Die Lage könnte kaum unterschiedlicher sein: Während der MDR im eigenen Sendegebiet immer erfolgreicher wird und als einziges der Dritten Programme im zurückliegenden Jahr trotz Fußball-Europameisterschaft und Olympischer Spiele Marktanteile im eigenen Sendegebiet hinzugewinnen konnte, musste das RBB Fernsehen als Schlusslicht die größten Verluste hinnehmen. Ein sattes Minus von 0,8 Prozentpunkten führte dazu, dass der Sender in seiner Heimat Berlin und Brandenburg auf gerade mal 5,5 Prozent Marktanteil kam – satte vier Prozentpunkte weniger als die Dreiländeranstalt aus Mitteldeutschland, die von Kritiker zwar oft belächelt wird, aber mit ihrem Programm ganz offensichtlich den Nerv ihres Publikums trifft.

Ganz anders verhält es sich beim RBB. "Da wir bereits 2015 die rote Laterne innehatten, war unter diesen Umständen einfach nicht mehr als der letzte Platz zu holen", räumt Moritz Pohl ein, der in seiner Funktion als Programmbereichsleiter Zentrale Aufgaben Programm unter anderem für die Programmplanung im RBB Fernsehen verantwortlich ist. Dass sich beide Ost-Anstalten so unterschiedlich entwickeln, hat gute Gründe. Einer davon ist geografischer Natur: Der Fernsehmarkt in Mitteldeutschland sei homogener als der des RBB, der einerseits das ländliche Brandenburg und andererseits die Weltmetropole Berlin in seinem Programm abbilden muss. 

Moritz Pohl© RBB/privat
Ungeachtet dessen kommt reichlich Lob vom RBB: "Unsere Kolleginnen und Kollegen vom MDR machen einfach sehr vieles sehr richtig und verdienen dadurch allerhöchsten Respekt", sagt Pohl (Foto) gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. "Sicher spielt auch noch eine Rolle, dass der RBB nur halb so alt wie der MDR ist, also auch weniger Zeit hatte, eine breite Zuschauerbasis zu erarbeiten." Und dann ist da auch das liebe Geld, das beim MDR mehr Erstausstrahlungen ermöglicht. "Gute Finanzen sind allerdings keine Erfolgsgarantie", räumt der RBB-Mann ein. "Mit viel Geld kann man auch viel falsch machen." Zugleich stellt er recht schonungslos klar, was im eigenen Haus in jüngster Zeit nicht rund lief: "Wir hatten zuletzt zu viele Wiederholungen in der Primetime und damit einhergehend ein Relevanzproblem. Beides gehen wir in diesem Jahr an."

Am Abend ist der MDR den Kollegen aus Berlin und Brandenburg um Welten voraus und war im zurückliegenden Jahr in seinem Sendegebiet zwischen 19 und 22 Uhr mit einem Marktanteil von 12,7 Prozent Dritter – und damit erfolgreicher als sämtliche privaten Anbieter. In Thüringen war man mit 13,5 Prozent Marktanteil sogar gemeinsam mit dem ZDF Spitzenreiter. "Die seit einigen Jahren wieder steigenden Quoten sehen wir als Beweis, dass wir den Geschmack der Menschen hier treffen", sagt MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi zu DWDL.de. "Denn unser Erfolg lässt sich nicht nur auf einige wenige Programmplätze oder Sonderprogrammierungen zurückführen, sondern ist in der gesamten Programmvielfalt über sämtliche Sendeachsen verankert, von Information bis Unterhaltung, von Film bis Sport."

Langzeit-Trend: Marktanteile RBB Fernsehen und MDR Fernsehen

Quoten-Vergleich RBB und MDR© DWDL.de

Marktanteil jeweils im eigenen Sendegebiet; Quelle: DWDL.de-Rechereche

Tatsächlich gelingt es dem MDR Fernsehen stärker als jedem anderen Dritten, sein Publikum nicht nur am Vorabend anzusprechen, sondern auch schon vormittags. Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Zwischen 11 und 20 Uhr werden werktags mehr als 280 Sendeminuten für diverse Magazine mit lokaler Verankerung produziert – das Wissensmagazin "LexiTV" nicht eingerechnet. Das RBB Fernsehen kommt mit Formaten wie "ZIBB" und der "Abendschau" auf nicht mal die Hälfte. "Für unser Programm ist wichtig, über den gesamten Tag immer wieder aktuell über das Geschehen in Mitteldeutschland zu informieren", betont MDR-Mann Jacobi und rechnet vor: "Von morgens mit der ersten Ausgabe von 'MDR aktuell', über den Vormittag mit 'MDR um 11', den Nachmittag mit 'MDR um 2' und 'MDR um 4', bis zu den Ländermagazinen am Vorabend und den Hauptausgaben von 'MDR aktuell' am Abend sind wir immer wieder live präsent und nah beim Zuschauer in Mitteldeutschland."

Wolf-Dieter Jacobi© MDR/Marco Prosch
Angesprochen auf die Tatsache, dass der MDR in der Vergangenheit immer wieder mit Argwohn betrachtet wurde, sagt Jacobi (Foto): "Jede Kritik basiert auf einer individuellen Wahrnehmung und hat damit ihre Berechtigung. Was mich allerdings erstaunt, ist, wenn nur Klischees bedient werden, die mit der Realität nichts zu tun haben." So habe man zu keinem Zeitpunkt so viele renommierte Preise für Programm und Design gewonnen wie heute. "Wir sind jünger geworden, dynamischer, haben unsere Ansprechhaltung verändert." Das trägt offensichtlich Früchte, denn in den zurückliegenden fünf Jahren gelang es dem Sender, seinen Marktanteil im Sendegebiet um einen Prozentpunkt zu steigern. Den derzeitigen Erfolg führt Wolf-Dieter Jacobi auf einen mehrjährigen Reformierungsprozess des Programms zurück. "Wir gehen dabei behutsam und in kleinen Schritten vor und setzen auf eine Balance von Kontinuität und Wandelt", betont der Programmchef. "Unser Ziel ist, erfolgreiche Formate zu modernisieren und anzupassen und da, wo es notwendig ist, neue Elemente einzufügen."

"Größte Reform in der Geschichte des RBB Fernsehens"

Kleine Schritte werden dem RBB indes nicht reichen, um den letzten Platz zu verlassen. "Wir planen die größte Reform in der Geschichte des RBB Fernsehens", kündigt Moritz Pohl an. So sollen im Frühjahr ein neues multimediales Verbrauchermagazin, ein fester Sendeplatz für Doku-Serien sowie ein gesellschaftspolitisches Format "mit einem satirischen Zungenschlag" etabliert werden. Aus dem regionalen Geschichtsmagazin "Theodor" soll darüber hinaus ein neues Hauptabend-Magazin mit dem Arbeitstitel "Erlebnis Geschichte" entstehen. Auch das Magazin "Täter – Opfer – Polizei" steht vor einer vollständigen Überarbeitung, mit der gleichzeitig ein Wechsel in die Primetime einhergehen wird.

Pohl: "Ein grundlegend neuer Auftritt im Marketing für das RBB Fernsehen soll diese und weitere Veränderungen ab Spätsommer 2017 begleiten." Damit sei die Programmreform aber nicht abgeschlossen: Bis Ende kommenden Jahres sollen neue Überarbeitungen und Formate folgen. Diese werden dann in die Verantwortung von Jan Schulte-Kellinghaus fallen, der ab Mitte März als Programmchef die Nachfolge der zuletzt glücklosen Claudia Nothelle antreten wird und wie die neue Intendantin Patricia Schlesinger vom ungleich erfolgreicheren NDR kommt. Klar ist, dass 2017 und 2018 beim RBB als Übergangsjahre gelten, in denen der Abwärtstrend zunächst gestoppt und im Idealfall im Laufe des Jahres 2018 umgekehrt werden soll. "Das ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf, mit Boxenstopps, Umwegen, Rückschlägen", betont Moritz Pohl. "Und wenn wir dann aufgrund unseres Wachstums die 'Rote Laterne' weiterreichen können, bin ich nicht unglücklich."