David E. Kelley ist ein US-amerikanischer Film- und Fernsehproduzent, den man vor allem mit einem Genre in Verbindung bringt: Anwaltsserien. Ob "Ally McBeal", "Boston Public" oder auch "Boston Legal" - beinahe seine gesamte Karriere ist von Serien dieser Art geprägt und vieles deutet darauf hin, dass er mit "Goliath" dort weitermachen wird, wo er zuletzt aufhörte. Das stimmt im Grunde sogar - und dennoch sind die Begebenheiten dieses Mal doch ganz anders. Er selbst hat es in einem Interview am besten erklärt: "Wir haben [bei 'Goliath'] schnell festgestellt, dass wir, vor allem in Zusammenspiel mit diesen Charakteren, in der luxuriösen Lage sind, die Szenen atmen zu lassen." Zum Verständnis: Kelley arbeitet erstmals außerhalb des üblichen TV-Geschäfts mit Amazon zusammen, einem Streaminganbieter also, der seinen Machern zumindest in der Theorie den nötigen Raum geben kann, um ihre Geschichte in dem Rahmen erzählen zu lassen, den sie für angemessen halten. 

Kelleys Worte sind sicher keine heiße Luft. Denn wenn "Goliath" mit etwas bestechen kann, dann mit einer Atmosphäre, die alles andere als gestresst wirkt. Die Story wird gemütlich erzählt und die Charaktere verlieren sich in Dialogen, die so lange gehalten werden, wie es eben sein muss. Auf der einen Seite lebt die Produktion davon, dass man der Geschichte Zeit einräumt und die auf diese Weise, wie Kelley eben so schön sagt, "atmet". Doch auf der anderen Seite kommt es auch zu Momenten, in denen das Augenpaar des Zuschauers in Richtung Smartphone-Uhr wandern möchte, weil die Dialoge manchmal dann doch mit etwas zu wenig Sauerstoff von den Autoren versorgt werden. Läge es nicht an Billy Bob Thornton (nicht nur zuletzt in "Fargo" kongenial) und der spaßig derben Sprache, die leider nur er an den Tag legt, würde "Goliath" sogar gefährlich nahe an ein typisches Fernsehdrama geraten. 

Mit der Handlung gewinnen Kelley und sein Co-Showrunner Jonathan Shapiro ("Life") nämlich auch keinen Innovationspreis: Thornton spielt Billy McBride, einen ehemaligen Überflieger-Anwalt, der aus der sehr erfolgreichen Kanzlei Cooperman McBride ausgestoßen wurde und nun in seinem trägen Alltag zwischen Alkohol und peinlichen Momenten dahinsiecht. Plötzlich tritt jedoch ein mysteriöser Fall auf den Plan, der beide Parteien involviert und dafür sorgt, dass alte Differenzen wieder aufgerissen werden. Es ist wortwörtlich ein Kampf zwischen David und Goliath, der im klassischen Fernsehen ja ziemlich gerne gezeigt wird.

Doch war da nicht was? Der Schritt zu Amazon, der so viel ermöglichen sollte und vor allem mal etwas anderes, als klassisches Fernsehen? Nunja, erfreulicherweise ist "Goliath" dann doch kein Anwalts-Procedural, sondern eine Serie, die sich in wirklich jeder Folge ein Stückchen nach vorne bewegt und sich nicht mit unnötigen Nebenfällen oder einem "Case of the Week" beschäftigt. Im Grunde bleiben jedoch die meisten Aspekte, die eine typische Anwaltsserie ausmachen, bestehen: Trotz der Freiheit, die Serienmacher von Streaminganbietern - eigenen Aussagen nach - genießen, versucht "Goliath" nicht einmal an der Oberfläche der Tiefgründigkeit zu kratzen.

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Billy ist ein Arsch, amüsiert damit und liefert ab und an eine sympathische Aktion, die ihn schlussendlich liebenswürdig macht. Trotzdem geht David E. Kelley auf den inkompetenten Familienvater nicht ausführlich ein. Genauso wenig wie auf seinen nicht weniger begabten Gegenspieler William Hurt ("A History of Violence"), der den Anwalt Donald Cooperman spielt. Ein Mann, der den Bösewicht mit seinem halben Narbengesicht und einer Lache wie Lord Voldemort gar nicht klischeehafter darstellen könnte. Diese beiden Oscar-Gewinner sind überragende Schauspieler, doch stoßen selbst die Besten bei mittelmäßigen Drehbuch an ihre Grenzen. Amazon hat Thornton und William eingekauft, um sich mit ihnen zu schmücken, nicht um sie glänzen zu lassen. 

"Goliath" wird vor allem für diejenigen interessant sein, die sich das Leben eines Anwalts näher anschauen möchten. Genau diesen Aspekt hat Kelley etwa bei "Boston Legal" nicht zugelassen. Lange Verhöre und Gerichtstermine waren dort eher nicht zu sehen. Wäre "Goliath" eine Doku über den Anwalts-Alltag und keine Unterhaltungsserie, dann ginge die neue Serie voll in Ordnung. Mit einem solch großartigen Team im Rücken ist das aber nicht genug. Mehr Mut und Innovation wären wünschenwert gewesen. Und so bleibt das letztlich Gefühl, dass man sich doch lieber nochmal "Better Call Saul" anschauen möchte.