Glaubt man den öffentlichen Bekundungen der zuständigen Personen, dann ist das vor knapp zwei Wochen gestartete "Big Brother" für den Streaming-Dienst Joyn ein riesiger Erfolg. Mehr als zufrieden sei man, weil die Ergebnisse schon nach einer Woche die Erwartungen übertroffen hätten, wiederholt Joyn-Chef Thomas Münzner auch gegenüber DWDL.de. In einer Medienmitteilung hieß es, dass sich die Zahl derer, die sich den 24/7-Livestream gebucht hätten, über den Erwartungen bewege – gleiches gelte für die Abrufzahlen der Tageszusammenfassungen im kostenfreien AVoD-Bereich des Streamers. Exakte Zahlen behält man bei Joyn dennoch lieber unter Verschluss.



Für Joyn war "Big Brother" 14, zugleich die erste Staffel seit 2020, durchaus ein Wagnis. Denn die Produktionscrew um Rainer Laux hat nicht weniger getan als die Zeit wieder ordentlich zurückgedreht. So gibt es diesmal, anders als etwa 2020 noch, keine unterschiedlichen Bereiche. Entsprechend verzichtet "Big Brother" völlig auf das Erzählen von Auf- und Abstieg. Dabei war das doch gerade Kernelement von vielen Staffeln (inklusive der meisten "Promi Big Brother"-Runden) der zurückliegenden 20 Jahre.

Bis jetzt funktioniert "BB", wenn man mal von den sicher für alle ärgerlichen technischen Problemen beim Upload der ersten Tageszusammenfassung absieht. In der Tat ist es nämlich ungewöhnlich gut gelungen, den eigentlichen Kern des Formats – so wie er vor einem Vierteljahrhundert mal erdacht wurde – wieder freizulegen. Matches werden bis dato in den zwölf Tagen der Staffel kaum vermisst. Dafür muss freilich das Casting sitzen – mehr noch als in den vergangenen Staffeln. Aus über 8000 Personen wurden die 17 Teilnehmenden ausgewählt – sie sind zwischen 20 und 55 Jahren alt. Und die Produktion hat dabei ein richtig gutes Händchen bewiesen.

"Big Brother" 2024: Der Cast stimmt

An Geschichten fehlt es "Big Brother" in den ersten zwei Wochen jedenfalls nicht. Zwar war der Versuch, ein erstes Anbandeln zwischen Maja und Christian zu erzählen, womöglich etwas aufgebauscht, allerdings gab es abseits von Love-Storys schon jede Menge Reibereien. Sei es der in Woche eins aus diversen Gründen in Ungnade gefallene Container-Chef Sandro, "Rampensau" Frauke oder die impulsive Ciara, die erst kürzlich ihre "Freundschaft" mit Container-Küken Maxime infrage stellte und ihr sogar die Extensions herausreißen wollte (was ihr prompt und richtigerweise eine Verwarnung vom Großen Bruder einbrachte). Auch bei Äußerungen, die Minderheiten angriffen, wurde direkt eingeschritten - auch in diesem Punkt verhält sich die Produktion vorbildlich und zieht wichtige Grenzen.

Dass die Leistung von Kandidat Nicos, der sonst sein Auto als erste Wahl zur Fortbewegung hat, auf dem Laufband nur am Rande erwähnt wurde (er spulte in einer Nacht Kilometer um Kilometer ab und lief für die erste Aufgabe der Woche so viel wie kein anderer), zeigt, dass der Cast genug Sendematerial anbietet. Das ist ein wichtiger Punkt. Erwähnenswert auch, dass die Redaktion für die Auswahl der Szenen in den rund 30 Minuten langen Tageszusammenfassungen deutlich weniger gescholten wird als in früheren Staffeln. In einschlägigen Foren wird, das ist selten, sogar mitunter gelobt.

Nur an den 30 Minuten stößt sich noch so mancher Fan. Bewusst habe man sich für diese Länge und somit eine "verdichtete Erzählweise" entschieden, sagt Joyn-Chef Münzner zu DWDL.de – und verweist auf den Livestream, um nichts aus dem Container zu verpassen. Wer diesen länger verfolgt, fühlt sich in der Tat arg an Staffel eins erinnert. An jene Staffel also, die in einer Welt vor Facebook und Co. eine enorme Faszination an einem damals ganz neuen TV-Genre auslöste.

"Big Brother" wandelte sich besonders ab Staffel 4

Auch weil sich "Big Brother", insbesondere ab der vierten Runde mit der damaligen "The Battle"-Staffel stets weiter entwickelte und in Deutschland wie auch im Ausland die Häuser (der Begriff Container war allzu bald gar nicht mehr gern gesehen bei denen, die das Format produzieren) größer und pompöser wurden, ist womöglich in Vergessenheit geraten, dass der allererste Container damals in Hürth ebenfalls von erstaunlicher Schlichtheit war. Ein rechteckiger Garten, ein Essbereich, ein Wohnbereich, Schlafzimmer und Dusche. Nichts war spektakulär ausgestattet, die Möbel kamen mitunter vom bekanntesten schwedischen Möbelhaus.

1. Staffel Big Brother © Screenshot In Vergessenheit geratene Schlichtheit: Der Koch- und Essbereich im ersten "BB"-Container.

Big Brother 2024 Innenhof © Seven.One Entertainment Group / Studio Bummens / Edeka Mut zum Grau-in-Grau: Interieur tritt in Staffel 14 hinter den Cast zurück.
 

Gleiches gilt nun auch für den Container von Staffel 14, der auch schon das Zuhause der Kandidatinnen und Kandidaten von "Promi Big Brother" 2023 war. Heute fällt die Schlichtheit bloß mehr ins Auge. In der Tat ist insbesondere der kleine Innenhof mit seinen grauen Betonplatten und den cremefarbenen Container-Wänden mehr als einfach gehalten. Innen sorgen immerhin einige Möbel für Akzente – im Kern liegt der Fokus aber nicht auf der Einrichtung, sondern auf den Menschen, die eingezogen sind. Dafür ist auch die mit 60 Minuten eher kurze Entscheidungsshow in Sat.1 ein gutes Beispiel. Sie ist bündig, kompakt und nahezu maximal unaufwändig gehalten. Keine Matches, kein Trara. Wochenhighlights, Nominierung, Exit, Auflösung der Aufgabe der Woche. Fertig.

Zum gesamten Bild gehört natürlich aber auch, dass sich "Big Brother" somit einfacher und kostensparend produzieren lässt. Die teils extrem aufwändigen Matches der erfolgreichsten RTLzwei-Staffeln machen die Produktion an sich schlanker. Bis jetzt werden sie nicht vermisst. Der große Hype um das Format, das 2000 Massen bewegte und in den ersten Jahren Millionen unterhielt, er ist freilich verflogen. Trotzdem: In den entsprechenden Bubbles und spitzen Zielgruppen scheint die Begeisterung noch vorhanden zu sein. Doch ob sich "Big Brother" in dieser Urform wirklich dauerhaft wird umsetzen lassen, bleibt fraglich, weil ein so hohes Cast-Niveau eben keine Selbstverständlichkeit ist.

Rausgedrängt werden müssen aus dem Auswahlprozess schließlich alle, denen es weniger um das Experiment, sondern mehr um schnellen Fame geht – und die daher nicht das Klischee des Normalos von Nebenan erfüllen. Nur wenn es dauerhaft gelingt, einen neuen Nicos, einen neuen Sandro, einen neuen Mateo zu finden, werden die zusätzlichen Spielelemente nicht fehlen.

Doch soweit schaut bei Joyn und Endemol Shine Germany jetzt wohl sowieso noch niemand. Dass "Big Brother" sich nach zuletzt doch vielen Pausen in dieser Form nun fest im Jahres-TV-Kalender etablieren könnte, scheint möglich. Zu einer möglichen 15. Staffel will sich Thomas Münzner übrigens trotz des offenbar starken Starts dieser Runde noch nicht äußern. "Jetzt freuen wir uns über den gelungenen Start und ziehen nach 100 Tagen Bilanz", wiegelt er ab.

Übrigens: Bei 100 Tagen wird es bleiben. So lange dauerte auch die "Ur-Form" des Formats, die ja Vorbild für diese Runde ist. Eine Veränderung, sagt Münzner, ist auch trotz des Erfolges nicht geplant. Auch das war in der Historie von "Big Brother", damals bei RTLzwei, bekanntlich schon anders. Die "Secret"-Staffel im Jahr 2011 etwa war zunächst auch auf 100 Tage angelegt, lief dann aber rund einen Monat länger. Gleiches passierte in der zehnten Staffel, die wegen starker Quoten sogar in eine rund zweimonatige Verlängerung ging. Bei Endemol Shine Germany dürfte man gut damit leben können, wirklich Anfang Juni eine Siegerin oder einen Sieger zu küren - wenn diese Komprimiertheit dafür sorgt, dass ein Container (welcher auch immer) Anfang 2025 erneut seine Türen öffnet.