Ein Mann wacht desorientiert und ohne Erinnerungen auf einem Weinberg auf. Über ihm hängt eine tote Frau in den Reben. Verstört flüchtet er in das nahegelegene Dorf Kaltenzell, doch als der Held mit Helfern auf den Weinberg zurückkehrt, ist die Leiche verschwunden. Zurück im Dorf erkennt er am nächsten Tag in Sophia Finck, der verängstigten aber wohlbehaltenen Weinkönigin von Kaltenzell, die vermeintliche Tote wieder. Als die junge Frau am selben Abend tatsächlich verschwindet, beginnt der Held nachzuforschen - und stößt auf zahlreiche Geheimnisse und menschliche Abgründe in der Dorfgemeinschaft.

Das ist die Grundkonstellation von "Weinberg", einem Sechsteiler, der nicht so sehr als klassischer Krimi daherkommt, sondern mit seinen Psycho-, Mystery- und Märchen-Elementen für deutsche Verhältnisse sehr ungewöhnlich wirkt. Und er ist ungewöhnlich gut. Glücklicherweise ist es nämlich gelungen, eine deutsche Geschichte so erzählen, dass sie den Vergleich mit internationalen Standards keineswegs scheuen muss. Und vor Produktionen großer Sender muss sich "Weinberg" sowieso nicht verstecken. Das ist schon alleine deshalb nicht selbstverständlich, weil "Weinberg" vom kleinen Pay-TV-Sender namens TNT Serie in Auftrag gegeben wurde, für den die Produktion vor einem Jahr zu einer Art Aushängeschild werden sollte.

Dass "Weinberg" nun durch die Ausstrahlung bei Vox noch einmal einem breiteren Publikum zugängig gemacht wird, ist gleichwohl erfreulich – und streng genommen passt die Serie auch ganz gut hier her, schließlich ist die Produzentin auch eng mit dem Vox-Hit "Club der roten Bänder" verbunden. Müller kennt sich mit ungewöhnlichen Serien-Stoffen also bestens aus und konnte sich hier wie dort darauf verlassen, dass die Geschichten von Senderseite nicht zu Tode entwickelt wurden. Dadurch entstanden sowohl im "Club" als auch bei "Weinberg" Freiräume, die für ungewöhnliche Momente sorgen. "'Weinberg' ist eine deutsche Serienproduktion, wie wir sie uns schon lange gewünscht haben", lobte die Grimme-Jury in diesem Jahr zurecht.

"Man muss so etwas feiern und darf es nicht innerhalb von zwei Tagen versenden", erklärte Produzentin Gerda Müller, als wir sie während der Dreharbeiten zu "Weinberg" trafen. Nun, bei Vox läuft "Weinberg" von diesem Mittwoch an innerhalb von drei Abenden zu später Stunde – was der Spannung aber streng genommen dann doch nicht schadet. Gerade jetzt, wo es draußen kalt und dunkel ist, kann man sich ganz gut einlassen auf die düstere Geschichte mit ihren bisweilen sehr skurrilen Gestalten. Für "Weinberg" spricht nämlich nicht zuletzt die tolle Darsteller-Riege: Zu überzeugen weiß neben Hauptdarsteller Friedrich Mücke vor allem Gudrun Landgrebe, die von Haus aus etwas Geheimnisvolles, ja fast schon Unantastbares in sich trägt.

Weinberg© Vox / TM & Turner Broadcasting System / Martin Rottenkolber

Daneben sind Antje Traue, Arved Birnbaum und Jonah Rausch in tragenden Rollen zu sehen. Regie führten Till Franzen und Jan Martin Scharf, der gemeinsam mit Arne Nolting auch die Drehbücher schrieb. Für Franzen war es wichtig, "ein skandinavisches Gefühl" in die Serie zu bringen, wie er im Gespräch mit DWDL.de erklärt. Und so dominieren also gerne mal dichter Nebel und die Rufe von Raben die Szenerie. Manch einer verglich "Weinberg" sogar schon mit "Twin Peaks". Das mag gewiss zutreffen. Dennoch schafft es die mysteriöse Geschichte sehr schnell, eine ganz eigene Note zu entfalten, sodass man sich vor dem Fernseher sehr schnell sehr viel mehr gruselige Einblicke in die deutsche Provinz wünscht. Mehr Grusel täte dem Fernsehen gut. Im positiven Sinne, versteht sich.

Vox zeigt "Weinberg" von Mittwoch bis Freitag täglich gegen 22:10 Uhr.

Teile dieses Artikels sind 2015 schon einmal in anderer Form auf DWDL.de erschienen.