Es geht sehr locker zu an der Bochumer Universität. Reihenweise schlafen Professoren dort mit Studentinnen. Allerdings geht das nicht immer befriedigend für beide aus. Es kann schon mal passieren, dass der Prof kurz vor dem Höhepunkt von der Dame abspringt und an seinen Computer hetzt, weil er gerade glaubt, die Energieprobleme der Welt lösen zu können. "Aah, hallo, Professor?", sagt die plötzlich zur Randfigur degradierte Hinterbliebene dann frustriert, muss aber erfahren, dass es für den unehelichen Ururenkel von Albert Einstein gerade wichtigere Dinge als Sex gibt.

Willkommen bei "Einstein", der neuen Serie, die aus dem im Frühjahr 2015 ausgestrahlten Film gleichen Namens hervorgegangen ist. Schon damals drehte sich alles um Felix Winterberg, den genialen Nachkommen des Entdeckers der Relativitätstheorie. Obwohl der Spross seinem Ururgroßvater in Sachen universitärer Ernsthaftigkeit nicht ganz das Wasser reichen kann, verfügt er doch über wichtige Hinterlassenschaften wie etwa einen IQ in Höhe von 210 und eine sehr ausgeprägte analytische Beobachtungsgabe.

Als solcherart Talentierter wird er von der Bochumer Kripo immer wieder angefordert, wenn es gilt, knifflige Fälle zu lösen. Gerne macht er das nicht, aber weil die von der Kripo wissen, dass der Herr Professor zum laxen Umgang mit Betäubungsmitteln neigt, haben sie stets ein probates Druckmittel in der Hand.

Man muss nicht lange nachdenken, um herauszufinden, an welche Serienoriginale man sich bei dieser Beschreibung erinnert fühlt. Mehr oder weniger großzügig wurde da der Ideenpool von "Monk", "Dr. House", "Elementary" und "Sherlock" geplündert, wobei die einzelnen Originalproduktionen ja auch sehr gut sind im gegenseitigen Ausleihen von Motiven.

Tom Beck ist dabei ein recht feiner Herr Professor. Ein bisschen zu gutaussehend vielleicht, um wirklich überzeugend den genial Verwirrten zu spielen. Drehbuchgerecht gibt er sich angemessen durcheinander, spruchstark und selten um eine Idee verlegen. Er spielt den Einstein-Nachkömmling mit viel Wucht und wirft sich voll in seine Rolle. Leider führt das zu gelegentlichem Overacting, was besonders auffällt, wenn der Herr Professor auf das restliche Personal der Serie von Zeitsprung Pictures trifft. Weder die aufstrebende Kommissarin, noch die pfiffige Frau von der Spurensicherung und erst recht nicht der muffelige Oberkommissar kommen da mit.

Einstein© Sat.1/Martin Rottenkolber

Das hat zur Folge, dass ein großer Anlauf viel zu oft an einer Betonwand endet. Was als leicht skurrile Krimikomödie gedacht ist, rutscht ein wenig zu oft ab in die Abgründe von Vorabendserien wie etwa den drögen Soko-Konvoluten im ZDF.

Abgefedert wird dieses unheilvolle Wechselspiel von opulent eingestreutem Wortwitz, kurzen Wissenschaftsshow-Exkursionen und feinen optischen Tricks, bei denen plötzlich irgendwelche Linien durchs Bild eilen oder sich das Erlösungs-Heureka des wirren Professors im Bild seines als Projektionsfläche missbrauchten Auges verdichtet.

"Beeilen sie sich ein bisschen. Ich habe nur noch 2500 Tage zu leben", sagt die Hauptfigur irgendwann, weil sie der festen Überzeugung ist, dass sie aufgrund einer Erbkrankheit nur noch sieben Jahre Restlaufzeit hat. Das löst dann gleich fein den Widerspruch auf, wenn beim plötzlichen Fund von radioaktivem Wasser rund um den Professor alle Strahlenschutzanzüge tragen, nur er nicht. Spätfolgen hat jemand mit einer derart beschränkten Lebenserwartung halt nicht zu fürchten.

Man spürt bei dieser dienstags in Doppelfolgen ausgestrahlten Serie förmlich in jeder zweiten Einstellung, was sie wollte. Leider merkt man aber immer wieder auch rasch, dass das Wollen nicht immer mit dem Gelingen korrelieren mag. So bleibt es nette Unterhaltung und ein bisschen Werbung für Bochum, das ja schon in der ZDF-Serie "Heldt" zu Ehren kommt. Allerdings sollte man an der Uni dringend mal an den Compliance-Regeln arbeiten. Es schlafen dort nämlich eindeutig zu viele Professoren mit ihren Studentinnen.

"Einstein", dienstags um 20:15 Uhr in Sat.1