Die Frage, wie aussagekräftig die von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) erhobenen Einschaltquoten sind, steht bereits seit geraumer Zeit im Raum - und wurde im zurückliegenden Jahr noch einmal intensiv diskutiert. "Wir liegen bei den Reichweiten laut AGF unter dem Niveau von vor vier Jahren", erklärte Martin Michel, Geschäftsführer des Vermarkters Sky Media, im November und verwies damals mit einiger Verwunderung darauf, dass Sky in der Zwischenzeit weit mehr als eine Million Abonnenten habe hinzugewinnen können. In den TV-Quoten war das nicht ersichtlich: Tatsächlich verlor Sky nämlich in der Bundesliga von Spieltag zu Spieltag in der Kernzielgruppe Männer 14-59 nicht nur an Reichweite, sondern auch an Strukturwerten.

"Anhand der ersten Ausweisungen unseres eigenen 15.000-Haushalte-Panels konnten wir erhebliche Unterschiede feststellen", betont Michel jetzt noch einmal gegenüber DWDL.de. Verständlich also, dass die Skepsis am Firmensitz in Unterföhring mit der Zeit immer größer wurde. "Uns war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, wie diese Entwicklung zustande kam", sagt der Vermarktungschef rückblickend. "Gleichzeitig wurden wir durch unsere Forschung informiert, dass die rekurierten Haushalte im AGF-Panel auf einmal um fast 150 angewachsen seien." Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt gar nicht geplant war, die Zahl der Sky-Haushalte zu erhöhen. Kurz vor Weihnachten bestätigte sich schließlich, was am Donnerstag dann auch die Öffentlichkeit erfuhr: Die Sky-Quoten wurden 2016 deutlich zu niedrig ausgewiesen (DWDL.de berichtete).


Inzwischen ist klar, wie es zu dem Fehler kommen konnte. Das Problem: Zuschauer, die gar kein Sky-Abo besitzen, wurden plötzlich als Sky-Kunden klassifiziert, weil das seit einigen Jahren eingesetzte Audiomatching-System, das gewissermaßen anhand des Tons ermittelt, welche Sendung gerade läuft, vereinzelt Inhalte erkannte, die zwar auch über die Pay-TV-Plattform verbreitet wurden, letztlich jedoch zeitversetzt über andere Wege angesehen wurden (wie das Audiomatching funktioniert, haben wir an dieser Stelle erklärt). Dass diese Haushalte nun also als Sky-Kunden galten, aber nie Sky einschalteten, führte dazu, dass der ausgewiesene Sky-Marktanteil unterm Strich immer weiter zurückging. "Im Laufe des Jahres hat sich abgezeichnet, dass die bisherige Zuordnungsmethodik des Kriteriums 'Sky-Plattformhaushalt' aufgrund der zunehmenden Komplexität und Vielzeit der Angebots- und Distributionswege zusehends an ihre Grenzen stößt", gibt AGF-Geschäftsführer Willibald Müller im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de zu.

AGF hat bereits reagiert

Ende letzten Jahres sei man daher "in konstruktivem Austausch" mit Sky gestanden, "um sinnvolle Modifikationen und Weiterentwicklungen der Zuordnungsregeln zu diskutieren", erklärt Müller. Bereits seit dem 20. Dezember wird die zeitversetzte Nutzung daher nicht mehr zur Bildung des Merkmals "Plattformhaushalt" herangezogen. Mit Beginn des Jahres greift zudem eine neue Regel, die Sky-Plattformhaushalte besser zuordnen soll. Die Zahl der Plattformhaushalte im AGF-Fernsehpanel ist im Zuge dessen wieder gesunken. "Aufgrund der daraus resultierenden höheren Gewichte der verbleibenden Plattformhaushalte wird sich eine positive Tendenz bei den Leistungswerten der Plattformsender ergeben", heißt es von Seiten der AGF. Hätten diese Regeln auch im vorigen Jahr gegolten, dann wäre die Nutzung von Sky nach Meinung der AGF um rund 16 Prozent höher ausgefallen, was auf die Vermarktung erhebliche Auswirkungen hat.

Martin Michel© Sky
"Ich bin sehr gespannt darauf, wie der Markt die neuen Zahlen annehmen wird", sagt Sky-Media-Geschäftsführer Martin Michel (Foto) und verweist darauf, dass die Daten im Nachhinein nicht mehr korrigiert werden sollen. "Das bedeutet, dass wir überall erklären müssen, dass die im vergangenen Jahr gemessenen Quoten falsch waren." Zunächst halten sich die wirtschaftlichen Auswirkungen für Sky jedoch in Grenzen. "Wir befinden uns in einem Markt, der auf solche Entwicklungen immer erst später reagiert. Die Reichweiten-Durchschläge werden im hiesigen Werbemarkt immer erst mit zeitlicher Verzögerung sichtbar", erklärt Michel. "Aber natürlich haben wir im Nachgang Probleme, weil wir Kompensationen leisten mussten hinsichtlich der TKP-Inflation. Und das zog auch in den Verhandlungen für 2017 Schwierigkeiten nach sich, da sie auf der Grundlage falscher Leistungswerte geführt werden mussten." Nach DWDL.de-Informationen sollen vereinzelte Mediaagenturen gar mit dem Gedanken gespielt haben, Sky aus ihrem Portfolio zu nehmen.

Erst jetzt sei man in der Lage, die Agenturen und Werbetreibenden darüber zu informieren, dass die Reichweiten tatsächlich anders aussahen und die Inflation längst nicht so hoch ausgefallen sei wie sie angegeben wurde. "Und das wird sich über das 15k-Panel nochmal anders darstellen, weil wir dann signifikante Reichweiten-Zuwächse sehen werden, die auch entsprechend mit unserem Abonnenten-Wachstum korrelieren", kündigt der Vermarktungschef an. Was er meint, ist das von Sky inzwischen in Eigenregie auf die Beine gestellte Panel, dem mittlerweile 15.000 Pay-TV-Haushalte angehören. "Nimmt man unsere Daten zur Hand, dann ist der Unterschied sogar noch größer als die jetzigen 16 Prozent", so Michel. Konkrete Zahlen will er jedoch nicht nennen. "Wir wollen nun abwarten, wie sich AGF-Reichweiten entwickeln, bevor wir mit unseren eigenen Daten an die Öffentlichkeit gehen. Dabei geht es um eine bewusste Trennung zwischen dem Fehler in der AGF-Systematik und der genaueren und valideren Ausweisung aufgrund unserer höheren Zahl von Teilnehmern in unserem eigenen Panel."

"Unsere Hoffnung ist es, unser Panel schnellstmöglich in die AGF zu integrieren."
Martin Michel, Geschäftsführer Sky Media

Regressansprüche stehen für Sky aktuell trotz der falschen Zahlen gegenwärtig nicht im Raum. "Wir sind als künftiger Gesellschafter in erster Linie daran interessiert, dass sich so etwas nicht wiederholt und dass die Datenqualität sich verbessert. Darauf fokussieren wir uns", sagt Michel im Gespräch mit DWDL.de. Tatsächlich könnte der Messfehler dem Pay-TV-Sender auf lange Sicht betrachtet sogar in die Karten spielen, weil plötzlich bewiesen scheint, dass das Bezahlfernsehen mit der jetzigen Methode benachteiligt wird - ganz so, wie es Sky und andere Anbieter schon seit geraumer Zeit vermuteten. Die Panne dürfte die Pläne von Sky, das eigene Panel in die offiziellen AGF-Daten einfließen zu lassen, also eher noch beschleunigen. "Unsere Hoffnung ist es, unser Panel schnellstmöglich in die AGF zu integrieren", sagt Martin Michel daher. "Die Glaubwürdigkeit dessen, was wir seit über eineinhalb Jahren in den Markt reinrufen, ist endlich bewiesen."

AGF-Geschäftsführer Willibald Müller gibt sich indes gesprächsbereit. "Wir wollen natürlich auch zukünftig die angewandten Methoden innerhalb des AGF-Systems mit den Gesellschaftern und Lizenznehmern offen diskutieren und gegebenenfalls adaptieren", sagt er zu DWDL.de. Mit der Verbreitung neuer Angebote und Distributionsformen sei es "der Anspruch der AGF, das System immer wieder zu hinterfragen und zeitnah mit den Partnern gemeinsam weiterzuentwickeln", so Müller. "In diesem Sinne freuen wir uns auch auf die weitere Zusammenarbeit mit allen Neu-Gesellschaftern und sehen dies auch als Zeichen dafür, dass die AGF durchaus ein offenes, adaptions- und zukunftsfähiges System ist." Bei Sky Media sieht man sich nun jedenfalls auf einem guten Weg. "Was wir machen, ist der richtige Schritt", findet Martin Michel und gibt sich kämpferisch: "Wir werden niemals behaupten, dass wir zu 100 Prozent alles richtig machen - auch wir lernen dazu. Aber wir wissen, dass wir es besser machen. Mit unserem Knowhow kann sich die AGF nur verbessern. Es ist unser Anspruch als Gesellschafter, die Reichweiten-Forschung in Deutschland mit nach vorne zu bringen."

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