Es ist der 30. „Tatort“ für Ritter und Stark, es ist der letzte für die beiden, und das ist gut so. Im Prinzip hatten sich die Geschichten um die zwei ungleichen Kommissare schon lange auserzählt. Zu oft hielten Dominic Raacke (Ritter) und Boris Aljinovic (Stark) nur noch ihre Gesichter in die Kamera und erzählten dann, was das Drehbuch ihnen aufgegeben hatte. Mit ihrem letzten Fall beschließen sie nun ein weiteres Kapitel der an nicht so besonderen Fällen und Kommissaren eher reichen Berliner „Tatort“-Geschichte. Möglicherweise werden sie nach dieser Folge ein wenig länger in Erinnerung bleiben als es ihre vorangegangenen Taten vermuten ließen, denn „Großer schwarzer Vogel“ wirkt in manchen Momenten wie ein ganz passabler Film, der zudem mit ein paar Genre-Gewohnheiten bricht. Leider bleiben die Ausnahmen Ausnahmen.

Das mit dem Regelbruch merkt man schon daran, dass ein richtiges Mordopfer fehlt. Zwar kommt gleich zu Beginn ein ahnungsloser Junge durch eine Briefbombe zu Tode, aber es ist nicht die Sprengkraft, die ihn meuchelt, er ist halt aufgrund des plötzlichen Knalls unglücklich gefallen. Die Briefbombe sollte nur erschrecken. Ihr Ziel war der als bekannt vorgestellte Radiomoderator Nico Lohmann, den man sich als Berliner Ausgabe von Domian vorstellen kann. Leider ist Lohmann nicht so offen und mitteilsam wie sein Kölner Pendant, er schweigt lieber. Das ist für einen Radiomoderator keine sehr übliche Lebensweise, aber damit nicht genug. Lohmann guckt dazu noch ausdauernd verbittert in die Gegend.

So verbittert, dass die Suche nach Auffälligkeiten in seiner Vergangenheit recht bald erfolgreich verläuft. Lohmann war mal ein kommender Schwimmstar, getriezt vom ihn trainierenden Vater. Doch dann kam der Tag, an dem Lohmanns Auto mit dem einer jungen Familie kollidierte. Mutter und Kind starben, Lohmann fiel ins Koma, und die Ermittlungen ergaben, dass die Mutter wohl müde gewesen sein muss.

Dass dem nicht so war, kann man schon beim ersten Blick in Lohmanns Gesicht feststellen. Leider ist das nicht beweiskräftig genug, weshalb Ritter und Stark ganz viele Fragen stellen. Eigentlich machen sie den ganzen Film über nichts anderes. Sie fragen, und dann machen sie sich Gedanken über das Erfahrene und über die beteiligten Personen. Über Lohmanns schwangere Frau, über seine Ex, über seinen Vater, über den Witwer und über den Mann, der Lohmann ans Leder will, weil er ihn für seine Scheidung verantwortlich macht.

Das hat zwischendurch ganz hübsche Momente, wenn etwa die Schwangere Geräusche im Haus hört und Alarm schlägt. Da ist zu spüren, dass hier die Chance auf einen Hauch von Psychothriller gesteckt hätte. Die Chance bleibt ungenutzt, und wieder steht als riesiges Fragezeichen das Problem im Raum: Was verbirgt Lohmann? Das fragen sich auch der von Schlaflosigkeit geplagte Ritter und der sich stets superschlau gebende Stark: Was verbirgt Lohmann?

Packend verläuft die von den Autoren Titus Selge und Jochen Greve erdachte Suche stets dann, wenn Julia Koschitz ins Spiel kommt. Sie spielt die Ex von Lohmann, und so wie sie das tut, ist sie der Leuchtstern am trüben Berliner Krimihimmel. Koschitz birgt eine große Kraft in ihrer Mimik. Sie kann den Bildschirm allein ausfüllen und zeigt dabei doch nie Platzhirschallüren. Sie agiert immer im Dienste der Sache, sie ist, was sie spielt. Glaubhaft. Lebhaft. Greifbar. Ganz im Gegensatz zum Lohmann-Darsteller Florian Panzer, dem Regisseur Alexander Dierbach offenbar nur einen einzigen Gesichtsausdruck zugestanden hat.

Leider ist Julia Koschitz viel zu kurz im Bild, leider übernehmen dann schnell wieder Dominic Raacke und Boris Aljinovic. Für ihre Verhältnisse spielen sie Ritter und Stark diesmal ganz passabel, was bedeutet, dass sie wesentlich seltener ein großes Staunegesicht machen und sich kaum aufklärende Geschichten der Marke „Ne, das gibt’s?“ erzählen.

Es sind indes nur nette Versuche, die diese Abschiedsfolge nicht vor dem Halbgaren retten. Im Prinzip ist dieser Film ein einziger Konjunktiv. Immer haarscharf am Richtigen vorbei. Das hätte zum Schluss noch einmal etwas werden können. Hätte, hätte…