In die Reihe der, freundlich formuliert, unglücklichen Rhetorik reiht sich auch jener Lautsprecher Keese ein. Gegenüber dem Medien-Fachblatt "Horizont" sagte er: "Warum soll ein Verlag nicht sagen dürfen, für wen und in welchen Auszügen ein Text für welchen Preis gewerblich kopierbar oder nicht kopierbar sein soll? Google ist eine Art Taliban und wehrt sich gegen jede Art von Fortschritt." Solche Aussagen machen zunächst sprachlos und lösen danach eine große Besorgnis um Christoph Keese aus.

Er wie auch andere Verlagsvertreter waren es, die sich laut empörten über Google. Dabei ist der Netz-Riese weder ausfallend geworden. Noch unverschämt. Noch hätte er gelogen. Nein, das übernimmt Keese in Personalunion selbst. Während Google mit Argumenten wirbt, die man teilen kann oder eben auch nicht, besinnt sich Ex-Journalist Keese auf verbalen Angriff unterster Schublade. Nur weil der eigene Vorstandsvorsitzende im gleichen Rausch ist, sitzt Keese dafür noch nicht vor der Tür.

Anders kann man sich nicht erklären, wie ein Unternehmen ernsthaft toleriert, dass sein Cheflobbyist einen Geschäftspartner mit extremen Islamisten, verantwortlich für den Tod von tausenden Menschen, vergleicht. Doch abgesehen von diesen beiden verbalen Amok-Läufern von Axel Springer bleibt erfreulicherweise festzuhalten, dass mit andauernder Debatte über das Leistungsschutzrecht die Berichterstattung in der deutschen Printlandschaft vereinzelt doch wieder ausgewogene Züge annimmt.

Dass das jedoch eine Erwähnung wert ist, verdeutlicht wiederum das Trauerspiel in einer Debatte, die keine ist. Denn wenn Christoph Keese wiederholt davon spricht, Google würde Texte "gewerblich kopieren", dann ist das eben eine Lüge. Es erweckt den Eindruck Google würde journalistische Erzeugnisse in Gänze kopieren oder verbreiten, was nicht stimmt. Und die Verlage könnten selbst die Verbreitung von kurzen Teasern unterbinden. Doch wer das nicht tut und seine Inhalte gratis zur Verfügung stellt, soll doch bitte später nicht behaupten, ihm sei etwas geklaut worden.

Das Wort Leistungsschutzrecht suggeriert, dass es etwas zu schützen gäbe. Und weitergedacht: Dass es jemanden gäbe, vor dem man Leistungen schützen müsste. Nur niemand bedroht die Leistungen von Journalistinnen und Journalisten. Google und Google News gibt es seit vielen Jahren. Lange Zeit hat sich niemand aufgeregt. Im Gegenteil: Die Verlage überboten sich mit Suchmaschinen-Optimierung. Das einzige Ziel war: Möglichst oft, möglichst hoch bei Google auftauchen. Man hat Google seine Inhalte förmlich aufgedrängt.

Das Horrorszenario vom bösen Google kam erst auf, als Verlage alternative Einnahmequellen suchten. Deswegen darf nicht der Fehler gemacht werden, die hausgemachten Fehler und das Scheitern von einzelnen Medien in Deutschland, die derzeit Schlagzeilen machen und für eine besorgte Stimmung sorgen, Google in die Schuhe zu schieben. Das ist bequem aber nicht korrekt. Es sind zwei verschiedene Diskussionen. Gegen das Leistungsschutzrecht zu sein, bedeutet nicht, dass einem die Zukunft des Journalismus egal ist. Diese populistische Unterstellung kommt gerne von Seiten der Verlage. Sie lenken damit aber nur einmal mehr ab.

Nachtrag: Am Donnerstagnachmittag rudert Christoph Keese zurück und wundert sich in seinem eigenen Blog über die Kraft seiner selbst gewählten Worte. Durch eine Verkürzung seiner gegebenen Antwort durch den "Horizont" sei ein etwas falscher Eindruck erstanden. Keese in seinem Blog: "'Taliban' ist der falsche Ausdruck. Gemeint habe ich 'starr' oder 'orthodox'. Weder gesagt noch gemeint habe ich aber, dass Google ein fundamentalistischer Glaubenskrieger sei."