Die Akquisition, die Banijay Entertainment wenige Tage vor der MIPCOM zu verkünden hatte, könnte kaum besser ins Bild passen. Der französische Produktionsriese hat die weltweiten Vertriebsrechte am Showformat "Ninja Warrior" erworben, das ursprünglich vom Tokyo Broadcasting System entwickelt worden war. Mit ihren harten körperlichen Herausforderungen und dem sportlichen Ehrgeiz der meisten Kandidaten wurde die japanische Idee zum globalen Phänomen und rief etliche Nachahmer auf den Plan.
Derzeit ist "Ninja Warrior" noch in fünf Märkten auf dem Bildschirm – in Deutschland, Frankreich, Polen, den USA und Asien, die entsprechend von dem Deal ausgeschlossen bleiben. Zur Blütezeit des Formats waren es über 20 lokale Versionen. Genau daran will Banijay nun anknüpfen und mit einem umfassenden Relaunch für erneute Skalierung sorgen. Oder wie Chief Content Officer James Townley es formuliert: "Mit unserer Expertise in der Auffrischung von Kultformaten sind wir bestens aufgestellt, um diese Marke weiterzuentwickeln."
Die Japaner dürften sich genau überlegt haben, wem sie ihr Kronjuwel anvertrauen. Kein zweiter Name steht in der Produktionsbranche so für anhaltend aggressives Wachstum und für wirtschaftlichen Ehrgeiz wie die Banijay Group des einstigen französischen Endemol-Chefs Stéphane Courbit. Dass dessen langjähriger Vertrauter Marco Bassetti, CEO sowohl der Entertainment- als auch der Live-Sparte des Konzerns, am Montag in Cannes mit dem "Variety Vanguard Award" ausgezeichnet wurde, wirkte wie das sorgsam geplante Tüpfelchen auf dem i. "Letztlich konzentrieren wir uns sehr stark auf Qualität und gute Ergebnisse für unsere Aktionäre", gab Bassetti gegenüber den Preisstiftern von "Variety" zu Protokoll. "Daher ist es uns viel wichtiger, ihnen ein sehr gutes Geschäftsergebnis zu liefern, als einen Oscar oder einen Goldenen Löwen zu gewinnen."
Mitten in der Konsolidierung der Produktionslandschaft trumpft Banijay nach wie vor stärker auf als viele seiner Konkurrenten. Im ersten Halbjahr wuchs der Konzernumsatz um 6,1 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro, das operative Betriebsergebnis legte gar um 15,8 Prozent auf 424 Millionen Euro zu. Damit kann die Gruppe eine im Branchenvergleich ansehnliche EBITDA-Marge von 19,2 Prozent vorweisen. Ein Jahr zuvor lag sie noch bei 17,6 Prozent. Der Aufwärtstrend resultiert freilich nicht in erster Linie aus dem klassischen Produktionsgeschäft. Dass die Erlöse mit Shows und Serien für TV-Sender und Streamer um drei Prozent stiegen, ist zwar besser als anderswo. Doch für deutlich zweistellige Zuwächse sorgte Banijay Gaming mit seinen Sportwetten und Online-Glücksspielen.
Umsatz 2024: 4,8 Milliarden Euro Gesellschafter: Financière LOV (Stéphane Courbit / 45%), Vivendi (19%), SBM (10%), Streubesitz (9%), Fimalac (7%), De Agostini (5%) Vorstand: Stéphane Courbit (Chairman), François Riahi (CEO), Sophie Kurinckx-Leclerc (CFO), Marco Bassetti (Banijay Entertainment & Banijay Live), Nicolas Béraud (Banijay Gaming) Produktionsfirmen: Adventure Line Productions, Atlantis Film & Video, Aurora TV, Authentic Entertainment, B&B Endemol Shine, Banijay Productions Germany, Banijay Studios France, Banijay Studios Italy, Banijay Studios North America, BlackLight, Brainpool TV, Bunim/Murray Productions, Diagonal TV, Dragonfly, Endemol France, Endemol Portugal, Endemol Shine Australia, Endemol Shine Germany, Endemol Shine Poland, Groenlandia Group, Jonnydepony, Kudos, MadeFor Film, Mastiff, Metronome, Nordisk Film TV, Remarkable Entertainment, Rubicon TV, Shine TV, Tiger Aspect, Yellow BirdBanijay Group auf einen Blick
Mit einer Nettoverschuldung vom 2,9-fachen des EBITDA liegt Banijay im typischen Korridor wachstumsorientierter Mediengruppen. Die Kosten für Personal und sonstige betriebliche Aufwendungen stiegen zwar im ersten Halbjahr an, aber nicht so stark wie die Umsätze. Auf seinem Capital Markets Day im Mai formulierte der Konzern abermals ehrgeizige Ziele: rund sieben Milliarden Euro Umsatz und 1,2 Milliarden Euro Core Profit bis 2028. Erreicht werden soll dies erklärtermaßen durch "transformative acquisitions", also Übernahmen, die das bestehende Business tiefgreifend umgestalten.
Wer solche Zielvorgaben macht, darf sich nicht wundern, wenn die Gerüchteküche brodelt. Im Frühjahr wurde Banijay jedenfalls als möglicher Kaufinteressent für den britischen Produktionsriesen ITV Studios ins Spiel gebracht, die "Financial Times" schrieb von frühen Gesprächen. Inzwischen versucht Bassetti, ein solches Szenario herunterzuspielen. Man suche eher nach Talentpartnerschaften als nach Firmenaufkäufen, sagte er "Variety". Der M&A-Markt habe "momentan keine Priorität" und er glaube, man habe "die richtige Größe und die richtigen Leute in den Führungspositionen". Ob Bassetti will oder nicht: Die kommunizierten Ziele erzeugen Erwartungsdruck. Investoren und Analysten schauen genau darauf, ob nachhaltiges Wachstum entsteht, ohne dass die Margen sinken oder zusätzliches Geschäft durch übermäßige Verschuldung erkauft wird.
Nachdem die französische Banijay-Tochter Montmartre Films im September beim Filmfestival von Venedig einen Preis für den Spielfilm "À pied d'œuvre" von Valérie Donzelli ergattern konnte, will Bassetti die Filmproduktion weiter ausbauen. Schließlich sei eine deutlich höhere Nachfrage festzustellen, auch weil es zu viele Serien gegeben habe, die "immer wieder dieselben Geschichten erzählten und die Handlung in die Länge zogen". Auf der MIPCOM ist Banijay dennoch mit etlichen neuen Serien präsent, etwa der BBC-HBO-Koproduktion "Half Man" von "Baby Reindeer"-Macher Richard Gadd oder dem Channel-4-Drama "Falling" von "Adolescence"-Co-Creator Jack Thorne. Banijay-Fiction-Chef Steve Matthews hatte vorige Woche auf dem MIA Market in Rom Optimismus verbreitet: Jetzt sei die richtige Zeit, um wieder mehr kreative Risiken einzugehen.
Banijay Live ist unterdessen der Sprung von "Luminiscence" auf den US-Markt gelungen. Das immersive Licht- und Tonspektakel, das zunächst in französischen Kirchen veranstaltet wurde und noch bis Mitte Januar im Dom zu Münster läuft, startet Ende Oktober auch in der Basilica of Saint Mary in Minneapolis. "Luminiscence" kombiniert ein 360-Grad-Videomapping, das auf die Steinwände projiziert wird, mit einer Mischung aus Live-Chor, Orgel und Instrumentalmusik. Die älteste Basilika der USA, die nächstes Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, soll als Ausgangspunkt für eine weitere Live-Entertainment-Expansion in Nordamerika dienen.
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