Ein besseres erstes Jahr im neuen Job hätte sich Daniel Domenjó wohl kaum ausmalen können. Dass der Unternehmer und TV-Produzent im März vom spanischen Telco-Giganten Telefónica zum CEO der Fernseh- und Streamingplattform Movistar Plus ernannt wurde, kam durchaus überraschend. Schließlich war Domenjó alles andere als ein Konzerngewächs. Vor nicht einmal zwei Jahren hatte er gemeinsam mit der französischen Satisfaction Group die Produktionsfirma Satisfaction Iberia gegründet, um lokale Versionen der niederländischen Quizshow-Formate "The Connection" und "The Floor" umzusetzen. Zuvor hatte er schon die spanische Adaption von "The Chase" – hierzulande "Gefragt – gejagt" – produziert und sich als Dokumentarfilmer einen Namen gemacht.

Nun steht Domenjó an der Spitze von Spaniens größtem Auftraggeber und Produzenten hochwertiger Serien, Filme und Dokumentationen. Seinen Kreativen konnte er gleich mehrfach zu höchsten Ehren gratulieren. Im April räumte Movistar Plus als erstes Studio überhaupt beide Top-Preise der Series Mania im selben Jahr ab – für die Drama-Serie "Querer" von Alauda Ruíz de Azúa und den Thriller "Celeste" von Diego San Jose. Im Mai holte der Movistar-Plus-Film "Sirât" von Oliver Laxe den Preis der Jury in Cannes, im September "Sundays" von Ruiz de Azúa die Goldene Muschel von San Sebastián.

Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Seit mehreren Jahren ist es praktizierte Strategie, wichtige Filme- und Serienmacher an Movistar Plus zu binden, indem man ihre Werke auf einem Level produziert, das sich nur wenige europäische Anbieter leisten können. Zur MIPCOM haben die Spanier als Flaggschiff ihre Miniserie "The Anatomy of a Moment", eine Koproduktion mit Banijay Iberia und Arte France, mitgebracht. Der Vierteiler von Alberto Rodríguez erzählt von drei Persönlichkeiten, die zwischen 1976 und 1981 für Spaniens Demokratie kämpften: Ministerpräsident Adolfo Suárez, Armeechef Manuel Gutiérrez Mellado und Santiago Carrillo, Vorsitzender der Kommunistischen Partei.

Movistar Plus auf einen Blick

  • Umsatz 2024: 12,8 Milliarden Euro (Telefónica Spanien gesamt inkl. Mobil- und Festnetz)

  • Gesellschafter: Königreich Spanien (10%), Bancaria Caixa (10%), Saudi Telecom Co. (10%), Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (5%), Streubesitz (65%)

  • Vorstand: Marc Murtra (Chairman & CEO, Telefónica), Emilio Gayo (COO, Telefónica), Daniel Domenjó (CEO, Movistar Plus)

Ein gutes Beispiel sei das für die "markanten, prestigeträchtigen Premium-Produkte" von Movistar Plus, ließ Domenjó sich zitieren. Dieses Erbe, das in der Vergangenheit so konsequent aufgebaut wurde, werde er weiter pflegen. Gleichzeitig soll das Portfolio in Richtung Mainstream-Unterhaltung wachsen. Dafür stehen in Cannes die Psychothriller-Serie "The Nameless" von Pau Freixas oder der aufwendige Spionagethriller "The Center" von David Moreno, der in der verborgenen Welt des spanischen Geheimdienstes CNI spielt und an Schauplätzen von Straßburg bis El Salvador gedreht wurde.

Das alles ist auch unter dem neuen Boss möglich, weil die wirtschaftliche Grundlage stimmt. Im ersten Quartal vermeldete Movistar Plus seinen höchsten Nettozuwachs bei der Abonnentenzahl seit 2018. In der Halbjahresbilanz standen insgesamt knapp 3,7 Millionen zahlende Kunden. Die greifen tiefer in die Tasche, seit die Tarife für Premiumpakete wie "Ficción total" oder "Total Fútbol" zum Jahreswechsel erhöht wurden. Überhaupt profitiert die Plattform davon, dass Telefónica zu einem hohen Anteil konvergente Pakete aus Internet, Mobilfunk, Fernsehen und Streaming verkauft und damit einen vergleichsweise hohen Durchschnittsumsatz pro Nutzer erzielt. Zunehmend fungiert Movistar Plus nicht nur als Produzent und Rechteinhaber, sondern auch als Aggregator großer internationaler Marken, etwa des Streaming-Joint-Ventures SkyShowtime oder der FAST-Kanäle von BBC Studios.

Analysten weisen darauf hin, dass stark steigende Kosten für Sportrechte perspektivisch zum Problem werden könnten. Um die Investitionen zurückzuverdienen, müsse Movistar Plus entweder die Abopreise weiter erhöhen oder seine Kundenbasis ausbauen. Beides sei schwierig: Preiserhöhungen stießen auf Widerstand und das Wachstumspotenzial sei in einem Markt mit hohem Anteil bereits versorgter Haushalte begrenzt. Einen möglichen Weg glaubt Domenjós Truppe dennoch gefunden zu haben: Unlängst wurden zusätzliche regionale Sprachangebote in Katalanisch und Baskisch gelauncht. Das ist in Spanien nicht nur kulturell sinnvoll, sondern stärkt, strategisch betrachtet, die Zuschauerbindung in Kernregionen des Landes und kann als Pluspunkt bei der Plattformregulierung dienen.

Spanische Branchenbeobachter erwarten, dass Domenjó neben der bereits in Aussicht gestellten Mainstreamisierung auch eine inhaltliche Verjüngung anstoßen wird. Im Wettbewerb mit YouTube, TikTok & Co. setzen die großen US-Streamer bereits verstärkt auf die Einbindung von Creator-Content und interaktiven Formaten. Im spanischsprachigen Markt wiederum treten die Amerikaner angesichts der Größe der Zielgruppe besonders aggressiv und mit vielen eigenen Inhalten gegen die lokalen Player an. "Wenn Movistar Plus sich zukunftsfest aufstellen will, liegt der Schlüssel dazu in Formaten, die besonders die Gen Z anziehen", empfehlen die Medienforscher von Omdia. Die starke Position im eigenen Land verschaffe dem Unternehmen zwar einen Vorteil. Um jedoch weiterhin führend zu bleiben, seien kontinuierliche Innovationen in den Bereichen Content-Strategie, Vertrieb und Zuschauerbindung erforderlich.

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