Die kanadische Schauspielerin Ellen Page (bekannt u.a. aus dem Film „Juno“) hat es in ihrem Coming Out am Valentinstag betont - und viele homosexuelle Schauspiel-Kolleginnen und -Kollegen aus dem anglo-amerikanischen Raum bei ihrem Coming Out zuvor auch. „I’m here today because I am gay. And because... maybe I can make a difference. To help others have an easier and more hopeful time. Regardless, for me, I feel a personal obligation and a social responsibility“, so Page in ihrer insgesamt bemerkenswerten Rede bei einer Veranstaltung der Human Rights Campaign.



Wann immer Personen aus dem öffentlichen Leben, der Kunst oder Medien in den vergangenen Jahren ihr Coming Out hatten, dann ging es Ihnen in damit verbundenen Aussagen fast immer auch um eben diese "persönliche Verpflichtung und gesellschaftliche Verantwortung", wie Page es formulierte. Also den Wunsch und die Hoffnung mit der eigenen Geschichte vielleicht einem Mädchen oder Jungen da draußen zu helfen, in dem man signalisiert, dass es nicht allein ist und auch der geliebte Filmstar oder gefeierte Serienheld schwul oder lesbisch sein kann. In den USA wurde das Thema u.a. auch durch eine tragische Serie an Selbstmorden unter schwul-lesbischen Jugendlichen sehr präsent. Schon im Alter von 20 Jahren bezeichnete es Chris Colfer ("Glee") als Geschenk durch seine Popularität bei dem Thema hoffentlich etwas bewirken zu können.

Vor knapp drei Jahren schrieb das Medienmagazin DWDL.de über das Thema „Schwule vor der Kamera: Die verlorene Generation“. Und die Frage war damals wie heute die gleiche. Warum eigentlich outen sich im anglo-amerikanischen Raum in den vergangenen zwei, drei Jahren so derart viele Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen - nur in Deutschland kaum? Es ist wohl auszuschließen, dass Deutschland einfach sehr viel heterosexueller ist. Was also führt dazu, dass so viele Kolleginnen und Kollegen in der deutschen Fernseh- und Filmbranche sich lieber ein Stück weit selbst verleugnen als den sehr großen kleinen Schritt zu tun?

Im Januar überschlugen sich die deutschen Medien mit der Berichterstattung zum Coming Out des ehemaligen Fußballprofis Thomas Hitzlsperger. Es war fast ein abschreckendes Beispiel dafür, wie sehr Medien in Deutschland bei diesem Thema hyperventilieren. Normalität sieht anders aus. Ob Hitzlsperger denn nun solo sei, ob er sich Heirat vorstellen könne oder vielleicht auch Adoptionen? Seine Sexualität nicht mehr verstecken zu müssen, verwechselten erschreckend viele Medien mit der Annahme, das Privatleben preis geben zu wollen. Doch genau da liegt der feine Unterschied zum Anliegen eines Thomas Hitzlsperger oder einer Ellen Page.

Bei Ihrem Coming Out geht es nicht nur um sie als Privatperson, auch wenn Boulevard-Medien das gerne so interpretieren. Es ging ihnen erklärtermaßen um Signale - in die Branchen hinein, in denen sie arbeiten und in die Gesellschaft. In Deutschland tat das zuletzt Schauspieler Lars Steinhöfel. Auch der 28-jährige „Unter uns“-Star sagte, er „wolle so anderen Mut machen.“ Da klingt sie wieder durch, die Verantwortung. Sein Coming Out war für die Medien übrigens nicht halb so attraktiv wie das eines ehemaligen Fußballspielers. Dabei hat es erschreckenderweise beinahe den gleichen Seltenheitswert. Glauben Sie nicht?

In den USA haben sich allein in den vergangenen drei Jahren u.a. Zachery Quinto („Heroes“, „Star Trek“), Sean Maher („Firefly“), Jim Parsons („The Big Bang Theory“), Matt Bomer, („White Collar“), Anderson Cooper (CNN), Andrew Rannells („Girls“, „The New Normal“), Wentworth Miller („Prison Break“), Jodie Foster, Tuc Watkins („Desperate Housewives“), Maria Bello („Emergency Room“), Matt Dallas („Kyle XY“), Victor Garber („Alias“, „Eli Stone“), Ben Whishaw („Skyfall“), Maulik Pancholy („30 Rock“, „Weeds“) und jetzt eben jüngst Ellen Page geoutet. Gar nicht mitgezählt sind unzählige Nachrichtenmoderatorinnen und Moderatoren der in den USA bedeutsameren Lokalsender und RealityTV-Stars.

Und in Deutschland? Da kam erst einmal lange nichts - und dann "nur" Lars Steinhöfel, was ihm gegenüber gar nicht böse gemeint ist. Steinhöfel bekam auch prompt Rückendeckung vom Arbeitgeber, dem TV-Produzenten UFA Serial Drama. Doch auch wenn Kampagnen wie diese („Jeder wie er will“) oder die Aktion der deutsche „GQ“-Ausgabe („Mundpropaganda“) sehr begrüßenswert sind, so demonstrieren sie ja gleichzeitig, dass unsere Gesellschaft auch im Jahr 2014 noch nicht so weit ist, wie sie schon zu sein glaubt. „Menschen bei Maischberger“ lässt grüßen. Und das gilt eben auch für die Fernsehbranche: Natürlich gehört sie zu den eher toleranteren Arbeitsumfeldern, die man sich vorstellen kann. Doch das gilt nur so lange, wie man nicht auf die Meinung der Masse angewiesen ist.