Serien sind viel und im besten Fall vor allen anderen Dingen hervorragende Unterhaltung. Eins jedoch sind Serien immer: Eine Vertrauensfrage. Es geht um Vertrauen in den Autoren bzw. Showrunner, der hoffentlich weiß wohin die Reise gehen soll. Es geht um Vertrauen in den ausstrahlenden Sender, der hoffentlich durchhält und nicht bei schwachen Quoten schnell die Nerven verliert. Und um Vertrauen in Freunde und Kollegen, die manchmal vielleicht sogar penetrant von einer Serie schwärmen und felsenfest davon überzeugt sind, dass sie einem total gefallen werde.



Am Freitagabend zeigt ZDFneo die Deutschland-Premiere der kanadischen Serie "Orphan Black", die vielleicht auch aufgrund ihrer Herkunft international noch nicht die ganz großen Schlagzeilen gemacht hat. Oder liegt es doch daran, dass Sie einfach nicht gut ist? Nein, "Orphan Black" ist der Beleg dafür, dass herausragende Serienware längst nicht mehr nur aus den USA kommt. Und während wir in Deutschland zwar inzwischen auch britische oder skandinavische Serienkost serviert bekommen, so ist dies eine der wenigen kanadischen Produktionen, die den Weg zu uns finden.

"Orphan Black", zu deutsch etwa "Schwarze Waise", erzählt die Geschichte von Sarah Manning (gespielt von der in Deutschland weitgehend unbekannten Tatiana Maslany), die den Selbstmord einer Frau beobachtet, die erschreckenderweise exakt so aussieht wie sie selbst. In Geldnot nutzt sie kurzerhand die Gelegenheit und will in der Rolle der Toten ihr Bankkonto plündern. Doch das bringt Sarah in nicht für möglich gehaltene Schwierigkeiten - und uns als Zuschauer zu einem der packendsten Serien-Piloten der letzten Zeit, denn nicht nur die Tote sah exakt so aus wie Sarah.

Natürlich sind Serien am Ende auch Geschmackssache, doch schon nach einer Folge diese sehr eng an die Realität geknüpfte Science-Fiction-Serie weiß man zweifelsohne, ob es passt oder nicht. Und wer dem Genre grundsätzlich offen gegenüber steht, der wird definitiv in den Bann der Story gezogen über die ich deshalb an dieser Stelle nicht zu viel verraten will. Was mich berauscht hat an "Orphan Black" ist eine originelle Story und temporeiche Umsetzung, die einen Sog entwickelt. Das ist keine Serie von der man erst mehrere Folge gesehen haben muss, um drin zu sein, so wie es etwa für die "Sopranos" und manch anderes Meisterwerk gilt.

Hier brauchen Sie nicht den Beteuerungen von Freunden oder Kollegen vertrauen, dass sich ein Durchhalten irgendwann lohnt. "Orphan Black" legt schon einen vielversprechenden Start hin. Sie brauchen aber auch nicht blind auf Autoren und Showrunner vertrauen: Die Serie hält über die erste Staffel hinweg das starke Niveau des Piloten und ist in Kanada und den USA gerade erfolgreich in die zweite Staffel gestartet. Dort ist "Orphan Black" längst zum Sparten-Kult geworden. Wie passend also, könnte man meinen, dass sie in Deutschland bei ZDFneo läuft. Das befreit Sie als Zuschauer übrigens auch vor der Sorge, ob der Sender die Ausstrahlung durchhalten wird. Dieser Unsitte ist ZDFneo relativ unverdächtig.

Die deutsche Synchronfassung der Serie ist übrigens gut gelungen, doch ganz ohne einen Wermutstropfen ist sie nicht: Die verschiedene Dialekte einiger Personen sind im deutschen nur teilweise übernommen. Das wird Puristen ärgern, aber nimmt "Orphan Black" nicht seine Sehenswürdigkeit, die übrigens auch noch durch den unbezahlbaren Aspekt, dass man sich als Zuschauer häufig fragt "Was würde ich an Sarahs Stelle tun?", gewinnt. Action, Spannung, Mystery und Emotionen - in den ersten 45 Minuten steckt alles und ist dazu noch so stylish verpackt wie man es zuletzt aus skandinavischen Produktionen kennt.

"Orphan Black" läuft ab heute Abend freitags um 22.00 Uhr bei ZDFneo in Doppelfolgen.