Linearer Konsum nimmt weiter ab, Streaming inkl. BVoD legt zu
Nicht neu, aber maßgeblich für den Realitätscheck: Die tägliche lineare Fernsehzeit ist insbesondere in westlichen Ländern weiter rückläufig, liegt meist zwei Stunden und zwei Stunden 15 Minuten, wobei südeuropäische Länder einen höheren Konsum aufweisen. Die Daten kommen von den Marktbeobachtern von Glance, die inzwischen traditionell das MIPCOM-Programm am Montag eröffnen. Streaming gewinnt gegenüber linearem Fernsehen an Boden, das prominenteste Beispiel in diesem Jahr kommt aus den USA: Der Marktanteil des linearen Fernsehens sank innerhalb von fünf Jahren von 63 % auf 41 %. Im Mai übertrafen Streaming-Dienste erstmals die linearen TV-Zuschauerzahlen in den USA. Ähnliche Trends sind laut Glance auch in Großbritannien, Australien, Brasilien und Polen zu beobachten (obwohl der Marktanteil von Streaming-Diensten in Polen aufgrund des starken Wettbewerbs durch Pay-TV geringer ist).
Doch von dem Trend zum Streaming können auch klassische TV-Anbieter profitieren. Öffentlich-rechtliche und private Rundfunkanstalten bauen in mehreren Ländern ihre Position im Streamingmarkt mit eigenen Plattformen erfolgreich aus. Das gilt für Deutschland ebenso wie für Großbritannien. Dort hat der BBC iPlayer im Vergleich zum linearen Angebot der BBC einen doppelt so hohen Anteil der 18- bis 30-Jährigen. Und auch bei der Monetarisierung leisten BVoD-Angebote für private TV-Konzerne inzwischen einen durchaus spürbaren Beitrag, hier blickt Glance nach Frankreich: TF+ verzeichnete zuletzt einen Umsatzanstieg um 31 Prozent und erreicht 90 Millionen Euro Werbeinnahmen. M6+ erzielt 58 Millionen Euro. Sowohl TF1+ als auch M6+ erzielen damit inzwischen zwölf Prozent der Werbeeinnahmen der beiden TV-Konzerne.
Die Gewinner 2025: YouTube, Netflix und AVoD
Als führender globaler Streamingdienst hält Netflix seinen Marktanteil in allen Ländern recht konstant, baut seine Position als das internationale Synonym für SVoD-Streaming damit weiter aus. Mehr Bewegung ist bei YouTube zu verzeichnen, wo der Marktanteil zwischen neun und zwanzig Prozent liegt. Den Rekordwert holt Googles Streamingplattform in Brasilien. Interessante Insights: YouTube wird besonders stark von Kids genutzt, sieben der zehn meistgesehenen Kanäle in Großbritannien sind Kinder-Inhalte („Peppa Pig“, „Moonbug“, „Bluey“).
Weitere Analyse aus Großbritannien: Die aktivsten 25% der Netflix-User generieren 65 Prozent des Netflix-Konsums - und bei YouTube sieht es genauso aus. Unterschiede aber gibts im Gesamt-Konsumverhalten: Heavy User von Netflix schauen darüber hinaus vergleichsweise viel lineares Programm, sind damit dem Durchschnittsverhalten der Gesamtbevölkerung näher. Heavy User von YouTube nicht. Zurück in den USA lässt sich beobachten: AVoD-Anbieter wie Roku, Peacock, Pluto TV und Tubi sind als neue Kategorie etabliert.
The Age of Hyper-Distribution and Coopetition
Immer wenn man denkt, mehr kann nicht kommen, wird der Markt noch komplexer: Mit dem Wandel der Sehgewohnheiten entstehen neue, noch diffizilere Vertriebsstrategien für Content. Seit der Corona-Pandemie, während der manche Verwertungsketten für Programm in Frage gestellt wurde, ist das sogenannte Windowing schon in aller Munde. Doch der verschärfte Wettbewerb und immer höherer Druck sorgen für das, was Glance in Frankreich unter der englischen Wortschöpfung Coopetition zusammenfasst: Kooperation unter Wettbewerbern.
Fox One in den USA hat einen Deal mit Prime Video, MBC im Nahen Osten mit Netflix, Fuji Television in Japan einen Exklusivertrag mit YouTube - und dann ist da natürlich noch der TF1-Deal mit Netflix in Frankreich. Und ein Blick in die USA untermauert die aufgestellte These der Hyper-Distribution anhand von Sportrechten, die dort extrem komplex verwertet werden - über traditionelle Kanäle, Premium-SVoD, FAST-Kanäle, Aggregatoren (Hulu + Live TV, Fubo) und Super-Aggregatoren (Disney+, YouTube TV). Dazu kommt, das Bundle-Angebote zwischen Akteuren immer üblicher werden. Eine Landschaft, in der „jeder mit jedem verhandelt, insbesondere mit Wettbewerbern“.