Es wurde nur ein bisschen renoviert. Etwas weniger kuschelig kommt es daher, das Studio von Anne Will. Der rote Teppich ist raus, das Beige ist einem seriösen Blau gewichen und generell wirkt es, als habe irgendjemand das große Licht eingeschaltet – ganz so, als wolle man dem geneigten Publikum mehr oder weniger unterschwellig vermitteln, dass Anne Will nach der eher unfreiwilligen Verbannung auf den späten Mittwochabend nun wieder im Rampenlicht angekommen ist.

Sich gegen Glanz und Gasometer entschieden zu haben, spricht ganz nebenbei bemerkt für die Polittalkerin, die bei ihrer Sonntags-Rückkehr zunächst nicht eine Silbe dafür verschwendete, ihren spätem Triumph zu feiern. Erst ganz am Ende, als Caren Miosga bei der Übergabe zu den "Tagesthemen" sagte, dass erfreut sei, nun wieder sonntags mit ihr sprechen zu können, antwortete Will, dass auch sie sich freue. Nun ist sie also zurück auf dem prestigeträchtigsten Talkshow-Sendeplatz der Nation, nach mehreren Jahren des aus Quotensicht durchaus erfolgreichen Jauch-Missverständnisses.

Dabei hatte die Moderatorin zuletzt mehrfach betont, es nicht auf eine Rückkehr angelegt zu haben. Es spricht im Übrigen auch für sie, dass sich Will nach ihrer Degradierung nicht entmutigen ließ und stattdessen mit Leistung antwortete. Die Jahre abseits des Rampenlichts nach dem "Tatort" sind ihr jedenfalls durchaus gut bekommen. Während sich Jauch häufig mühte, die Fäden seines Talks in den Händen zu behalten, hatte Will zu später Stunde die Gelegenheit, das einst hämisch beäugte "Betroffenen-Sofa" auf den Sperrmüll zu bringen und im Gegenzug ihre Form des Fragens zu perfektionieren.

Und weil in all den Jahren die Gewissheit reifte, dass kleinere Runden in der Regel für größere Erkenntnisse sorgen, hat sie am Sonntag nur vier Gäste ins Studio nach Adlershof geladen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Politologin Gesine Schwan, Autor Ahmad Mansour und WeltN24-Chefredakteur Stefan Aust debattierten eine Stunde lang über die Silvesterangriffe von Köln und deren Folgen. Dabei ging es gleich zur Sache: Nach einer kurzen Begrüßung und einem ebenso kurzen Einspieler legten die Diskutanten los, sprachen über Gewalttätigkeit bei Flüchtlingen, die Sorge vor Parallelgesellschaften und die Frage, ob es sich bei den Ereignissen im Schatten des Doms in Wirklichkeit womöglich um ein Versagen des Staates handelte.

Immer wieder bot die Runde spannende Momente. So etwa, als Schwan – einst Anwärterin aufs höchste Amt im Staate – von einer "gewissen Bagatellisierung der Kanzlerin" sprach und daran erinnerte, dass Merkel es war, die Rita Süßmuth vor zehn Jahren attackierte, weil diese an einem Einwanderungsgesetz arbeitete, das heute wohl dringend nötig wäre. Mansour kritisierte dagegen eine "Doppelmoral", weil gegen den Völkermord in Syrien als Ursache für den Flüchtlingsstrom jahrelang nichts unternommen worden sei. Dazwischen lieferten sich Aust und Altmaier immer wieder kleinere Wortgefechte, die jedoch zumeist in einem Unentschieden endeten.

Als der Chef des Kanzleramts davon sprach, dass im Januar bisher im Schnitt weniger als 2.000 Menschen pro Tag nach Deutschland kamen, hielt Aust ihm eine viel höhere Zahl vor, was Altmaier aber recht gekonnt zu parieren wusste. Er übte sich stattdessen einer Mischung aus Diplomatie und Demut und verwies auf sein gutes Gewissen – nur über Helmut Kohl durfte er dann doch nicht sprechen. Als der Name des Altkanzlers über seine Lippen kam und die Diskussion allzu gestrig zu werden drohte, war Anne Will zur Stelle und bat um Ruhe. Das war vermutlich ihr stärkster Moment an einem Abend, der unterm Strich zwar wenige Überraschungen bot, dafür aber über weite Strecken hinweg lebhafte Auseinandersetzung über ein Thema, das vermutlich nicht zum letzten Mal besprochen wurde. Das Betroffenen-Sofa wurde übrigens ebenso wenig vermisst wie Günther Jauch.