände hinzuweisen. Doch wer würde das von der Formel 1 erwarten, die ja immerhin seit 2004 den Großen Preis von Bahrain veranstaltet und somit längst in einem Land vertreten ist, in dem die Meinungsfreiheit eine - vorsichtig formuliert - eher untergeordnete Rolle spielt.

Wie reagieren die Fernsehpartner?

Wenn am Sonntag nun also das Rennen in Baku stattfinden wird, dann werden zumindest RTL und Sky nicht umherkommen, auch einen Blick abseits der Rennstrecke zu werfen - sollte man zumindest meinen. "Sky überträgt sämtliche Rennen der Formel 1 und berichtet fokussiert über die sportlichen Inhalte", sagt Sky-Sportchef Roman Steuer auf DWDL.de-Nachfrage und ergänzt lapidar: "Wo die Rennen stattfinden, ist eine Entscheidung der Formel 1." Eine Frage zum Thema Menschenrechte sei daher an die Formel 1 zu stellen. Dabei kann es doch keinem der übertragenden Fernsehsender ernsthaft gefallen, dass die Formel 1 in immer mehr Ländern stattfindet, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

"Die Fragestellung ist ja nicht neu und gilt im Prinzip bei jedem weltumspannenden Event", holt RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer aus. "Die Welt hat eben viele Gesichter, da liegen Fluch und Segen immer nah beieinander. Umso wichtiger ist es, dass der Sport die Gelegenheit wahrnimmt, Aufmerksamkeit zu generieren und dazu beiträgt, politische, ideologische, religiöse und nationale Grenzen zu überwinden." Er weist zugleich darauf hin, dass man als TV-Rechtehalter zur Ausstrahlung der Grand Prix verpflichtet sei - und zwar egal, wo sie stattfinden. "Das schließt eine kritische Berichterstattung explizit nicht aus", stellt Bolhöfer klar.

Dass das Land sogar mit noch größeren finanziellen Problemen kämpft, seit das Öl an Wert verloren hat, und die Bürger nicht verstehen können, wieso Millionen in die Formel 1 gesteckt werden, ist für die Veranstalter freilich störendes Beiwerk. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone sieht erwartungsgemäß kein Problem. "Ich denke, alle scheinen glücklich zu sein. Es scheint dort kein großes Problem zu geben“, wird er von motorsport-magazin.com zitiert und klingt dabei ein Stück weit wie "Kaiser" Franz Beckenbauer, der bei seinem Besuch der WM-Baustellen in Katar beim besten Willen keine Sklaven erkennen konnte. 

"Können Sie mir sagen, was Menschenrechte genau sind?", fragte Ecclestone allen Ernstes im Vorfeld des Grand Prix und versuchte vor Journalisten herunterzuspielen, dass Aserbaidschan aktuell von der Organisation Reporter ohne Grenzen in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 163 von 180 rangiert. Bei Phil Bloome, dem Geschäftsführer des Business and Human Rights Resource Center, stoßen Ecclestones Äußerungen auf völliges Unverständnis: "Man muss nur fünf Minuten googlen, um zu sehen, was wirklich in diesem Land passiert." Doch das Geschäft geht eben vor. In zwei Wochen geht’s nach Österreich. Wer denkt da noch an Aserbaidschan?