In Sönke Wortmanns Comicverfilmung "Der bewegte Mann" gibt es eine Szene, die einst Filmgeschichte schrieb: Um seiner männerbewegten Selbsthilfegruppe zu zeigen, wie abträglich Sprachverbote der gesunden Triebabfuhr sind, sagt er dreimal ein Wort, das in emanzipationsaffiner Runde streng verpönt war: Titten, Titten, Titten. Es klingt, als falle Ballast von ihm ab, es klingt nach Befreiung. Die hat wohl auch Hella von Sinnen im Sinn, als der Premierengast eines ungewöhnlichen Formats ungefragt intim wird: „Ich habe wieder Sex“, lautet ihr erster Satz in Moni’s Grill. Schon der zweite kennzeichnet die sperrangelweit offen homosexuelle Ulknudel dann als „Lesbe“. Und als die erste Interviewsequenz des Hybrids aus Talkshow und Kochsoap noch keine fünf Minuten alt ist, hat es sein obszönes Vokabular bereits um Begriffe von „ejakulieren“ über „Geschlechtsverkehr“ bis „Porno“ erweitert.

Wenn der vorwiegend biedere Kleriker-Kanal BR seinem Heimpublikum zur Abendbrotzeit (freitags, 19:30 Uhr) etwas derart Schlüpfriges serviert, erinnert das also stark an die Titten in Wortmanns reflexiver Männergruppe – als wolle der Unterhaltungszwitter das ortsübliche „Mia san mia“ um ein zünftiges „Wir können auch anders“ ergänzen und den ARD-Zuschauern, denen die Serie donnerstags kurz vor Mitternacht verabreicht wird, ein modernes Bayern zeigen. Allein: Die sind zwar weiterhin ganz sie selbst, können aber keinesfalls anders. „Moni’s Grill“ mag nämlich zeitgemäß (falsch) mit Apostroph geschrieben sein und auch sonst polyglottes Flair im bajuwarischen Ambiente verströmen; der Siebenteiler ist Fernsehen von vorvorgestern.

All die Gründe dafür aufzuzählen, dürfte an dieser Stelle mehr als sieben Teile in Anspruch nehmen; deshalb beschränken wir uns auf die wichtigen. Allen voran: das Personal. Da wären zunächst die Hauptdarstellerinnen Monika Gruber und Christine Neubauer. Sie spielen das ungleiche, aber unzertrennliche Schwesterpaar Moni und Toni Schweiger, die am Viktualienmarkt ein Restaurant betreiben, das von außen regionale Tracht, von innen kosmopolitische Pracht repräsentiert, also locker als Drehort eines CSU-Wahlwerbespots taugte.

In fortlaufend abgeschlossenen Episoden schmeißen zwei Powerfrauen ihren Laden ab heute mit viel Herz (also ortsüblicher Derbheit) und provinziellem Idiom (das anders als im realen München wirklich alle Anwohner pflegen), aber ohne zugehörige Männer. Die platzen ihnen höchstens mal als treulose Väter und nervige Verwaltungsbeamte oder wie es Monika Gruber nennt: „Hindernisse und Accessoires“ in den hektischen Alltag. Der überdies von einer zynischen Oma nebst naseweisen Enkelkindern verkompliziert wird. Und während Christine Neubauer als resolute Köchin mit Flammenstirnband Folge für Folge nachhaltig belegt, warum ihr Ruf im Filmfach zwar ungebrochen lausig ist, im Bauernschwanktheater jedoch zumindest daheim grundsolide, versucht sich die Kabarettistin Monika Gruber zwischen den Spielsequenzen als Talk-Host. Was sie mal besser bleiben ließe.

Denn die Dramaturgie – nächster Grund des Desasters – versucht, echte Promis in die fiktionale Handlung einzubinden, „die mir das Gefühl geben, wir hätten uns was zu sagen“, wie Monika Gruber ihre Gästeliste im Dreiergespräch erklärt. Der Auftakt mit Hella von Sinnen und Sonya Kraus im Anschluss legt jedoch die Befürchtung nahe, Georg Hackl, Regina Halmich, Wigald Boning oder auch Fritz und Elmar Wepper könnten ähnlich misslingen. Der Talk-Rookie verwechselt lockere Gesprächsführung ja nicht nur mit lobhudelndem Smalltalk; es fehlt jede Bindung zum Restinhalt, der – dritter Grund – von der ersten bis zur letzten Folge vollumfänglich zum Fortlaufen zu sein dürfte.

Spätestens hier kommt Regisseur und Autor Franz Xaver Bogner ins Spiel, der Monika Gruber und Christine Neubauer bereits im „Schmunzelkrimi“ München 7 als – Achtung! – ungleiche, aber unzertrennliche Powerfrauen am Münchner Viktualienmarkt besetzt hat. Während sie es dort allerdings gelegentlich zu einer Art humoristischen Relevanz mit soziokulturell angehauchtem Tiefgang bringen, schreibt ihnen der Showrunner nun Dialoge in Dramaturgien auf den bayerisch drapierten Leib, dass „Dr. Kleist“ verglichen damit grimmepreiswürdig erscheint. Wenn der dunkelhäutige Koch (Thiendou Isaak Cissé) akzentfrei bairische Bonmots streut und Oma Christa (Sarah Camp) im Hühnerstall Motorrad fährt, wenn Kinder Hermes oder Consulea heißen und bei aller Freakigkeit vorlaute Spießer voll Lebensklugheit sind, wenn Mieterhöhungen mit aufgeknöpftem Dekolletee verhindert werden und Finanzbeamte hässliche Brillen tragen, dann bedient sich die mecom fiction GmbH im BR-Auftrag des Humors der Lümmelfilmära und reichert ihn mit einer Prise Supernasen an.

Das ist umso ärgerlicher als die Idee des Hybrids durchaus charmant ist – hätte sie jemand anderes als Bogner mit anderen Protagonisten umgesetzt als Neubauer, die dafür eigens beim Spitzenkoch Alfons Schuhbeck hospitiert haben soll, und Gruber, die zwar „14 Jahre in der Gastronomie gearbeitet“ habe, aber eben bislang kein einziges im Talk-Genre. Sagen wir: Ina Müller & Tim Mälzer. Dann müsste man das Ganze zwar nordwärts verlegen, könnte also nicht andauernd werbewirksam, aber inhaltlich bedeutungslos die Touristenzone am Marienplatz ins rechte Licht setzen; doch der dauernde Fremdschämfaktor fiele weg. Christine Neubauer könnte nochmals ihre trotzig geäußerte Gewissheit überdenken, es seien „nur noch wenige, die von mir behaupten, bloß leichte Sachen zu machen“. Und Hella von Sinnen müsste vielleicht nicht ständig zwanghaft über Sex reden.

"Moni's Grill" läuft ab dieser Woche sieben Mal donnerstags um 23:30 Uhr im Ersten und wird freitags um 19:30 Uhr im BR Fernsehen wiederholt.