Er ist ein bisschen anders geworden, dieser „Polizeiruf 110“. Der Zwist zwischen der ehrgeizigen LKA-Tante König und dem ruppigen Rostocker Bukow steht nicht mehr so weit vorne. Dabei waren sie doch stets so wunderbare Feinde, die das Schicksal mehr oder weniger zufällig in ein Boot gespült hatte. Hier die penible Streberin, dort der Brummelbär, bei dem Fünf in der Regel gerade sind. Aber das war einmal, denn fast sind diese beiden unterschiedlichen Charaktere schon in Freundschaftsnähe gelandet. Dafür bekommen sie in diesem Film aber die Quittung, denn sie werden gleichermaßen bedroht.

Zu Beginn ist ein Mann zu sehen, in einem Keller, gefesselt an einen Stuhl. Er hat ein Metallgestell im Mund, das Assoziationen an ganz üblen Horror weckt. Sein Peiniger ist eine Kapuzengestalt. Die kann den Gefangenen nicht halten. Er reißt sich los, torkelt blutverschmiert aus seinem Verließ, raus auf die dunklen Straßen. Später wird man erfahren, dass ihm die Zunge herausgerissen wurde. Bis zu einem Taxi schafft er es noch. Er fällt auf den Rücksitz und stirbt dort. König und Bukow werden aus dem Schlaf heraus an den Tatort gerufen. Sie versuchen, den Fall zu konstruieren so gut es geht. Als sie damit fertig sind, will König noch einen trinken gehen. Sie ist offenbar wild entschlossen, in ihrem durch DDR-Flucht und Mutter-Verlust traumatisiertem Leben einiges neu zu regeln. Bukow aber winkt ab, er muss auch was regeln. Er will nach Hause ins eheliche Bett, denn er hat in Sachen Familie so einiges nachzuholen.

Im Sommer-„Polizeiruf 110“ konnte man sehen, wie Bukow noch den Beruf vorzog, wie er seine Kinder mit an den Tatort schleppte. Seine Frau machte das wütend, sie fühlte sich hingezogen zu Bukows langhaarigem Kollegen. Mit genau dem trifft sie sich nun in einem Hotel. Während die beiden die Laken befeuchten, erleidet Bukows Sohn in der Schule einen Asthmaanfall. Weil die Mutter nicht zu erreichen ist, muss Bukow den Sohn ins Krankenhaus bringen. Dort hilft eine hübsche Ärztin aus der Not, und der gestresste Bukow erwidert ihren sehr offenen Blick nur zu gerne. Doch er muss weiter, im Mordfall ermitteln. Spuren führen in die Swinger-Szene ins Sado-Maso-Milieu, und irgendwann geraten sogar die Ermittler ins Visier des Mörders.

Natürlich ist dieser Film wieder ein großartiges Duett für Anneke Kim Sarnau (König) und Charly Hübner (Bukow). Die beiden sind eine Schauspielklasse für sich. Sie geben ihren Rollen genau jenen Drive, den es braucht, um sie so natürlich und so besonders zugleich zu machen. Stellvertretend für ihre sehr besondere Art, miteinander umzugehen, steht ein wunderbar lakonischer Dialog, bei dem König die Eröffnung übernimmt. „Was ist aus dem guten alten Kuschelsex geworden“, fragt sie staunend über sehr besondere Praktiken, von denen sie gerade gehört hat. Bukow brummelt daraufhin: „Mmmh.“ Das wiederum schürt ihre Neugier. „Was heißt das denn“, will sie wissen, und ködert damit ein sehr typisches Bukow-Statement: „Mmmh heißt Mmmh.“ 

Allerdings haben die beiden es diesmal ziemlich schwer, gegen ein leicht verworrenes Drehbuch anzuspielen, das vom Autor Thomas Stiller auch inszeniert wurde. Da gibt es so einige Brüche in der Logik, und die Frage, wie eine zierliche Frau einen etwas dickeren ohnmächtigen Mann aus dessen Haus in einen abgelegenen Keller transportiert bekommt, markiert nur einen dieser Brüche, die das Zusehen ein wenig verleiden.

Dazu kommt die Liebesgeschichte von Bukows Frau mit dem Kollegen, die schon nach kurzer Zeit sehr abstruse Züge anzunehmen scheint. Alles ein bisschen verquast, alles ein bisschen durcheinander. Ja, am Ende fügt sich so einiges, und mit ein bisschen gutem Willen kann man auch verstehen, was Thomas Stiller wohl wollte. Leider oder besser Gottseidank ist ein Rostocker „Polizeiruf 110“ nun mal eine der besseren Adressen im deutschen Krimidorf. Wenn so etwas leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird, dann schmerzt das schon arg.

Sei’s drum. Es wird ein Aussetzer sein, und der nächste Rostocker Fall wird wieder ein ganz besonderer. Bitte, bitte.