Ihre Rückkehr hat gegenüber einem neuen Gesicht auf diesem prominenten Sendeplatz auch einen entspannenden Nebeneffekt: Es kann gar nicht erst die naive Erwartungshaltung geschürt werden, dass jetzt alles komplett anders werde und man das Genre neu erfinde; dass da ein Erlöser oder eine Erlöserin kommt. Lesen Sie dazu beispielsweise mal die aus heutiger Sicht noch absurderen Vorschusslorbeeren auf Günther Jauch. Anne Will ist Anne Will - ihr Stil ist bekannt und ihr Erfahrungsschatz groß.

Bleibt nur zu hoffen, dass die ARD nicht der Versuchung erliegt, das Format nur wegen des Sendeplatzwechsels auf den Sonntagabend einmal komplett auf links drehen zu wollen - oder mit Gimmicks einen puren Talk zu verschlimmbessern. Aber es lässt sich ja Vernunft erkennen, auch daran, dass es ab 2016 dann nur noch drei statt wie in den vergangenen Jahren fünf Talkshows im Ersten gibt. „Einigkeit besteht in der ARD darüber, dass es kein neues politisches Talkformat auf diesem Platz geben wird“, hieß es in der Pressemitteilung.

Wie der derzeitige Sendeplatz von "Anne Will" am Mittwoch ab dem kommenden Jahr genutzt werde, sei noch offen. Dabei liegt die Lösung für diesen Sendeplatz auf der Hand: Das einst im WDR so gefeierte Polit-Format „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg steht seit seinem Wechsel im Ersten unter dem Druck der Primetime. Die oftmals dementsprechend sehr populäre Themenwahl und eine Programmierung im Schatten des Sonntagstalk haben dem Format nicht gut getan.

Wenn Frank Plasberg Anne Will wäre, würde er einen Wechsel auf den späteren Mittwochabend als Chance verstehen. Ein „Hart aber fair“ abseits der Primetime würde dem per Konzept konfrontativen Talk die Chance geben, seine Stärken besser  auszuspielen. Die Themen könnten spitzer; die Auseinandersetzungen härter werden. Die Redaktion der Sendung würde mit einem Sendeplatz am späteren Mittwochabend die Hoheit über die Themenwahl zurückerlangen.

Am Montagabend nach den „Checks“ ist man jedenfalls zu oft der Versuchung bzw. Erwartung erlegen, das Vorprogramm thematisch aufzugreifen. Gleichzeitig könnte man inhaltlich aus dem ewigen Schatten des Sonntagstalk treten und die ARD ihre Talk-Woche im Ersten besser ausbalancieren statt ihre drei Talks hintereinander am Sonntag, Montag und Dienstag zu programmieren. Daraus wiederum ergeben sich spannende Chancen für den Montagabend im Ersten. Der ließe sich komplett neu gestalten. Die seichten „Checks“ um 20.15 Uhr standen der ARD ohnehin noch nie gut zu Gesichte.

Selten bietet sich den Öffentlich-Rechtlichen mit ihren oftmals festgefahrenen Programmstrukturen so eine einmalige Chance wie der ARD in diesem Fall. Eine sinnige Lösung für den einen Sendeplatz (späterer Mittwochabend) sorgt für die großartige Gelegenheit einen ganzen Abend neu überdenken zu können. Wenn Frank Plasberg und die ARD etwas von Anne Will lernen können, dann sicherlich das: Unbequeme Veränderung als Chance zu begreifen. Frei von Eitelkeiten.