Diese Frau macht schon auf den ersten Blick einiges anders. Sie sitzt nicht, sie steht. Hinter ihr hängen Monitore, keine nostalgische Großstadt-Skyline. Und sie ist nicht nett, sie ist wütend. Während sie in Dauer-Rage ihre Monologe nach vorne treibt, beugt sich ihr Körper ständig in Richtung der Kamera.

So unmittelbar wie sie selbst sind auch die Texte von „Full Frontal with Samantha Bee“, einer Beinahe-schon-Late-Night-Show montagabends um 22.30 Uhr US-Ostküstenzeit bei TBS, dem Unterhaltungssender von Turner auf dem auch Conan O’Brien zuhause ist. Bees Ausbrüche sind dicht pointiert und immer voll auf die Zwölf. Mehr als zwei Millionen Menschen schalten ein, den Sender freut es. Und im Netz gewinnt sie stetig Fans außerhalb des klassischen Fernsehens. Und außerhalb der USA. Aber machen wir uns nichts vor: Bee ist sowohl in den Staaten als auch bei uns eher noch ein Geheimtipp - warum?

Möglicherweise, weil viele eine Fernseh-Frau mit politischer Haltung zunächst mal nicht auf dem Schirm haben. Bee ist neben Netflix’ Chelsea Handler die Einzige im männlich dominierten Late-Night-/Politkommentar-Zirkus mit all den lustigen Fallons, Kimmels, Meyers, Cordens und den engagierteren Colberts, Noahs und Olivers. Dass sie scheinbar von Natur aus nicht die Beachtung bekommt, die sie verdienen würde, hat vor Beginn ihrer Show die „Vanity Fair“ bewiesen: Im Oktober 2015 beschwörte das Society-Magazin aus dem Hause Condé Nast den Stallwachenwechsel in der US-Fernsehnacht und inszenierte die vielen neuen Moderatoren auf dem Cover - ausschließlich Männer. Die Antwort der früheren „Daily Show“-Korrespondentin? Sie ließ einen Assistenten kurzerhand ihren Kopf auf einen Zentaur-Unterleib photoshoppen, in die Männerriege platzieren und aus ihren Augen Laserstrahlen schießen. Bees Tweet-Begleittext: „BETTER.“ Ton und Rolle waren damit gefunden, noch bevor die erste Folge überhaupt lief.

Die erste Ausgabe ihrer eigenen Show begann dann Anfang des Jahres auch mit einem Comedy-Segment, in dem Bee während einer Pressekonferenz von allen Seiten gefragt wird, wie sie sich als Frau im Late-Night-Business durchschlagen wolle, ob man als Mann die Sendung überhaupt schauen dürfe und überhaupt: „Wie ist das, als weibliche Frau?“ Von Anfang an waren die Kritiken für ihre Show wohlwollend. „Klar ist es schön, eine Frau im Late-Night-Trubel zu sehen. Es ist aber genauso gut, jemanden zu haben, der weiß, was sie tut“, schrieb „The Atlantic“.

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Trotzdem: Obwohl sie sich mit dem ähnlich gelagerten „Last Week Tonight“ von John Oliver in New York City ein Studio teilt, gibt es große Unterschiede zu ihm und anderen Kollegen. In die Pointen schleicht sich viel seltener als bei Oliver eine Analogie ein - bei Bee gibt es erregten Frontalunterricht der erregten Art. Sie ist direkt, Oliver besorgt. Sie nimmt alle Seiten kritisch ran, James Corden ist ein Fanboy. Sie tritt für ihre Themen ein, Stephen Colbert und Trevor Noah suchen sich immer noch - immer ist da bei ihr die entschiedene Haltung, immer ist da Kampfgeist.

„Liebe wird nicht siegen, so lange wir nicht unsere verschissenen Probleme lösen“, sagt sie nach dem Attentat von Orlando in einem engagierten Segment. In außer Haus gedrehten Beiträgen lädt sie eine Gruppe junger Trump-Supporter ein und scheitert sehenswert daran, deren Motive nachzuvollziehen. „Junge Leute, die einen Teil ihrer Seele runterwürgen, nur um dazuzugehören“, kommentiert sie aus dem Off. Hillary Clinton? Habe zwar das halbe Pentagon auf ihrer Seite, aber so gut müsse man als Frau wohl schon sein, wenn man Präsidentin werden wolle - und trotzdem verlieren könne gegen: „Das da. Den schlechtestqualifizierten Kandidaten, der je ins Licht der Öffentlichkeit kroch, um Ehrennadel-Mütter anzuscheißen, während er Putins schwitzigen Sack krault.“

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Durchaus deftig, klar, aber die Erregung kommt immer auch aufrichtig daher. Sie will nicht moderieren oder analysieren. Damit ergänzt ihre Art sehr gut das, was wiederum John Oliver in Perfektion liefert - auch wenn er hin und wieder ebenso ausrastet, aber in diesen Momenten albern wirkt. Wegen dieser sich reinsteigernden, ehrlichen Wut kommt Bees Dringlichkeit vor allem im aktuellen Wahlzyklus so gut an. Der bietet beste Möglichkeiten der Positionierung, so dass sie sich als engagierteste Stimme der Saison hervortun kann. 

„Hätte eine andere Late-Night-Show diese Punkte gemacht? Klar, vielleicht, irgendwann einmal. Bei ‚Full Frontal‘  aber ist ‚irgendwann einmal‘ eben jetzt“, schrieb die „New York Times“ in einer Kritik. Zu den langsam steigenden Abrufzahlen der YouTube-geeigneten Rants und zu den den passablen TV-Einschaltquoten kommt inzwischen also auch die Anerkennung der Kritiker und der Branche.

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TBS hat „Full Frontal“ schnell verlängert, bis 2017 ist der Lauf der Sendung gesichert - zusätzlich zur Serie „The Detour“, entwickelt und angeführt von Bee und ihrem Mann Jason Jones, ebenfalls ein Veteran aus Jon Stewarts Show. Und langsam läuft auch die Award-Maschinerie an: Bei den Emmys am 18. September ist „Full Frontal“ zwar nur für Autorenpreis nominiert. Da hatten manche mehr erwartet. Bei den Television Critics Association Awards wurde ihre TBS-Sendung am vergangenen Wochenende in der Kategorie „Outstanding Achievement in News and Information“ ausgezeichnet. Sie gewann u.a. gegen den ungleich häufiger gehuldigten John Oliver vom Schwestersender HBO.

In Deutschland zeigt der Pay-TV-Sender TNT Comedy "Full Frontal with Samantha Bee" sonntags um 23.00 Uhr im englischen Original mit deutschen Untertiteln.