Manchmal kommen sie beim Fernsehen schon auf schräge Ideen. So wie beim neuen Dreiteiler, mit dem das ZDF an diesem Sonntag startet. Er heißt schlicht und einfach „Ku‘damm 56“ und vereint eine Berliner Adresse mit jenem Jahr, in dem sich alles zuträgt: 1956. In Deutschland weiß man halt, dass der Ku‘damm einst Berlins Prachtmeile war. Beim Ausland ist man sich da offenbar nicht ganz so sicher. Dort vermarktet man die 270 Minuten kurzerhand mit einer Titelerweiterung. „Ku‘damm 56 – Rebel With A Cause“ heißt der Film, was eine ziemlich dreiste Anleihe ist beim aus dem Jahr 1955 stammenden James-Dean-Klassiker „Rebel Without A Cause“.

Selten lag man weiter daneben. „Denn sie wissen nicht was sie tun“ hieß der James-Dean-Film, als er in die deutschen Kinos kam. Er handelte von jungen Menschen, die sich in zweifelhafte Abenteuer stürzten, weil sie das Schweigen ihrer vom Weltkrieg gebeutelten Eltern nicht ertrugen. Eigentlich hatten sie es gut. Nach den kargen Jahren gab es wieder was. Sie hatten also vordergründig keinen Grund, aufmüpfig zu werden, aber sie rebellierten trotzdem.

Daran lehnt sich „Ku’damm 56“ nun dreist an, macht aber aus Rebellen ohne Grund Rebellen mit einem Grund. Die von Nico Hofmann und Benjamin Benedict betreute UFA-Fiction-Produktion wildert also beim berühmten Vorbild und versündigt sich dabei heftig. Das fällt insbesondere ins Gewicht, weil „Ku’damm 56“ in keiner Sekunde das Zeug zum Klassiker hat. Es ist ein netter, in die Länge gestreckter Ausstattungsfilm, in dem viel von erstarkenden Frauen in einer Männerwelt erzählt, aber nicht wirklich viel gesagt wird.

Alles dreht sich um die am Ku’damm 56 residierende Tanzschule Galant. Die wird geführt von einer gestrengen Mutter, deren einziges Ziel es ist, die drei Töchter möglichst bald unter die Haube zu bringen. Der Mann ist immer noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrt, und das Geschäft einer gepflegten Tanzschule wird nicht leichter in Zeiten, da der wilde Rock’n’Roll an die Türen klopft und die endlich wieder gepflegten Verhältnisse erneut zu zerrütten droht.

Claudia Michelsen spielt diese gestrenge Mutter, und damit hat der Film schon sein erstes Dilemma. Sie soll ganz offensichtlich etwas Gouvernantenhaftes ausstrahlen, kann aber in ihrer Maske immer nur konsterniert gucken. Offiziell soll sie nicht nur die Frau sein, die sich um ihre Töchter und die Tanzschule sorgt, sie muss auch ein dunkles Geheimnis hüten, was die Vergangenheit ihrer Institution angeht. Außerdem pflegt sie als immer noch verheiratete Frau ein pikantes Verhältnis zu einem Freund des Hauses (Uwe Ochsenknecht). Um all das bemüht sich Michelsen, aber je weiter der Film fortschreitet, desto mehr steht ihr das verzweifelte Bemühen ins starre Gesicht geschrieben. Von Gelingen kann da keine Rede sein.

Die drei Töchter sind im Drehbuch von Annette Hess so angelegt, dass sie wie Verbindungskabel in die zu erzählende Restwelt wirken. Die eine arbeitet in der Psychiatrie bei einem Professor, der gerne Elektroschocks verabreicht (Heino Ferch), eine andere schnappt sich einen adretten Mann, der aber sexuell nicht so ganz auf Linie zu kriegen ist, und die dritte mimt kurzerhand den James Dean in der Familie. Sie kriegt nichts so hin wie sie soll, sie weiß nicht, was sie kann. Nur dass sie den Zwängen einer überkommenen Konvention niemals gerecht werden wird, das weiß sie.

Ku'damm 56© ZDF/Stefan Erhard

Regisseur Sven Bohse hat „Ku’damm 56“ als Zeitenwende-Spektakel angelegt. Er beleuchtet die Tage im Jahre 1956 wie einen Bahnhof, in dem noch ein paar alte Züge stehen, in den aber ständig neue einrollen. Er zeigt, wie betonstarr die alten Verhältnisse sind, er belegt aber auch, wie wild das Neue gegen die Mauern anrennt.

Dabei verlässt Bohse sich vor allem auf Kostüm und Szenenbild. „Ku’damm 56“ ist opulent ausgestattet, glänzt mit wunderbar belebten Postkartenmotiven und lässt den Muff der 50er Jahre förmlich riechen. Leider hoppeln die Geschichten dieser optischen Qualität zwischendrin hoffnungslos hinterher. Die Frage, ob dieser Dreiteiler wirklich ein Dreiteiler werden musste, stellt sich zudem ein ums andere Mal. Am Ende des zweiten Teils kotzt jemand aufs Parkett, und dazu sülzt nerviges Gegeige die Gehörgänge zu. Da möchte man die Hoffnung schon final fahren lassen. Das sollte man indes nicht tun, denn im dritten Teil gibt es dann doch noch ein paar nette Momente, auch wenn das Finale ein bisschen sehr gewollt daherkommt.

Im Prinzip will diese Produktion von allem ein bisschen zuviel. Laufend werden die ganz großen Probleme angesprochen. Es geht um das, was kommt, um das, was aus Kriegszeiten unter den Teppich gekehrt wird, aber auch um das, was aus heutiger Sicht komplett aberwitzig erscheint. Männer durften bestimmen, ob ihre Frauen Auto fahren oder arbeiten dürfen, Homosexualität war unter Strafe gestellt und wurde mit Elektroschocks „behandelt“, und wenn sich zwei Liebende irgendwo trafen, machte sich der Zurverfügungsteller der Räumlichkeiten strafbar nach dem Kuppeleiparagraphen - Deutschland vor 60 Jahren, nicht sehr weit entfernt von jenen Verhältnissen, die heute in diktatorisch geprägten Staaten angeprangert werden.

Seine Zuschauer dürfte dieser Film trotzdem finden. Es gibt halt ein Publikum für diese süffige Mischung aus Schmalz und Schnulz, die gerne große Ambition vortäuscht, aber letztlich nicht mehr ist als ein bunter Bilderbogen, den man aber nach der Lektüre rasch beiseitelegt und sofort wieder vergisst.

Wie unausgegoren die ganze Angelegenheit ausfällt, zeigt sich ein wenig auch an der Verzweiflung der Vermarkter. So gibt es nicht nur fürs Ausland die Titel-Anleihen bei James Dean, auch hierzulande werden verzweifelt Vergleiche bemüht. So schreibt die Universum-Film über die Meldung von der DVD-Veröffentlichung am 29. April „‚Das Adlon‘ trifft auf ‚Mad Men‘!“. Viel hilfloser und falscher kann man sich nicht um Aufmerksamkeit bemühen.

Ku’damm 56 am 20., 21. und 23. März, jeweils 20:15 Uhr, ZDF