Es war ganz sicher kein Zufall, dass ausgerechnet Ulrich Meyer als letzter Gast in Harald Schmidts Late-Night-Show in Sat.1 auftrat, schließlich leiht kein anderer Moderator dem zuletzt arg gebeutelten Sender so lange sein Gesicht wie er – inzwischen sind es bereits 20 Jahre, die meisten davon präsentierte er seine „Akte“. Das war schon so als Schmidt 1995 zu Sat.1 kam und ist auch heute nach seinem Abgang nicht anders. Schmidt selbst hielt bei seinem zweiten Anlauf hingegen nur ein gutes halbes Jahr durch, ehe er weiterziehen muss. Und diesmal, das ist wohl gewiss, wird es die Endstation sein.

Beim Bezahlsender Sky wird Schmidt ab dem 11. September endgültig vor einem Nischenpublikum senden. „Es war eine schöne und erfolgreiche Zeit hier in Sat.1. Das sage ich ganz ehrlich und unverschlüsselt“, scherzte Schmidt am Donnerstag in seiner Show hinsichtlich der eigenen Zukunft und fügte wenig später hinzu: „Moderatoren kommen und gehen, der Sender bleibt.“ Unrecht hat er damit nicht, gerade in Sat.1 ist die Liste der Moderatoren, die kamen und gingen, inzwischen auf eine beachtliche Länge angewachsen. Der Abschied von Harald Schmidt dürfte bei all den Kerners und Pochers, die zwischenzeitlich mit eigenen Sendungen vertreten waren, allerdings der mit Abstand bitterste sein.

Er ist nicht bitter, weil die Quoten der „Harald Schmidt Show“ schon kurz nach dem Comeback auf katastrophale Tiefstwerte fielen, sondern viel mehr, weil mit Schmidt zugleich eine Ausnahmeerscheinung die Bühne verlässt. Freilich: Aus der Welt ist er nicht, denn wer Schmidt weiterhin wirklich sehen möchte, kann dies natürlich tun. Die wirklich traurige Erkenntnis von Schmidts Wechsel ins Pay-TV ist allerdings die Tatsache, dass es sich offenkundig kein großer – wohl gemerkt: frei-empfangbarer – Sender mehr erlauben kann oder will, einem Mann eine Spielwiese zu bieten, der mit den meisten seiner Shows weit über dem liegt, was heutzutage gerne als Mittelmaß betrachtet wird.

Wer Schmidt Müdigkeit und Langeweile vorwirft, hat seine Sendung jedenfalls offenkundig lange nicht gesehen. Vielleicht war er nicht so stark wie zum Ende seiner ersten Sat.1-Zeit, doch viel fehlte dazu in den vergangenen Wochen häufig nicht. Denn Schmidt traute sich was: Erst vor wenigen Tagen lud er die Bochumer Symphoniker ins Studio, um eine Stunde lang klassische Musik zu präsentieren. Erst dirigierte er wie einst Loriot, dann sang Anke Engelke. Klar: Quotenkönig wird man damit nicht. Erst recht nicht auf einem Sender, bei dem gestellte Richter- und Ermittlershows gemeinsam mit stundenlangen Krimi-Wiederholungen den mit Abstand größten Programmanteil ausmachen. Eine Sendung wie die „Harald Schmidt Show“, die es sich erlaubt, mal mehr, mal weniger stark vom Mainstream abzuweichen, wird dort vom Publikum womöglich erst gar nicht mehr gesucht.

Man muss ganz sicher kein Fan von Harald Schmidt sein, um diese Entwicklung des deutschen Fernsehens bedauerlich zu finden. Schmidt selbst, der übrigens erst am Mittwoch mit gerade mal noch 400.000 Zuschauern einen neuen Tiefpunkt markierte, ist bei aller Kritik jedoch eines gelungen: Trotz zuletzt immer weiter gesunkener Quoten hat er seinen Marktwert erhalten. Für Sky ist einer wie er so etwas wie der größtmögliche Glücksfall. Die Zahl der Abos, die wegen Schmidts Paid-Night-Show zusätzlich verkauft werden, wird sich gewiss in Grenzen halten. Der Image-Faktor ist allerdings ebenso wenig zu unterschätzen wie die Tatsache, dass das Bezahlfernsehen in Zukunft womöglich mehr und mehr einspringen muss, um Formate zu zeigen, für die sich Sat.1 & Co. inzwischen zu schade geworden sind.

Damit böte Sky tatsächlich ganz nebenbei erstmals abseits des Fußballs eine echte Alternative zu all den Sendern, für die wir nichts bezahlen müssen. Insofern ist Schmidts Abgang von Sat.1 ein alarmierendes Zeichen für all diejenigen, die gerne mehr sehen wollen als die zwölfte Castingshow, das zwanzigste Pilawa-Quiz oder die sechsundvierzigste Talkshow über Hartz IV und die Gesundheitsreform. Das Fernsehen braucht einen Harald Schmidt, der – wie in seiner letzten Sat.1-Ausgabe am Donnerstag – seine Zuschauer im Jaguar nach Mülheim fährt und der sich vom als Sommerpause verkleideten Olli Dittrich im Bollerwagen zu den Klängen zu "Lucy in the Sky with Diamonds" aus dem Studio ziehen lässt. Ob Sky tatsächlich, wie Schmidt sagt, der Himmel auf Erden ist, wird sich zeigen. Es ist zumindest beruhigend zu wissen, dass Harald Schmidt auch im Herbst noch senden wird.