Wer entscheidet wohl letztlich über den Warner-Deal?
Donald Trump. Das hat er diese Woche erneut unmissverständlich klar gemacht. Das wirklich Außergewöhnliche an diesem Eingriff ist nicht, dass ein Präsident eine Meinung zur Medienkonzentration hat, die hatten Obama, Biden und andere vor ihm auch, sondern dass Trump öffentlich eine konkrete kartellrechtliche Auflage diktiert. CNN müsse verkauft werden, sonst sei der Warner-Deal für ihn politisch nicht akzeptabel. Zitat gefällig: „Ich finde, CNN sollte verkauft werden, weil ich glaube, dass die Leute, die den Sender im Moment führen, entweder korrupt oder inkompetent sind.“ Unglaublich. In der amerikanischen Wettbewerbspolitik galt bislang eine unausgesprochene Firewall. Der Präsident setzt möglicherweise die Linie, aber hält sich aus einzelnen Fusionsentscheidungen und Auflagen demonstrativ heraus, die klar beim Justizministerium und der Wettbewerbsbehörde FTC liegen. Genau diese Trennung reißt Trump jetzt ein, indem er CNN aus seinem persönlichen Dauerkrieg mit dem Sender heraus zum Faustpfand in einer Milliardenübernahme macht. Für die Kombattanten bringt das meiner Meinung nach zunächst keinen klaren Sieger hervor, sondern vor allem zusätzliche Unwägbarkeiten. Paramount setzt offen auf den Rückenwind aus Mar-a-Lago, macht Versprechungen, während Ted Sarandos Trump mit Jobs, Kinostarts und einer Deal-Struktur umgarnt, in der CNN ohnehin schon aus dem Paket gekippt ist. Washington aber bewegt sich erneut gefährlich nah an Praktiken, die man sonst eher aus illiberalen Systemen kennt. Die Regierung signalisiert, welche Medienhäuser „Strafe“ verdienen und welche nach einem Gesinnungswechsel wieder auf Gnade hoffen dürfen (das war schon bei dem Paramount-Skydance-Zusammenschluss so). Und nutzt so Fusionskontrolle als politische Waffe. Wenn der Präsident nicht nur Kartellbedenken adressiert, sondern offen die Eigentümerstruktur eines kritischen Senders nach seinem Geschmack umformen will, ist das keine sinnvolle, klassische Antitrust-Prüfung, sondern präsidiale Medienpolitik nach dem Drehbuch einer Autokratie. Und das alles geschieht, für uns alle sichtbar, in aller Öffentlichkeit.
Bei welchem Deal möchte ich nicht wissen, wieviele Anwälte involviert waren?
Disney investiert rund eine Milliarde US-Dollar in OpenAI, wird Großkunde von ChatGPT & Sora und öffnet seine Markenwelten für generative Clips. Und ich dachte, dieses Jahr kommt nichts großes mehr. Über 200 Figuren, Welten und Requisiten aus Disney-, Marvel-, Pixar- und Star-Wars-Universum werden für promptbasierte Kurzvideos lizenziert. Mit harten Einschränkungen. Keine Gesichter und Stimmen realer Schauspieler, kein Training der Modelle auf dem Disney-Katalog, sondern eine reine Output-Lizenz. Für Disney ist das ein Dreifachgeschäft: strategischer Zugang zu einem der wichtigsten KI-Player, ein Labor für Fan-Engagement im Zeitalter der Prompt-Fiction und ein interner Effizienz-Booster durch ChatGPT & Co. Aus passiven Zuschauern werden kontrolliert aktive Co-Kreatoren, innerhalb eines Systems, das Disney kuratiert, markenrechtlich absichert und am Ende selbst monetarisiert. Für OpenAI ist Disney der große Ritterschlag aus Hollywood. Ein erster Big-IP-Partner, das hat Signalwirkung in eine verunsicherte Branche. Und, der Deal liefert nicht nur frisches Kapital, sondern vor allem ein Schaufenster, um Sora von einer nerdigen Tech-Demo zum Mainstream-Produkt für Entertainment zu machen. Wird dieser Vertrag zu einer Art Blaupause für kommende Verhandlungen zwischen Studios und KI-Firmen? Mit klar definierten Lizenzräumen, Ausschlüssen und Sicherheitsnetzen? Man weiß es nicht. Aber andere Rechteinhaber sollten sich nun entscheiden, ob sie weiter klagen, abwarten oder ebenfalls eigene Modelle für „kontrollierte Ko-Kreation“ aufsetzen. Die Risiken wie Markenverwässerung, „AI-Slop“ oder neue Konflikte mit Kreativen verschwinden damit nicht. Aber sie werden verhandelt statt verdrängt. Der Disney–OpenAI-Deal markiert damit vielleicht den Übergang von der Abwehrschlacht zur Gestaltung. Wer IP besitzt, muss jetzt definieren, wie viel KI er zulässt - und zu welchen Bedingungen.
Welchen Essay mit welcher These fand ich ich interessant?
In einer Welt saturierter Aufmerksamkeit und und immer günstiger werdender Content-Produktion durch KI bestehe der Hebel nicht darin, noch mehr Menschen zu erreichen, sondern die vorhandenen Fans deutlich besser auszuschöpfen. So argumentiert der US-Analyst Doug Shapiro und nennt das „Fan-Surplus“, in Anlehnung an das ökonomische Konzept des „Consumer-Surplus“, also den Mehrwert, den Kund*innen eigentlich noch ausgeben und investieren würden, der aber häufig im Standardangebot gar nicht abgefragt wird. Wer verstehen will, wie dieses Fan-Surplus heute funktioniert, sollte nicht nach Hollywood, sondern in die Gaming-Welt schauen. Riot Games und Epic haben daraus ein System gemacht. Spiele wie League of Legends und Fortnite sind in der Basis kostenlos, die eigentliche Wertschöpfung passiert bei „Skins“ (digitale Outfits/Designs für Spielfiguren und Items), Battle Passes, In-Game-Events und digitalen Statussymbolen. Wenige Prozent der Spieler (nur die echten Superfans) finanzieren so über Ausstattung und Zusatzcontent weite Teile des Systems. WWE und die Formel 1 gehen einen ähnlichen Weg im Live-Bereich. Mehrtägige Event-Erlebnisse, Paddock Clubs, Conventions, personalisierte DTC-Angebote, flankiert von Serien (etwa „Drive to Survive“) und Social-Content, die neue Fans überhaupt erst in die Erlösleiter hineinziehen. Was bedeutet das für klassische Sender, Studios und Verlage? Wer Fandom weiter als Marketinganhängsel behandelt – ein paar Social-Media-Manager hier, ein Community-Team da, eine Fan-Convention im Jahr –, der verschenkt möglicherweise systematisch Geld. Die strategische Frage lautet vielleicht nicht mehr nur „Wie steigern wir Reichweiten?“, sondern „Wie bauen wir Produkte, Plattformen und Preislogiken um unsere fünf bis zehn Prozent härtesten Fans herum aus, und heben deren Fan-Surplus?“. Vielleicht mal ein Denkanstoß.
Mehr zur These findet ihr hier
Welchen „Werbe-Fail“ sollte jeder selbst beurteilen?
McDonald’s ließ in den Niederlanden einen komplett KI-generierten Weihnachtsspot laufen, entwickelt von TBWA/Neboko und der Produktionsfirma The Sweetshop. 45 Sekunden Dezember-Chaos: brennende Tannenbäume, Stress, mieses Wetter, dazu eine ironisch umgetextete Version von „It’s the Most Wonderful Time of the Year“, jetzt „The Most Terrible Time of the Year“. Die Botschaft: Wenn draußen alles schiefgeht, bist du bei McDonald’s im Warmen.
Dann der Shitstorm. In Social Media hieß es „gruselig“, „seelenlos“, Screenshots mit typischen KI-Artefakten machten die Runde. McDonald’s zog den Spot zügig zurück. Die Erzählung stand. Das Publikum lehnt KI-Werbung ab, Case closed. Die Produktionsfirma betonte, ein zehnköpfiges Team habe sieben Wochen hart gearbeitet, also mehr Aufwand als bei einem klassischen Dreh. Das kam mir Spanisch vor. Also fragte ich einen deutschen Experten, der mir sagte (Zitat): „Den Spot hätten wir in zwei Tagen mit zwei Leuten umgesetzt. Die Fehler auszubügeln braucht VFX-Expertise, kannst du noch eine Woche dazurechnen.“ Da die niederländischen Kollegen sicher nicht schlechter sind, spricht das eher für Endlos-Abnahmeschleifen mit Agentur und Kunden als mangelnde Expertise. Anyway, das ist auch nicht mein Punkt. In der vielfältigen Rezeption hat u.a. „absatzwirtschaft“-Chefredakteur Andreas Marx den Spot als exemplarisches KI-Missverständnis und Beleg eines Marktversagens gedeutet. Das sehe ich anders. Ich habe den Film gesehen und hatte nicht diese heftige Ablehnung. Man erkennt die KI-Ästhetik, ja. Er ist für meinen Geschmack auch kein Meisterwerk. Aber er ist eine durchaus konsequente, leicht überdrehte Zuspitzung auf das „Worst-Case-Weihnachten“, wie es viele Menschen empfinden. Für eine Fast-Food-Brand also nicht abwegig. Der eigentliche Fehler lag für mich weniger im Spot als in seiner Rahmung, in der Kommunikation „mit KI produziert“. In dem Moment, in dem eine Marke offensiv sagt „Das hier ist KI“, sehen viele Menschen nicht mehr einen Film, sondern ein Statement. Aus einem Werbespot wird ein politisch aufgeladenes Objekt: Ist KI gefährlich? Zerstört sie Jobs? Ist das noch „echte“ Werbung? Die Reaktionen fallen dann weniger zur Ästhetik oder zur Story aus, sondern zur Technologie dahinter. Deshalb halte ich diesen Fall für ein gutes Beispiel, bei dem sich jede und jeder einmal selbst eine Meinung bilden sollte. Ist der Spot wirklich so schlimm oder reagieren wir vor allem auf das Label „KI“? Denn eines ist klar: Fälle wie dieser werden sich häufen. Marken werden weiter mit KI experimentieren, mal mehr, mal weniger gelungen.
Und was war für mich zweifellos der TV-Shit-Show-Moment des Jahres?
Die Verleihung des neu erfundenen „FIFA-Friedenspreises“ an Donald Trump. Ich hatte in der Überschrift ja versprochen, es ginge nochmal um ihn. Ein willkürlicher Fantasie-Orden nebst Preis, den Boss Gianni Infantino als eine Art Nobelpreis-Ersatz eigens für seinen Lieblingspräsidenten gestiftet hat. Verliehen im Rahmen der WM-2026-Gruppenauslosung im Kennedy Center in Washington, wo der Fußball nur noch Kulisse für eine Polit-Show war. Die „Süddeutsche Zeitung“ kommentierte trocken: „Sieht aus wie Satire, ist offenbar ernst gemeint.“ Weitere Pressestimmen sprachen von einem „widerwärtigen Theaterstück.“ Die „taz“ nannte die Gala eine „groteske Veranstaltung“ und Infantinos Auftritt den Weg „von Katar zum Kotau“. Der „Independent“ beschrieb die Auslosung als „hochpolitisierten“ Vorgeschmack auf eine „dystopische“ Fußballzukunft, der „New Yorker“ als „schräges Spektakel.“ „The Guardian“ sprach von einer kitschigen, protzigen Show, maßgeschneidert für „das wertvollste Ego der Welt.“ Und der Schweizer „Blick“ brachte es für mich mit der Diagnose auf den Punkt, die Ehrung sei „kein Friedensakt, sondern ein Deal.“ Im Zentrum Gianni Infantino, der schon in Katar jede Schamgrenze beim Anbiedern an Gastgeber und Autokraten eingerissen hat und nun wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die politische Neutralität der FIFA mal wieder zur Ethikfrage geworden ist. In Washington traf dieser Fußball-Monarch auf einen US-Präsidenten, der in Sachen Ego ähnlich kalibriert ist. Zwei Narzissten, bar jeder Schamgrenze, die sich auf offener Bühne gegenseitig vergolden und den Fußball zur Staffage degradieren. Der steht im Kern für die Liebe zum Spiel, weltweit für Fairness, Teamgeist und gemeinsame Leidenschaft auf dem Platz und eben nicht für die größenwahnsinnige Selbstbeweihräucherung zweier alter Männer, die das Spiel nur als Bühne für ihre persönliche Selbstinszenierung benutzen. Ich schließe mich deshalb vollumfänglich der Einschätzung des FC Augsburg-Geschäftsführers Michael Ströll im letzten Sport1-Doppelpass zur Causa an: „Brechreiz.“
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